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Rauchen – Europa hört auf, und Deutschland? (Außenansicht)

Als vor einem Jahr in italienischen Restaurants, Pizzerien und Cafébars sowie in sämtlichen öffentlichen Einrichtungen ein striktes Rauchverbot eingeführt wurde, haben viele gelacht – besonders bei uns. Rauchverbot in Italien, dem Land der "kleinen Gesetzesübertreter im Alltag", wie sollte das funktionieren? Ein Jahr später lacht niemand mehr. Das "vietato fumare" hat bestens geklappt, und die meisten Italiener sind voll zufrieden damit: Bereits in den ersten Monaten des Verbots wurden etwa sieben Prozent weniger Herzinfarkte registriert, der Zigarettenverkauf sank um sechs Prozent, eine halbe Million Italiener haben 2005 mit dem Rauchen aufgehört. Nur zwölf Prozent der italienischen Wirte klagen über spürbare Einnahmeverluste. Das Land ist zu einem Vorreiter der Anti-Tabak-Welle in Europa geworden.

Und wie sieht es im übrigen Europa aus? In den Restaurants und Kneipen Schwedens gibt es seit letztem Sommer komplett rauchfreie Luft. Damit hat sich Schweden dem Rauchverbot in Irland, Norwegen und Malta angeschlossen. Im Englischen Parlament wurde soeben für 2007 (früher als geplant) ein öffentliches Rauchverbot beschlossen. Schottland, Portugal, Spanien und Lettland wollen demnächst nachziehen. In Frankreich und Belgien gibt es zwar Gesetze, doch werden sie kaum beachtet, in Ungarn, Rumänien, Luxemburg und der Türkei gibt es keine. Und bei uns?

Hierzulande setzt man (wie auch in Österreich) auf Vereinbarungen mit dem Gaststättengewerbe: In Restaurants sollen allmählich mehr Nichtraucherplätze angeboten werden. Strafen für Zuwiderhandlungen sind nicht geplant, es genügt das Aushängen eines Verbotsschilds. Geregelt ist bei uns derzeit nur der Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz (offenbar nicht für die Kellner), ansonsten ist die Republik ein Paradies für Raucher.

Nun (endlich!) fordern auch deutsche Politiker angesichts europaweiter öffentlicher Rauchverbote mehr Schutz für Nichtraucher. Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitsexperte, ist für ein Rauchverbot in Gaststätten, da er nicht an eine Selbstregulierung glaubt (wo er Recht hat, hat er Recht). Lauterbach kritisiert vor allem den Einfluss der Tabaklobby, deren Einfluss auf die Politik in Deutschland sehr groß sei. Auch die Grünen-Politikerin Ulrike Höfken spricht sich für Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden aus.

Doch ausgerechnet unsere Drogenexperten sehen die Situation ganz entspannt. 2005 vereinbarte die damalige Drogenbeauftragte Marion Caspers-Merk (SPD) und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), dass bis zum Jahr 2008 in 90 Prozent der Restaurants die Hälfte aller Plätze für Nichtraucher reserviert sein soll. Maria Eichhorn, die Drogenbeauftragte der Unionsfraktion, möchte den Erfolg der Eigenverantwortlichkeit der Gastwirte abwarten. (Da werden aber noch eine Menge Passivraucher inzwischen sterben müssen.) Und auch der Drogenexperte der FDP, Detlef Parr, lehnt Gesetze zum Nichtraucherschutz strikt ab. Es gebe gute Erfahrungen mit freiwilligen Vereinbarungen (davon merkt der nichtrauchende Bürger allerdings wenig), und die Tabaklobby nehme ihre Rolle ernst und leiste viel bei der Aufklärung (die gar nichts nützt).

Obwohl inzwischen auch der Letzte wissen müsste, dass Rauchen nicht gerade gesundheitsförderlich ist, wird der Zigarette von Vielen (auch vom Staat) die Stange gehalten. Und dies, obwohl die Beweislast erdrückend ist, dass Rauchen nicht irgendein Risiko darstellt, sondern das größte in unserem Leben überhaupt. Rauchen hat sich zur unbestreitbar wichtigsten einzelnen Krankheits- und Todesursache entwickelt. Die Zigarette ist der größte Gesundheitsfeind des Menschen. Von allen Todesursachen werden Rauchen und Aids weltweit in den nächsten Jahren am stärksten zunehmen.

Von wenigen Arbeitsplätzen abgesehen gibt es in der Umwelt keine Luft, die derart mit gesundheitsschädigenden Stoffen angereichert ist wie die eines Rauchers. Darunter leiden nicht nur die Raucher, sondern leider auch die Nichtraucher. Für Deutschland wurde vom Deutschen Krebszentrum soeben geschätzt, dass etwa 3300 Nichtraucher (vermutlich mehr) jährlich durch Passivrauchen sterben. Die WHO sieht das Passivrauchen (auch das durch rauchende Eltern zu Hause) als eine besondere und nachhaltige Bedrohung für Kinder an und bezeichnet es als ein indiskutables Gesundheitsrisiko.

Rauchverbote an öffentlichen Orten: Eine längst fällige Maßnahme oder ein Zeichen mangelnder Toleranz? Nicht mitrauchen zu wollen ist kein Zeichen mangelnder Toleranz, sondern das legitime Interesse des Einzelnen, gesund und länger am Leben zu bleiben. Passivrauchen kommt einer Körperletzung gleich!

Nein, verehrte Drogenexperten, Rauchen ist lebensgefährlich und kostet die Gesellschaft mehr als es ihr über Steuern einbringt. Und es wird nicht durch Gedenktage, Aufklärung und Appelle eingedämmt, sondern nur durch strikte regulatorische Maßnahmen. Viele Länder haben uns dies eindrucksvoll gezeigt. Wie lange will man bei uns noch warten?

Prof. Dr. med. Klaus Heilmann

Prof. Dr. med. Klaus Heilmann beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Risikoforschung, Krisenmanagement und Technikkommunikation. In der DAZ-Rubrik "Außenansicht" befasst sich Heilmann mit Themen der Pharmazie und Medizin aus Sicht eines Nicht-Pharmazeuten vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen.

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