DAZ aktuell

1. Januar 2008 – der Tag, an dem die Luft reiner wurde

Seit dem 1. Januar sind nun endlich auch in der Bundesrepublik strikte Rauchverbote in Kraft, wenn auch noch nicht landesweit einheitlich: in allen Kneipen, Restaurants, Diskotheken, öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln. Obwohl die große Mehrheit der Deutschen die Rauchverbote unterstützt, wollen die Gastwirte die neuen Regelungen nicht hinnehmen – das Rauchverbot wird auf Betreiben des Hotel- und Gaststättenverbands ein Fall für das Bundesverfassungsgericht. Einmalig in Europa, denn in keinem Land wurde gegen das zum Schutze der Nichtraucher erlassene Rauchverbot Klage erhoben.

Wie dem auch sei, wer als Raucher weiterhin nett essen gehen, in einer Bar sitzen oder mit dem Zug verreisen will, muss sich überlegen, ob es nicht besser ist, mit dem Rauchen ganz aufzuhören. Man kann mit dem Rauchen aber auch aus Einsicht aufhören, denn es gibt gute Gründe dafür: Rauchen ist eine langsam zum Tode führende Sucht. Jede Zigarette kostet einen Raucher fünf Minuten seines Lebens.

Verhängnisvoll allerdings wäre es, wenn das Rauchen nun aus der Kneipe in die häusliche Wohnung verlegt und Kindern zur Gefahr würde. Bei Kindern erhöht Passivrauchen das Risiko für Atemwegserkrankungen, Asthma, Mittelohrinfektionen und Allergien, bei Schwangeren für Fehlbildungen und Fehlgeburten. Etwa 60 Säuglinge versterben jährlich durch Passivrauch im Haushalt sowie durch vorgeburtliche Schadstoffbelastungen. Passivrauchen durch rauchende Eltern zu Hause ist für Kinder eine nachhaltige Bedrohung und als Körperverletzung zu betrachten.

Verbote können zwar weitgehend die Nichtraucher schützen, lösen aber nicht das Problem derer, für die Rauchen zur Sucht geworden ist, und die nun durch gesetzliche Regelungen oder aus eigener Einsicht das Rauchen aufgeben sollen bzw. wollen, aber nicht wissen, wie sie es schaffen können.

Im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten (z. B. Großbritannien, Frankreich), die Hilfestellungen bei der Raucherentwöhnung anbieten, gibt es derart geförderte Programme in Deutschland (noch) nicht. Dies so rasch wie möglich zu ändern, also den Ausstieg zu erleichtern und ihn dauerhaft zu sichern, ist nach dem Rauchverbot nun die nächste Aufgabe der Politik.

In Deutschland hören jedes Jahr eine Million Menschen mit Rauchen auf. 80 Prozent der Raucher haben es mindestens einmal versucht und würden gerne von der Zigarette loskommen. Denn für den Raucher hat keine Risiko reduzierende Maßnahme für die Erhaltung der Gesundheit und des Lebens einen vergleichbar positiven Effekt wie die Aufgabe der Zigarette. Zehn Jahre nach Aufgabe des Rauchens entspricht das Lungenkrebsrisiko dem eines Nichtrauchers, nach 15 Jahren sinkt das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko auf Nichtraucher-Niveau.

Das Rauchen aufgeben ist nicht leicht, da Raucher nicht nur psychisch von der Zigarette abhängig sind, sondern auch physisch unter ihrem Entzug leiden. Um ihnen zu helfen, von ihrer Sucht loszukommen, wurden viele Entwöhnungsmethoden entwickelt und mit mehr oder weniger Erfolg angewandt. Willensstärke allein oder Yoga, Akupunktur und Hypnose genügen meist nicht.

Die wichtigste Unterstützung für die Raucherentwöhnung ist unumstritten die erfolgreiche Bekämpfung der Entzugserscheinungen durch Medikamente. Vor allem starke Raucher profitieren ganz wesentlich von einer zeitweiligen Nicotinsubstitution, denn sie kann deutlich die Entzugserscheinungen verringern. Der Nutzen der Nicotinersatztherapie (NET) bei der Raucherentwöhnung ist unumstritten, die Erfolgsaussichten werden durch sie nahezu verdoppelt.

Ihr Prinzip beruht darauf, dass dem Süchtigen über einen längeren Zeitraum Nicotin fein dosiert und verteilt zugeführt wird, wobei die rasche Anflutung des Nicotins im Gehirn und damit das angestrebte Entspannungsgefühl vermieden wird. Zudem wird auf diese Weise die Nicotinaufnahme von Gewohnheiten und Tagesritualen abgekoppelt. Die therapeutische Effektivität dieses Prinzips ist auf Basis verschiedener valider Untersuchungen als gesichert und überdies als quantifizierbar anzusehen. Sowohl von der WHO als auch bei uns vom IQWiG ist die Nicotinersatztherapie als effektive Therapiemöglichkeit anerkannt.

Dass aber diese potenziell lebensrettenden Präparate bei uns nicht erstattungsfähig sind und noch immer in die Gruppe der sogenannten "Lifestyle-Drogen" eingeordnet werden, ist ein Skandal. Dies möglichst rasch zu ändern, ist jetzt Aufgabe des Gesetzgebers. Sowohl die ärztliche Beratung der ausstiegswilligen Patienten als auch die Nicotinersatztherapie als wirksamste Waffe (Verdoppelung des Heilerfolges durch NET) müssen erstattungsfähig werden. Vor dem Hintergrund von jährlich 110 bis 150 Tausend Tabaktodesopfern sollte dies eigentlich längst selbstverständlich sein.

Klaus Heilmann

Prof. Dr. med. Klaus Heilmann beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Risikoforschung, Krisenmanagement und Technikkommunikation. In der DAZ-Rubrik "Außenansicht" greift Heilmann Themen aus Pharmazie, Medizin und Gesellschaft aus Sicht eines Nicht-Pharmazeuten vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen auf.

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