Arzneimittel und Therapie

Gewichtsreduktion: Den Cannabinoid-Rezeptor blockieren

Das körpereigene Endocannabinoid-System ist unter anderem an der Regulation des Appetits sowie des Glucose- und Lipidstoffwechsels beteiligt. Wie in einer Studie gezeigt wurde, führt eine Blockade des Cannabinoid-Rezeptors zu einer Gewichtsabnahme. Zusätzlich werden kardiovaskuläre und metabolische Risikofaktoren reduziert.

Das körpereigene Endocannabinoid-System ist auf peripherer und zentraler Ebene an der Regulation zahlreicher Funktionen beteiligt, so unter anderem auch an der physiologischen Feinregulation der Energiebilanz, der Nahrungsaufnahme sowie des Lipid- und Glucosemetabolismus. Die Forschungen der letzten zehn Jahre führten bereits zur Entwicklung bzw. zum Einsatz erster Therapeutika, die gezielt in das endogene Cannabinoid-System eingreifen. Zu diesen Novitäten zählt auch der Cannabinoid-Rezeptorblocker Rimonabant, der aus folgenden Überlegungen heraus bei Adipositas eingesetzt werden soll: Unter physiologischen Bedingungen führt eine Aktivierung des Systems zu einem kurzfristigen Hungergefühl und damit verbundener Nahrungsaufnahme. Danach wird das System wieder deaktiviert. Eine anhaltende Stimulierung führt zu metabolischen Entgleisungen und zu einer gesteigerten Lipogenese – mit allen Folgeerscheinungen wie Adipositas oder den Auswirkungen eines metabolischen Syndroms. Durch gezielte Blockade des Cannabinoid-Rezeptors kann die Überaktivität des Endocannabinoid-Systems moduliert und das Energie-Gleichgewicht wieder hergestellt werden. Nachdem Tierversuche Erfolg versprechend waren, wurde Rimonabant in einer größeren Humanstudie eingesetzt, um seine Auswirkungen auf Fettleibigkeit und kardiovaskuläre Risikofaktoren zu untersuchen.

RIO-Studie abgeschlossen

Für die multizentrische, randomisierte und placebokontrollierte RIO-Studie (Rimonabant in obesity) wurden 1507 Patienten mit einem Bodymass-Index > 30 kg/m² oder > 27 kg/m² und zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktoren (unbehandelte Hypertonie, Dyslipidämie) ausgewählt und randomisiert einer der folgenden drei Gruppen zugeteilt:

  • Gruppe I erhielt täglich 5 mg Rimonabant,
  • Gruppe II erhielt täglich 20 mg Rimonabant und
  • Gruppe III nahm täglich ein Placebo ein.

Alle Patienten erhielten eine leicht hypokalorische Kost (ein tägliches Minus von 600 kcal/Tag) und wurden zu körperlicher Aktivität angehalten. Der primäre Studienendpunkt war die Gewichtsveränderung nach einem Jahr in der Intention-to-treat-population.

Gewichtsabnahme und Reduktion kardiovaskulärer Risikofaktoren

920 Patienten (61%) nahmen an der Nachuntersuchung teil; 379 davon waren Probanden der 5-g-Rimonabant-Gruppe, 363 der 20-mg-Rimonabant-Gruppe und 178 der Placebo-Gruppe. Nach einem Jahr hatte die Therapie mit 5 mg Rimonabant zu einem durchschnittlichen Gewichtsverlust von 3,4 kg und mit 20 mg Rimonabant zu einem durchschnittlichen Gewichtsverlust von 6,6 kg geführt. Unter einer Placebo-Therapie nahmen die Studienteilnehmer im Durchschnitt 1,8 kg ab (Zahlen für die ITT-Population).

Im Vergleich zur Placebo-Therapie erzielten statistisch signifikant mehr Probanden der 20-mg-Rimonabant-Gruppe eine Gewichtsreduktion um mehr als 5% bzw. um mehr als 10% des ursprünglichen Körpergewichts.

