Deutscher Apothekertag 2008

Verstaubte Argumente

Klaus G. Brauer

Dass man den Arzneiversand als Ergänzung zum traditionellen Vertriebsweg zugelassen habe, sei "angesichts des demographischen Wandels nötig" gewesen – so Klaus Theo Schröder, beamteter Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium. Das Argument wird leider auch durch Wiederholung nicht besser. Denn es gab und gibt überall im Land – also "flächendeckend" – Apotheken, die alten, kranken, nicht mehr mobilen Patienten Medikamente ins Haus oder ans Krankenbett liefern! Und das in aller Regel – anders als Versandapotheken – innerhalb kürzester Zeit, noch am Tag der Bestellung!

Auch eine Gefährdung der Arzneimittelsicherheit, so Schröder, gehe vom Arzneiversand nicht aus. Auch das ist eine gewagte These. In den Vor-Ort-Apotheken können wir unsere Kunden kennen. Ein persönlicher Kontakt, eine spontane Nachfrage ist möglich. All das fehlt Versandapotheken. Daraus folgt: Es fehlen Sicherheitselemente, die in Vor-Ort-Apotheken die Regel sind. Zum Beispiel so: Wie reagiert eine Apotheke vor Ort, wenn ihr eine Verschreibung über Aciclovir-Creme vorgelegt wird, der Patient hat aber erkennbar nichts an den Lippen, dafür aber am Auge? Natürlich folgt die Nachfrage. Er erhält eine für das Auge allein geeignete Zubereitung: die Augensalbe. Und im Versand? Da würde auf das eingeschickte Rezept die Lippenherpes-Creme ausgeliefert – erstens zu spät für eine effektive Therapie und zweitens in einer Creme-Zubereitung, die keinesfalls ans Auge darf.

Den Vorwurf, Versandapotheken müssten sich nicht an die Gemeinwohlaufgaben der öffentlichen Apotheken halten, findet Schröder unzutreffend. Auch sie müssten sich am Notdienst beteiligen; nur öffentliche Apotheken dürften ja als Versender tätig werden. Das Argument trifft den Nagel – voll auf den Daumen. Naturgemäß wohnen die wenigsten der Kunden einer Versandapotheke im nahen Einzugsbereich der Versandapotheke. Für den Not- und Nachtdienst müssen sich die Versandapothekenkunden also einer Apotheke in der Nähe ihrer Wohnung bedienen, die sie als Versand-apothekenkunden sonst eher meiden. Auch für die Akutversorgung, für die Anfertigung von Rezepturen und für alles, was – wie Information und Beratung – aufwendig ist, werden die Versandapotheken von ihren Versandkunden praktisch kaum, jedenfalls weit unterproportional in Anspruch genommen. Ergebnis: Die einen picken die Rosinen, die anderen machen die Arbeit. Hier müsste die Politik eigentlich für einen Leistungsstrukturausgleich sorgen – so wie er im Krankenkassenbereich in Form des Risikostrukturausgleiches etabliert ist.

Klaus G. Brauer

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.