Tagung

Nach dem AMNOG – wie geht es weiter?

Neben Ansätzen für die individualisierte Medizin wurden beim Zwischenahner Dialog verschiedene Folgen der jüngsten Gesundheitsgesetzgebung dargestellt. ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf sieht große Probleme, eine wirkungsvolle individualisierte Therapie mit den Sparzwängen in einem unterfinanzierten Gesundheitssystem zu verbinden. Doch zugleich warb er für das neue gemeinsame Konzept der ABDA und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf

Die jüngsten Sparmaßnahmen habe kaum jemand so zu spüren bekommen wie die Apotheken, erklärte Wolf. Das AMNOG bedrohe die Arzneimitteltherapie stärker als alle früheren Kostendämpfungsmaßnahmen. Besonders in ländlichen Gebieten bestehe Gefahr für die Versorgung. Doch die Apotheken würden nicht aufgeben. Dazu verwies Wolf auf das kürzlich präsentierte gemeinsame Konzept der ABDA und der KBV zum Medikationsmanagement und zur Wirkstoffverordnung. Dies führe zu klarer Kommunikation, senke die Preise und erhöhe die Qualität. Ein Arzt und ein Apotheker würden sich ein Jahr lang gemeinsam um einen Patienten kümmern. Das umfassende Medikationsmanagement unter Einschluss der Selbstmedikation begegne auch den Herausforderungen durch die Polymedikation. Mit Blick auf den Vortrag von Dingermann betonte Wolf, dass dieses Konzept neben einem Medikationskatalog mit Leitlinien-Arzneimitteln auch Reserve-Arzneimittel vorsieht. Für diejenigen Probleme, die nicht durch Kommunikation und bessere Compliance zu lösen sind, könne es künftig einen Pharmako-Gen-Pass geben, um die von Dingermann beschriebenen genetischen Aspekte zu berücksichtigen.

Götz Schütte, ehemaliges Mitglied im ABDA-Vorstand

Götz Schütte, ehemaliges Mitglied im ABDA-Vorstand, betonte die Bedeutung der Apotheken für die ortsnahe Versorgung. Dies habe auch die Rechtsprechung durch die Anerkennung des Kreisgrenzenprinzips bei der Krankenhausversorgung und mit den jüngsten Entscheidungen gegen Boni auf rezeptpflichtige Arzneimittel gewürdigt. Denn die Arzneimittelpreisverordnung diene letztlich der ortsnahen Versorgung. Diese Ortsnähe sei auch bei der ambulanten Zytostatikaversorgung wichtig. Das enge Dreiecksverhältnis zwischen Arzt, Apotheke und Patient dürfe nicht zerstört werden. "Das wäre nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch unmenschlich", erklärte Schütte und sprach sich damit gegen Ausschreibungen für die Zytostatikabelieferung aus.

Noch mehr sparen

Bisher hätten die Sparmaßnahmen bei Arzneimitteln den Ausgabenzuwachs nur gedämpft, erklärte Brigitte Käser, AOK Niedersachsen, die weiterhin Herausforderungen bei Zytostatika, anderen hochpreisigen Spezialpräparaten und "Me-too"-Arzneimitteln sieht. Doch habe die AOK Niedersachsen durch Beratungsmaßnahmen für Ärzte günstige Effekte erzielt, beispielsweise bei der Krankenhausentlassmedikation, beim verstärkten Einsatz von Biosimilars und bei der "Me-too"-Quote. Weiterhin problematisch sei die Polymedikation. Dazu verwies Käser auf ärztliche Empfehlungen, bevorzugt diejenigen Krankheiten zu behandeln, die die jeweiligen Patienten besonders stören, frühere Verordnungen zu hinterfragen und Medikationen auch wieder zu beenden.

Brigitte Käser, AOK Niedersachsen

Oliver Christoffers, Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen, betonte die abschreckende Wirkung von Regressen auf Ärzte. Die Hälfte der Studierenden wolle sich deswegen später nicht als Arzt niederlassen. Einen ersten Schritt zur Lösung sieht Christoffers in Regelungen wie der Arznei- und Heilmittelvereinbarung 2011 für Niedersachsen. Diese sei "ein Netz mit doppeltem Boden". Nur wenn die Ärzte landesweit die vereinbarte Haftungsgrenze nicht einhalten und wenn die ausgewählten Leitsubstanzen mehr als im Bundesdurchschnitt verordnet werden, finden individuelle Betrachtungen statt. Individuell geprüft werde aber nur, wenn auch der jeweilige Arzt die vereinbarte Quote bei den Leitsubstanzen verletzt hat.

Ärgernis Mehrkostenregel

Ena Meyer-Bürck, Geschäftsführerin des Apothekerverbandes Niedersachsen, hinterfragte die mit dem AMNOG eingeführte Mehrkostenregel. Diese sei ein weiterer Mosaikstein in einer schleichenden "PKV-isierung der GKV", denn das Sachleistungsprinzip gehöre zur Grundidee der GKV. Die Rabattverträge könnten prinzipiell durch die Mehrkostenregel ausgehebelt werden, sofern diese von den Patienten viel in Anspruch genommen werden sollte. Doch dies werde offenbar durch die bürokratische und für die Patienten finanziell abschreckende Umsetzung verhindert. Aufgrund der unterschiedlichen Satzungsbestimmungen könnten die Versicherten verschiedener Krankenkassen sehr unterschiedliche Erstattungen bei gleichen Produkten erwarten.

Inhaltsverzeichnis "Bad Zwischenahner Dialog":



DAZ 2011, Nr. 16, S. 62

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