Im Vergleich zur Placebo-Gruppe verloren die Patienten der 20-mg-Rimonabant-Gruppe durchschnittlich 6,5 cm Hüftumfang und wiesen Verbesserungen bei kardiovaskulären Risikofaktoren (Insulinresistenz, Lipidparameter, metabolisches Syndrom) auf. Bei den Probanden der 5-mg-Rimonabant-Gruppe waren diese Effekte weniger stark ausgeprägt.

Rimonabant wurde im allgemeinen gut vertragen, unerwünschte Wirkungen waren moderat und traten meist nur zu Therapiebeginn auf. Unter 20 mg Rimonabant traten Übelkeit, Erbrechen, Schwindelgefühle und Durchfälle etwas häufiger auf als in der 5-mg-Gruppe und in der Placebo-Gruppe.

Das körpereigene Endocannabinoid-System ist unter anderem an der Regulation des Appetits sowie des Glucose- und Lipidstoffwechsels beteiligt. Wie in einer Studie gezeigt wurde, führt eine Blockade des Cannabinoid-Rezeptors zu einer Gewichtsabnahme. Zusätzlich werden kardiovaskuläre und metabolische Risikofaktoren reduziert.

Rückschlag für Rimonabant in den USA Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat die Zulassung für Rimonabant, das in den USA unter der Bezeichnung Acomplia® als ein Präparat zur Raucherentwöhnung vermarktet werden sollte, verschoben. Sanofi-Aventis teilte mit, dass eine Entscheidung in den kommenden Monaten erwartet wird. Es wird vermutet, dass das Präparat nicht vor 2007 auf den Markt kommen kann. Der Konzern hatte die Markteinführung zuvor für das zweite Quartal 2006 in Aussicht gestellt. Jetzt hofft Sanofi-Aventis, im Laufe der nächsten 18 Monate die US-Zulassung für Rimonabant zur Behandlung von Übergewicht zu erhalten. Für die Zulassung als Anti-Raucher-Medikament werde es noch weiterer Tests bedürfen. ck

Therapeutische Ansätze am Endocannabinoid-System

Stimulation des Systems

  • Dronabinol-Tropfen (DAC 22.8) bei Anorexie und Kachexie (insbesondere bei AIDS-Patienten) sowie bei Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit einer Chemotherapie
  • Nabilon ( Cesamet®), ein synthetisches Cannabinoid (ist in Großbritannien und Kanada als Antiemetikum zugelassen)
  • THC (Sativex®) zur Schmerztherapie bei MS-Kranken (ist bislang noch nicht zugelassen)

Blockade des Systems

  • Rimonabant (Acomplia®) wird im Rahmen von Studien zur Raucherentwöhnung und zur Gewichtsreduktion untersucht.

Das Endocannabinoid-System Das Endocannabinoid-System besteht aus endogenen Liganden und Cannabinoid-Rezeptoren, die an G-Proteine gekoppelt sind. Cannabinoid-Rezeptor-1 ist in bestimmten Gehirnarealen und in peripherem Gewebe, einschließlich Fettgewebe, dem Gastrointestinaltrakt, in Herz, Lunge, Leber, Harnblase, der Hypophyse und sympathischen Ganglien lokalisiert; Cannabinoid-Rezeptor-2 findet sich im Immunsystem. Zu den Endocannabinoiden zählen der 1992 identifizierte Fettsäure-Abkömmling Anandamid (benannt nach dem Sanskrit-Wort ananda für Glückseligkeit) und 2-Arachidonoylglycerin. Im Gegensatz zu herkömmlichen Neurotransmittern werden Endocannabinoide nicht gespeichert sondern ad hoc aus Bestandteilen der Zellmembran synthetisiert. Sie wirken über eine retrograde Signalgebung auf andere Neurotransmitter und drosseln z. B. die Ausschüttung von GABA und weiteren Botenstoffen.

Quelle: Nicoll, R.; et al.: Das Gehirn und sein Marihuana. Spektrum der Wissenschaft, Juli 2005.

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