Pharmaverbände: AVR hat ausgedient

BERLIN (ks). Vergangene Woche ist zum 23. Mal der Arzneiverordnungs-Report (AVR) erschienen. Einmal wieder kommt er zu dem Ergebnis, dass die gesetzlichen Krankenkassen mehr für die Arzneimittelversorgung zahlen, als es nötig wäre – auch wenn ihre Ausgaben für Medikamente 2006 infolge von Spargesetzen nur um moderate 1,8 Prozent auf 25,9 Mrd. Euro gestiegen sind. Vor allem die Pharmahersteller werden dafür verantwortlich gemacht, dass die Ausgaben nicht nachhaltig in den Griff zu bekommen sind. Die Industrie hält den AVR ihrerseits für nicht mehr zeitgemäß.

Pharmaindustrie weist pauschale Schuldzuweisungen zurück

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e. V. (BAH) hält den AVR-Autoren vor, noch immer mit dem "falschen Prinzip der alleinigen Schuldzuweisung an die Arzneimittelindustrie" zu operieren. Und das, obwohl der Report im überregulierten deutschen Arzneimittelmarkt die Entwicklungen auf dem Arzneimittelmarkt gar nicht mehr sinnvoll darstellen könne. So werde der heutige Markt schon weitgehend durch Rabattverträge reguliert. Die gewährten Rabatte und damit die tatsächlichen Ausgaben seien jedoch nicht bekannt und nachvollziehbar. Auch der AVR schaffe hier in keiner Weise einen Beitrag zur Transparenz. "Der AVR ist somit heute und in Zukunft verzichtbarer denn je", so das Fazit des BAH.

Auch beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hält man den AVR nicht mehr für zeitgemäß: Er schaffe es nicht, "glaubwürdig etwas zur Versachlichung der Diskussion um eine zukunftsorientierte Arzneimittelversorgung beizutragen", erklärte BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. Die Autoren versuchten lediglich "mit pauschalen und einseitigen Verallgemeinerungen" die Industrie als Kostentreiber zu "brandmarken". Ignoriert werde, dass mithilfe von Arzneimitteln in anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung Kosten gespart werden können. Berücksichtige man in den Berechnungen zudem die Handelsstufen, die Mehrwertsteuer und den GKV-Abschlag, komme man zu dem Ergebnis, dass die Hersteller 58 Prozent der GKV-Ausgaben für Arzneimittel verursachten – ihnen seien somit lediglich 9,4 Prozent der gesamten GKV-Ausgaben zuzurechnen, betonte Fahrenkamp.

Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) spart ebenfalls nicht an Kritik: Die These des AVR, dass es in der GKV "Kostenreserven" in Milliardenhöhe gebe, basiere auf der unrealistischen Annahme, dass jeder Arzt jedem Patienten immer das billigste Medikament verschreiben könne. "Das geht natürlich komplett an der Versorgungsrealität vorbei." Yzer ist überzeugt, dass der vom VFA ins Leben gerufene und kürzlich zum zweiten Mal erschienene Arzneimittel-Atlas diese Realität besser erfasst. Dieser betrachtet Veränderungen bei den Arzneimittelausgaben indikationsweise und kam in diesem Jahr zu dem Ergebnis, dass rund 70 Prozent der Ausgabensteigerungen auf die Behandlung weit verbreiteter chronischer Erkrankungen wie Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, Rheuma und Diabetes zurückführen sind. "Diesen medizinischen Mehrbedarf zu ignorieren, bringt weder Patienten, Ärzten noch Krankenkassen etwas", so Yzer.

Pro Generika-Geschäftsführer Peter Schmidt hält den AVR-Autoren zumindest zugute, dass sie die Sparleistungen seiner Branche würdigen und klarstellen, dass der Ausgabendruck ausschließlich von patentgeschützten Arzneimitteln ausgeht. Weniger zupass kommt ihm, dass deutschen Generika erneut vorgeworfen wird, zu teuer zu sein. Hier mangele es dem AVR an "Objektivität und Fairness". Schmidt verwies auf eine Studie von IMS Health zu Generikapreisen in Europas TOP 5-Märkten aus dem vergangenen Juni: Danach sind die Herstellerabgabepreise deutscher Generika preisgünstiger als in Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien. Der AVR rechne aber mit dem Brutto-Apothekenverkaufspreis, der auch Mehrwertsteuer und Handelsspannen beinhaltet. So werde das Bild nicht nur verzerrt, sondern hinsichtlich der deutschen Generikapreise sogar "grob verfälscht". .

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