Gesundheitspolitik

Weichgekocht

Klaus G. Brauer

Es ist unfassbar: Eingeschüchtert durch einige raffiniert arrangierte politische Drohgebärden will unsere Berufsvertretung mithelfen, Pick-up-Stellen für Arzneimittel aus der Schmuddelecke zu holen. Die ungewollten Ausfransungen des Arzneiversandhandels, unbeabsichtigte Folge der Regelungen zur Zulassung des Arzneiversandes, würden damit hoffähig gemacht. Pick-up-Stellen könnten künftig – neben Präsenzapotheken und Arzneiversand – zum dritten Weg werden, über den sich die Bevölkerung mit apotheken- und verschreibungspflichtigen Arzneimittel versorgen lassen kann. Die Drogeriekettenbetreiber können die Sektkorken knallen lassen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte noch entschieden: So wie der Arzneiversandhandel gesetzlich nun mal geregelt worden sei (das ließe sich korrigieren!), müsse man zwar auch Arzneimittelabholstellen z. B. in Drogeriemärkten erlauben. Aber dabei dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, als sei die Drogerie eine "Apotheke light". Ihr komme nur eine Transportfunktion zu. Die Versandapotheke im Hintergrund trage alle Verantwortung.

Und nun? Statt die Regelungen zum Versandhandel so zu modifizieren, dass dem Pick-up-Spuk ein Ende gemacht wird, könnte jeder Laden zur Pick-up-Station für apotheken- und verschreibungspflichtige (!) Arzneimittel mutieren. Ein Raum fürs Lagern muss her – nun ja. Und freiverkäufliche Arzneimittel muss man verscherbeln dürfen. Das setzt einen Sachkundenachweis (§ 50 AMG) voraus – keine große Hürde, aber immerhin. Denn der Briefträger oder UPS-Fahrer, der Arzneimittel einer Versandapotheke ausliefert, braucht ihn nicht. Das demonstriert die Adelung der Pick-up-Stationen gegenüber dem normalen Arzneiversand: "Apotheke light" durch die Hintertür. Mit zigtausend Outlets bundesweit. Ist das Plan B der Celesen, wenn der EuGH den Kettenfans nicht auf den Leim geht? Dafür spricht, dass selbst ein europarechtlich für zulässig erklärtes apothekenrechtliches Fremd- und Mehrbesitzverbot diesen Pseudo-Apotheken nichts anhaben könnte.

Als Kompensation für ihr Einkni-cken erwartet die ABDA, dass Pick-up-Stationen das Rezepte-Einsammeln verboten wird. Aber erstens gibt es das Verbot schon (ApBetrO § 24) – die Pick-ups setzen sich munter darüber hinweg und nichts passiert. Zweitens wäre ein solches Verbot wahrscheinlich ohnehin das Papier nicht mehr wert, sobald wir die elektronischen Rezepte haben.

Bei allem Verständnis und nach Abwägen der Argumente scheint mir sicher: Unsere Berufsvertretung ist dabei, in eine Falle von historischer Dimension zu tappen. Es gibt Alternativen (siehe DAZ Nr. 7, S. 19ff.). Auch die sind nicht ohne Risiken – aber allemal vorzuziehen.


Klaus G. Brauer

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