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Pfizer will Systemveränderung: Big Brother

(daz/phagro). Die Arzneimittelversorgung in Deutschland durch den herstellerneutralen vollversorgenden Großhandel ist für Apotheken und Patienten effizient, kostengünstig und sicher. Der amerikanische Pharmariese Pfizer wolle nun am liebsten den Großhandel europaweit ausschalten und die Gesundheitsreform sei dabei auch noch behilflich, teilte der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels e.V. Ų Phagro Ų in Berlin mit.

Bereits im September hat die Beratungsgesellschaft Booz, Allen, Hamilton in den Medien versucht, die Vorteile einer Direktlieferung vom Hersteller in die Apotheke unter Umgehung des Großhandels zu beweisen. Die Details der Untersuchung blieben jedoch im Dunkeln, ebenso wie die Auftraggeber. Es geht um angebliche Arzneimittelfälschungen und den "Risikofaktor Parallelhandel" in Europa. Mit diesen Argumenten versucht das Unternehmen Pfizer zurzeit gegen den Widerstand britischer Apotheken (siehe nachfolgenden Beitrag) und jüngst auch unter Beobachtung der britischen Kartellbehörde OFT ein neues Distributionsmodell durchzusetzen. Pfizer-Arzneimittel sollen ab März 2007 auf der Insel nur noch per Direktbestellung außerhalb des etablierten Großhandels über einen einzigen Vertragshändler erhältlich sein. Der Phagro, im Einklang mit seinem europäischen Dachverband GIRP, hält den Pfizer-Vorstoß im Hinblick auf die langfristigen Folgen für unverantwortlich und die Begründungen für ungerechtfertigt. Wenn es um Arzneimittelsicherheit gehe, dann wäre es das Beste, den Pharmagroßhandel als unabhängiges Bindeglied zwischen Industrie und Apotheke zu stärken, statt ihn aus dem Spiel nehmen zu wollen, heißt es beim Verband.

Absolute Kontrolle Ein Blick auf die aktuellen Vorgänge in Großbritannien könnte die wahren Motive enthüllen: die absolute Kontrolle und Transparenz über alle Handelsstufen. "Dann hätten wir die gläserne Apotheke und –damit auch den gläsernen Patienten", meint Bernadette Sickendiek, Sprecherin der Phagro-Geschäftsführung. Denn mit dem von Pfizer neuerdings bevorzugten, so genannten Einkanal-Vertriebssystem per Direktbestellung diktiere ein Hersteller nicht nur die Konditionen als Monopolist, sondern kontrolliere auch die Arzneimittelabgabe und indirekt das lokale Verordnungs- und Verbraucherverhalten. "Big Brother", munkelt man beim Phagro. Der klassische Großhandel bleibe außen vor, die Apotheke habe mehr Arbeit und beide würden praktisch entmündigt.

Gesundheitsreform liefert Steilvorlage Direktbestellung ą la Pfizer könnte tatsächlich zu unverhältnismäßig hohem Aufwand in der Apotheke führen. Möglicherweise sind Produkte bestimmter Hersteller künftig generell nur noch gegen die Vorlage eines Rezeptes erhältlich und auf Apothekenebene kontingentiert. So trocknet man im Nebeneffekt den legalen Parallelhandel mit Arzneimitteln allmählich aus. In Berlin aber ist das anscheinend noch nicht angekommen. Nachdem im vergangenen Jahr Großhandel und Apotheken noch gemeinsam einen Vorstoß von Pfizer abwehren konnten, liefert die Gesundheitsreform jetzt eine Steilvorlage für den angestrebten Direktvertrieb.

Das im Paragrafen 305a SBG V geplante völlige Verbot des Austauschs von Marktdaten soll der Korruptionsbekämpfung dienen, macht aber sinnhaftes Wirtschaften künftig unmöglich, ganz einfach weil den Marktbeteiligten die Daten fehlen. So wird die Industrie mehr und mehr auf die Direktbelieferung setzen, um sich den direkten Zugriff auf apotheken–bezogene Daten zu sichern, mögliche Rückschlüsse auf das Verordnungsverhalten der umliegenden Ärzte inbegriffen. Die damit verbundene Zerstörung bewährter Strukturen träfe nicht nur Apotheken und Großhandel, so der Phagro, sondern letztlich alle Marktbeteiligte, auch GKV und Patienten, weil niemand mehr den freien Marktzugang für alle Hersteller und Medikamente unabhängig von ihrer Bedeutung garantieren würde.

Der von Booz, Allen, Hamilton – übrigens Berater von Pfizer in Großbritannien – gern anheimelnd propagierte "Schulterschluss mit den Apotheken" könnte so in Wirklichkeit den Markt verändern und das eingespielte Gefüge von Groß–handel und Apotheke zerstören. Deshalb fordert der Phagro dazu auf, die klassische Distributionskette aus Pharmaindustrie, Pharmagroßhandel und Apotheke im Interesse der Arzeimittelversorgung und der Arzneimittelsicherheit nicht zu gefährden und den § 305a SGB V im Referententwurf zur Gesundheitsreform noch zu ändern.

Versorgungskette erhalten "Apotheken und Großhandel ziehen am gleichen Strang. Der Schulterschluss der Apotheken sollte mit dem Großhandel erfolgen. Auf diese Weise waren Apotheker und Großhandel in Spanien gemeinsam bei der Abwehr des Pfizer-Modells erfolgreich und so formiert sich auch in Großbritannien der Widerstand", erläutert Bernadette Sickendiek. Der Phagro setzt sich dafür ein, wie es heißt, die kostengünstige und effiziente Versorgungskette in Deutschland zu erhalten und möchte verhindern, dass durch ein trojanisches Pferd im Windschatten der Gesundheitsreform die ohnehin schwer belasteten Mauern der Arzneimittelversorgung zusätzlich beschädigt werden.

Die Arzneimittelversorgung in Deutschland durch den Großhandel ist effizient, kostengünstig und sicher. Der amerikanische Pharmakonzern Pfizer will nun jedoch den Großhandel europaweit ausschalten, teilt der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels mit. Und die Gesundheitsreform sei dabei auch noch behilflich.

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