Arzneimittel und Therapie

Störungen im Serotoninstoffwechsel oder doch Infektion?

Etwa eines von 1000 Babys sterben in jedem Jahr in Deutschland am plötzlichen Kindstod. Er ist damit bei uns die häufigste Todesursache von Kleinkindern jenseits der Neugeborenenperiode. Definiert wird er als plötzlicher Tod eines Säuglings, für den keine Ursache wie Krankheit oder Unfall gefunden werden konnte. Viele Hypothesen zur Ursache wie gestörter Blutfluss zum Hirnstamm, die Wirkung mikrobieller Toxine oder die Nebenwirkungen von Impfungen sind bisher aufgestellt worden. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass möglicherweise verschiedene Risikofaktoren beteiligt sein können.

In den meisten Fällen findet der plötzliche Säuglingstod (im Englischen Sudden Infant Death Syndrome, SIDS genannt) während der (vermuteten) Schlafenszeit des Säuglings statt. Im Jahr 2005 starben in Deutschland 323 Babys an plötzlichem Kindstod (Risiko: 0,04%). Als Zeitraum, in dem der plötzliche Säuglingstod stattfinden kann, wird regelmäßig das erste Lebensjahr des Kindes angegeben. Männliche Säuglinge sind mit 60% stärker betroffen als weibliche; zwei Drittel der Todesfälle ereignen sich in den Wintermonaten. Dabei tritt der plötzliche Säuglingstod am häufigsten im zweiten bis vierten Lebensmonat des Säuglings auf.

Zu geringer Serotoninspiegel im Gehirn als Ursache?

In einem Tiermodell wurde jetzt demonstriert, dass genetisch veränderte Mäuse, die ein Übermaß des Serotoninrezeptors 1A produzierten, häufiger Herz-Rhythmus-Krisen zeigten, die dann zu einem plötzlichen Tod führten, der dem plötzlichen Säuglingstod ähnlich war. Der Serotoninspiegel im Gehirn war bei diesen Mäusen im Vergleich zu dem von Kontrolltieren um etwa ein Drittel vermindert. Äußerlich erschienen die Mäuse völlig gesund, aber im Schlaf sackten ihre Kurven für Körpertemperatur und Herzfrequenz immer wieder unvermittelt ab [1]. Durch einen Rezeptorblocker konnten die Mäuse vor dem unerwarteten Tod bewahrt werden. Hirnanatomische Studien hatten bereits vorher auf einen Zusammenhang zwischen einem verminderten Serotoninspiegel und dem plötzlichen Kindstod hingewiesen.

Bakterielle Infektionen und plötzlicher Kindstod

Aber auch ein Zusammenhang zwischen mikrobiellen Infektionen und dem plötzlichen Kindstod kann nach neuen retrospektiven Studien nicht ausgeschlossen werden. In einer vergleichenden englischen Studie wurden Kinder, die ohne äußere Anzeichen plötzlich gestorben waren, auf das Vorkommen von Bakterien wie Staphylococcus aureus und Escherichia coli untersucht. Zahlreiche dieser Kinder wiesen so hohe Konzentrationen an diesen Bakterien auf wie die einer Vergleichsgruppe von Babys, die eindeutig an einer Hirnhaut- oder Lungenentzündung gestorben waren. Zu ähnlichen Befunden kommt eine australische Studie [3]. Einschränkend wurde jedoch festgestellt, dass die Bakterien nicht als eigentliche Todesursache der Babys gelten müssen. Die aktuellen Ergebnisse zu möglichen Ursachen des plötzlichen Kindstod müssen nicht widersprüchlich sein; vielmehr könnten sie eine Erklärung für ein größeres Risikopotenzial aufzeigen, als bislang angenommen wurde. Auch weiterhin sollten daher die Ratschläge von Epidemiologen für vorbeugende Maßnahmen ernst genommen werden:

  • Kleinkinder im 1. Lebensjahr in Rückenlage schlafen lassen,
  • keine Stofftiere im Bett,
  • der Kopf des Kindes sollte nicht durch Bettzeug bedeckt werden können,
  • Raumtemperatur und Bettdecke sollten für das Kind weder zu warm noch zu kalt sein,
  • Säuglinge im elterlichen Schlafzimmer schlafen lassen,
  • keine verqualmten Wohn- oder Schlafzimmer.
Quelle

[1] Audero E et al.: Sporadic autonomic dysregulation and death associated with excessive serotonin autoinhibition. Science 2008; 321: 130 –133.

[2] Weber MA et al.: Infection and sudden unexpected death in infancy: a systematic retrospective case review. Lancet 2008; 371:1848 –1853.

[3] Goldwater PN: Sterile site infection at autopsy in sudden unexpected deaths in infancy. Arch. Dis. Child. 2008; doi:10.1136/adc.2007. 135939 (15.09.2008).

[4] Mahnke, PF: Bakteriologische Befunde beim plötzlichen, unerwarteten Kindstod. Dtsch. Zeitschr. Ger. Med. 1965; 56: 167 –171.


Dr. Hans-Peter Hanssen

Bundesstr.

20146 Hamburg

hans-peter.hanssen@hamburg.de

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