Arzneimittel und Therapie

Metaanalyse konkretisiert psychische Störungen

Seit der Einführung von Rimonabant (Acomplia®) mehren sich die Hinweise, dass unter der Therapie mit Rimonabant vermehrt psychische Störungen auftreten. In einer Metaanalyse einer Arbeitsgruppe der Universität von Kopenhagen wurde dieses Risiko genauer untersucht.

Seit Juni 2006 ist Rimonabant (Acomplia®) in einigen europäischen Ländern und in Argentinien zur unterstützenden Therapie der Adipositas im Handel. Rimonabant ist ein selektiver Cannabinoid-1-Rezeptor-Antagonist, der bei seiner Zulassung als gut verträglicher Wirkstoff mit geringen Nebenwirkungen eingestuft wurde. Jedoch zeigten sich bald Hinweise auf mögliche psychische Auswirkungen einer Therapie mit Rimonabant. Dies führte unter anderem dazu, dass in Europa seit Juli 2007 Rimonabant bei Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen nicht eingesetzt werden darf. In den USA ist Rimonabant nicht im Handel und die FDA fordert vor einer Zulassung weitere Langzeitdaten zur Sicherheit.

Metaanalyse quantifiziert psychische Nebenwirkungen

Mit Hilfe einer Meta-Analyse erfasste eine dänische Arbeitsgruppe das Risiko psychischer Störungen unter einer Therapie mit Rimonabant genauer. Zur Auswertung kamen vier doppelblinde, randomisierte Studien mit 4105 Probanden, in denen die Einnahme von 20 mg Rimonabant mit einer Placebotherapie verglichen wurde. Primäres Studienziel dieser in der Metaanalyse ausgewerteten Studien war der Gewichtsverlust nach einem Jahr.


Number needed to harm

Die Number needed to harm (NNH) kann zur Beurteilung von Nebenwirkungen herangezogen werden. Die Zahl gibt an, wie viele Patienten behandelt werden müssen, bis ein bestimmtes Ereignis auftritt. Je kleiner die NNH, umso wahrscheinlicher ist das Auftreten einer unerwünschten Wirkung. So besagt eine NNH von 25, dass bei einem von 25 Patienten eine bestimmte unerwünschte Wirkung auftritt, eine NNH von 1000, dass bei einem von 1000 Patienten mit einer bestimmten unerwünschten Wirkung zu rechnen ist.

Mehr psychische Nebenwirkungen

Die statistische Auswertung der Studien bestätigte die erwünschten – in diesem Fall die gewichtsreduzierenden – und die unerwünschten, psychischen Wirkungen von Rimonabant. So hatte die Therapie mit Rimonabant nach einem Jahr zu einer durchschnittlichen Gewichtsreduktion von 4,7 kg geführt, aber auch mehr ernsthafte unerwünschte Wirkungen wie die Placebotherapie hervorgerufen. Das Ausmaß der unerwünschten Wirkungen wird folgendermaßen beschrieben:

  • Die Nebenwirkungsrate war unter Rimonabant signifikant höher als unter der Placebotherapie (Odds ratio 1,4; p = 0,0007). Die Number needed to harm (NNH) für alle Nebenwirkungen wurde mit 25 ermittelt, und die NNH für ernsthafte Nebenwirkungen betrug 59.
  • Probanden der Rimonabant-Gruppe brachen die Therapie zweieinhalb Mal häufiger aufgrund depressiver Störungen ab als die Patienten der Vergleichsgruppe (Odds ratio 2,5; p = 0,01; NNH = 49).
  • Im Vergleich zur Placebogruppe gab es in der Rimonabant-Gruppe dreimal so viele Therapieabbrüche aufgrund von Angststörungen (Odds Ratio 3,0; p = 0,03; NNR 166).

Weiterer Cannabinoid-1-Rezeptor-Antagonist

Nach Rimonabant befindet sich mit Taranabant ein weiterer Cannabinoid-1-Rezeptorantagonist in der Entwicklung, wie Merck mitteilte.

Taranabant

Taranabant blockiert wie Rimonabant im Gehirn die Cannabinoid-Rezeptoren und wirkt damit entgegengesetzt wie das auch zur Anregung des Appetits eingesetzte Rauschmittel Cannabis.

Taranabant verminderte in einer zwölfwöchigen Studie bei adipösen Probanden den Appetit, erhöhte den Ruheenergiestoffwechsel und verstärkte die Fettverbrennung. Im Vergleich zu Placebo sank unter Taranabant das Körpergewicht dosisabhängig signifikant stärker: Die Patienten mit dem Appetitzügler verbrauchten mehr Energie, ohne sich zu bewegen und verbrannten auch mehr Fett. Unter einer hohen Taranabant-Dosierung traten im Vergleich zu Placebo allerdings auch deutlich häufiger Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und psychische Störungen auf.

Ob und wann der Wirkstoff als ein Arzneimittel zur Gewichtsreduktion auf den Markt kommen könnte, darüber trifft der Hersteller noch keine Aussage.


Quelle: Heymsfield,S.; et al.: Taranabant Cuts the Fat: New Hope for Cannabinoid-Based Obesity Therapies? Cell Metabolism, Band 7, S. 68 2008.

Verstärkte Aufmerksamkeit

Für die Kommentatoren der Metaanalyse ist das erhöhte Risiko psychischer Störungen unter einer Rimonabant-Einnahme insofern beachtenswert, da in den ausgewerteten Studien bestehende Depressionen oder andere psychische Erkrankungen als Ausschlusskriterien galten. Menschen mit extremer Fettleibigkeit scheinen aber ein hohes Depressionsrisiko zu haben, sind also unter einer Therapie mit Rimonabant besonders gefährdet. Die Kommentatoren empfehlen daher eine sorgfältige Überwachung der Patienten, die Rimonabant erhalten, zumal nach Hinweisen der FDA unter Rimonabant ein erhöhtes Suizidrisiko besteht.


Zum Weiterlesen

Endocannabinoide und Endocannabinoid-Rezeptorantagonisten.
Med Monatsschr Pharm 2005;28(2):40-3.



Quelle

Christensen R., et al.: Efficacy and safety of the weight-loss drug rimonabant: a meta-analysis of randomised trials. Lancet 370, 1706-1713 (2007).


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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