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Zwischenahner Dialog i

Herausforderungen für die Pharmapolitik

BAD ZWISCHENAHN (tmb). Die Apothekerkammer und der Apothekerverband Niedersachsen veranstalteten gemeinsam mit dem gesundheitspolitischen Arbeitskreis der forschenden Arzneimittelhersteller Nordwest am 12. und 13. April den dritten Zwischenahner Dialog zur Gesundheitsökonomie. Am ersten Tag standen Herausforderungen für den Arzneimittelmarkt im Vordergrund.

Dr. Frank Diener, Geschäftsführer Wirtschaft und Soziales der ABDA, wies auf das seit vielen Jahren konstante Entgelt von etwa 3,8 Milliarden Euro pro Jahr hin, das die gesetzlichen Krankenkassen für die Benutzung der Apotheken bezahlen. Die Herausforderungen für die Pharmapolitik lägen daher nicht in den Apotheken, sondern in der asymmetrischen Information der Heilberufler über die verschiedenen Therapien eines Patienten, in mangelnder Compliance, in Arzneimittelrisiken und in der wachsenden Strukturkomponente des Arzneimittelmarktes. Diese sei seit 1989 in keiner Gesundheitsreform eingeplant worden, weshalb die Politik zwangsläufig falsche Erwartungen produziere. Eine weitere Herausforderung seien die Wahltarife der Krankenkassen. Der Weg dorthin sei unumkehrbar, doch bleibe offen, ob und wie die Arzneimittelversorgung in Wahltarife einbezogen werde. Als Bestandteile solcher Wahltarife könnten auch Module des Hausapothekenkonzeptes genutzt werden.

Als Antwort auf diese Herausforderungen seien die Apotheker preisneutral gestellt und kassenspezifische Herstellerrabattverträge zugelassen worden, wobei der 2004 abgeschlossene Hausärzte- und Hausapothekervertrag mit der Barmer als "Eisbrecher" gewirkt habe. Zu den jüngsten Rabattverträgen erklärte Diener, es reiche aus, wenn Ärzte und Apotheker wüssten, welche Anbieter zu bevorzugen seien und diese dann auch liefern könnten. Die vereinbarten Rabatte fielen dagegen unter die privatvertragliche Diskretion.

Die Apotheker könnten auf die Herausforderungen mit einem umfangreichen pharmazeutischen Instrumentarium von der Arzneimitteldokumentation, pharmazeutischem Management, Prävention, Home-Service und Spezialrezepturen bis zur Verzahnung ambulanter und stationärer Leistungen, antworten. Für die Versorgung ambulant versorgter Pflegebedürftiger sei mehr als nur als die Verblisterung fester oraler Arzneiformen, sondern ein Gesamtkonzept nötig. Zum aktiven Versorgungsmanagement der Apotheken gehöre die Unterstützung der Rabattverträge, doch böten Zielpreisvereinbarungen weitere Vorteile. Dabei werde stets ein mit den Krankenkassen vereinbarter Zielpreis taxiert, der unter dem bisherigen Durchschnittspreis liegen könne, aber die Wahl des Präparates liege in jedem Einzelfall beim Apotheker.

Auch ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf plädierte für Zielpreisvereinbarungen. Entgegen früheren Meldungen berichtete Diener, dass Rabattverträge und Zielpreise im Gesetz gleichwertig nebeneinander stehen und daher jeweils zu regeln sei, welche Regelung Vorrang habe. Er plädierte für die Vorfahrt der jeweils landesspezifisch gezielt ausgehandelten Verträge vor Verträgen auf Bundesebene. Die Apotheker müssten sich diesen Herausforderungen stellen, denn das Generikamanagement sei eine gesellschaftlich gewollte Aufgabe. Verträge würden sich als Steuerungsinstrument langfristig etablieren.

Versorgungsmanagement gegen Strukturprobleme

Aus ärztlicher Sicht sieht Dr. Volker Steitz, stellvertretender Vorsitzender der KV Niedersachsen, in Wirkstoffverordnungen, Vermeidung von "Me-too"-Präparaten und Zurückhaltung bei neuen Arzneimitteln die praktikabelsten Antworten auf die Herausforderungen. ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf forderte, die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern stärker zu systematisieren, wie dies im Barmer-Hausärzte- Hausapotheken-Vertrag begonnen worden sei. Für Brigitte Käser, AOK Landesdirektion Niedersachsen, bestehen im Arzneimittelmarkt viele Fehlallokationen. Die Patienten müssten das Richtige zur richtigen Zeit erhalten. Dafür seien patientenbezogene Konzepte und ein ganzheitliches Versorgungs- und Risikomanagement erforderlich. Mit Rabattverträgen zur Generikaauswahl könne dieses Strukturproblem nicht gelöst werden. Zugleich verteidigte sie die AOK-Rabattverträge gegen den Vorwurf, damit ausländische Anbieter zu bevorzugen. Die Verträge seien das Ergebnis einer Ausschreibung. Die großen Anbieter seien bei dem Versuch gescheitert, ein Kartell gegen die AOK zu organisieren.

Neue Perspektiven

Nach Einschätzung von Klaus Schlüter, Pfizer Deutschland, ist die Arzneimittelpreisbildung in Deutschland inzwischen so stark reguliert, dass weitere gesetzliche Maßnahmen nichts mehr bringen würden. Daher seien neue Konzepte gefragt, die die Industrie zu Akteuren im Versorgungsmanagement machen würden, wie Kapitationsmodelle, bei denen die Industrie die Arzneimittelkosten zurückerstattet, die den zuvor festgelegten Behandlungsbedarf übersteigen. Eine weitere Möglichkeit sei das Risikosharing, bei dem die Industrie die Haftung für den Therapieerfolg übernimmt, also die Behandlung der zu verhindernden Ereignisse bezahlt, wenn diese eine bestimmte Häufigkeit überschreiten. Solche Konzepte würden im Ausland und im stationären Bereich bereits angewendet. Die Krankenkassen würden dabei ihre klassische Rolle verlieren und zu Managern der Versorgungsleistung.

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