Deutscher Apothekertag 2013

Privilegien der Arzneiversender endlich kappen

Dr. Klaus G. Brauer, Herausgeber der DAZ

Gleiche Anforderungen an Umfang und Qualität der Information und Beratung bei Arzneiversendern („Versandapotheken“) einerseits und bei Vor-Ort-Apotheken andererseits: die Aufsichtsbehörden seien gefordert, dies unverzüglich sicherzustellen – so die Stoßrichtung eines verdienstvollen Antrags der Apothekerkammer Nordrhein, der mit nur einer Enthaltung einstimmig angenommen wurde.

In der Tat: § 20 der Apothekenbetriebsordnung, der die Informations- und Beratungspflichten regelt, stellt Arzneiversender davon nicht frei. Im Gegenteil. Auch für Arzneiversender gilt, dass sie aktiv „durch Nachfrage“ weiteren Informations- und Beratungsbedarf feststellen und ggf. eine Beratung anzubieten haben. Der Einwand, das sei doch nicht nötig und auch gar nicht möglich, ist spätestens mit Erlass der jetzigen Betriebsordnung obsolet. Als „Voraussetzung für die Arzneimittelbelieferung“ durch einen Arzneiversender hat der Besteller eine Telefonnummer anzugeben, über die er erreichbar ist. Damit ist die Versandapotheke in die Lage versetzt und verpflichtet, ihren Beratungsaufgaben nach § 20 in jedem Fall durch einen Anruf bei dem Kunden nachzukommen. Die Behörden sind aufgerufen, dies durchzusetzen. Andernfalls würden sie sich dem Verdacht aussetzen, Versandapotheken zu privilegieren.

Systembedingt kann zwischen Arzneiversender und Kunde kein „face-to-face“-Kontakt stattfinden – was vorteilhaft wäre und bei Präsenzapotheken auch möglich und die Regel ist. Aber „ear-to-ear“, das geht sehr wohl. Und es ist auch nicht „überzogen“ und „letztlich nicht erfüllbar“, wie Ulrike Flach (FDP), die Ex-Staatsekretärin im Bundesgesundheitsministerium fälschlich meinte. Es mag unbequem sein. Aber wenn die Arzneimittelsicherheit – richtigerweise – Vor-Ort-Apotheken abverlangt, aktiv eventuellen Beratungsbedarf zu ermitteln, weil der Patient diesen Bedarf nicht immer selbst erkennen kann, dann ist dies auch von Versandapotheken einzufordern. Versandkunden sind nicht eo ipso schlauer. Und die Absicht und Aufgabe, die Arzneimittelsicherheit zu verbessern, lässt sich nicht teilen.

Am Rande vermerkt: Wenn die beim Arzneiversand als Regel einzufordernde „ear-to-ear“-Beratung als ausreichend angesehen wird, dann muss das auch für den Botendienst der Präsenz-Apotheken gelten – zumal Botendienst nur die Ausnahme („im Einzelfall“) neben der Regelversorgung darstellt. Es muss beim Botendienst (wenn der Patient nicht ohnehin „face-to-face“ schon in der Apotheke beraten wurde) ausreichen, dass die vorgeschriebene Beratung durch pharmazeutisches Personal per Telefon erfolgt. Vom Apotheker zu verlangen, dass er oder allenfalls seine PTA sich selbst ins Auto setzt, um den Patienten in seinen vier Wänden zu beraten, wäre völlig überzogen. Es liefe darauf hinaus, dass der Botendienst zugunsten der Arzneiversender in diskriminierender Weise erschwert wird. Und das, obwohl dort schneller, besser und nicht zuletzt persönlicher versorgt wird, als es der Paketdienst je könnte.

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