Fortbildung

Therapie von Alzheimer-Patienten

Gedächtnislücken, Orientierungslosigkeit und fehlende Alltagskompetenz sind typisch für Alzheimer-Patienten. Obwohl die medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapie Fortschritte gemacht hat, können die Patienten derzeit noch nicht geheilt werden. Besonders wichtig sind hier ein frühzeitiger Therapiebeginn sowie eine patientengerechte pharmazeutische Betreuung.

In Deutschland sind etwa 600.000 bis 700.000 Personen an Alzheimer-Demenz (AD) erkrankt. Ihr Anteil an der Bevölkerung nimmt ab einem Alter von 65 Jahren stark zu.

Das klinische Bild

Die AD wurde 1906 zum ersten Mal von dem Arzt Alois Alzheimer beschrieben, der bei einer Patientin einen "eigenartigen, schwerwiegenden Erkrankungsprozess der Hirnrinde" festgestellt hatte. Das klinische Bild entspricht einer fortschreitenden Demenz, wobei neuropathologisch die Amyloid-Plaques auf den Neuronen und die intrazellulären neurofibrillären Tangles für die Pathogenese der Erkrankung eine Rolle spielen. Die neuronale Degeneration geht mit einem verminderten Glucosestoffwechsel, verminderten Konzentrationen bestimmter Neurotransmitter und einer Atrophie des Gehirns einher. Der Krankheitsverlauf ist chronisch-progredient mit einem schleichenden Beginn und führt schließlich zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität und zu völliger Pflegebedürftigkeit.

Erste Symptome einer AD sind ein eingeschränktes Denkvermögen sowie Gedächtnisverlust und Wahnvorstellungen. AD-Patienten haben Probleme sich in Zeit und Raum zu orientieren und einen Bezug zu sich selbst herzustellen. Es fällt ihnen schwer, die Ziffern einer Uhr in der richtigen Reihenfolge in einen Kreis zu zeichnen und mit den Zeigern eine bestimmte Uhrzeit darzustellen. Mit Hilfe von Intelligenztests und weiteren psychologischen sowie neurologischen Untersuchungen kann die Diagnose erhärtet werden.

Medikamentöse Therapien

Die Therapie zielt auf eine relative Verbesserung der kognitiven Leistung, den Erhalt von Lebensqualität und Alltagskompetenz sowie die Vermeidung oder Verminderung der Pflegebedürftigkeit der AD-Patienten. Die medikamentöse Therapie setzt sowohl bei kognitiven Symptomen (Antidementiva) als auch bei nicht kognitiven Symptomen (z. B. Antidepressiva, Anxiolytika, Neuroleptika) an. Ebenso wichtig sind Verhaltenstherapie, psychosoziale Betreuung und kognitives Training.

Folgende Antidementiva sind für die Therapie der AD zugelassen oder im Rahmen der Nachzulassung positiv begutachtet worden:

  • Cholinesterase-Inhibitoren,
  • NMDA-Antagonisten,
  • Ginkgo biloba-Extrakt,
  • Nicergolin, Dihydroergotoxin und Pyritinol.

Nicht zugelassen für die Indikation AD, aber bei hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen sind der Ca-Kanalblocker Nimodipin und das Nootropikum Piracetam.

Vertreter der Cholinesterase-Inhibitoren sind das hepatotoxische Tetrahydroacridinderivat Tacrin, Donepezil, Rivastigmin und der 2001 zugelassene Naturstoff Galantamin aus dem Schneeglöckchen Galanthus nivalis. Galantamin verstärkt zusätzlich die Bindung von Acetylcholin an nicotinergen Acetylcholin-Rezeptoren – vermutlich über einen allosteren Mechanismus. Außer Rivastigmin, das keinem hepatischen Metabolismus unterliegt, werden Cholinesterase-Inhibitoren unter anderem über das polymorphe Cytochrom-P450-Enzym CYP2D6 verstoffwechselt, sodass pharmakokinetische Interaktionen mit anderen Arzneistoffen, wie zum Beispiel Paroxetin, auftreten können.

Rivastigmin und Galantamin müssen nur zweimal täglich, Donepezil sogar nur einmal täglich appliziert werden; insofern bieten sie einen Vorteil gegenüber Tacrin.

NMDA-Rezeptorantagonisten wirken dem exzitatorischen Neurotransmitter Glutamat entgegen, der die NMDA-Rezeptoren der Neuronen stimuliert und bei AD (und anderen neurodegenerativen Erkrankungen) verstärkt ausgeschüttet wird. Der im Jahre 2002 zugelassene NMDA-Antagonist Memantine (Axura®, Ebixa®) soll die glutamaterge Neurotransmission normalisieren und Lernprozesse und Gedächtnisbildung fördern.

Wichtige Wirksamkeitsparameter bei klinischen Studien sind der ADAS-Cog (Alzheimer's Disease Assessment Scale, kognitive Subskala) als kognitiver Endpunkt und der ADL (Activities of Daily Living) als funktionaler Endpunkt. Bis auf den Ginkgo biloba-Extrakt, der in klinischen Studien teils widersprüchliche Ergebnisse zeigte, verbesserten alle Cholinesterase-Inhibitoren und der NMDA-Rezeptorantagonist Memantine – moderat – sowohl den ADAS-Cog als auch den ADL.

Zukünftige Therapieansätze zielen auf eine Reduzierung der Plaque-Entstehung durch Secretase- und Kinase-Inhibitoren oder eine Immuntherapie und auf eine verbesserte Versorgung der Neuronen durch Substanzen, welche die Bildung von neurotrophen Faktoren verstärken. Auch die Kombination von Cholinesterase-Inhibitoren mit NMDA-Rezeptorantagonisten ist eine therapeutische Option. Solange es noch nicht möglich ist, die AD zu heilen, gilt es, ihre Manifestation und ihre Progression zu verzögern oder ganz zu verhindern. Epidemiologische Studien zeigen eine inverse Korrelation zwischen dem AD-Risiko und der Einnahme von Statinen, NSAR sowie der kombinierten Vitamine C und E.

Die Referentin, Priv.-Doz. Dr. Charlotte Kloft, die das noch junge Fach Klinische Pharmazie an der Freien Universität in Berlin in Forschung und Lehre vertritt, betonte die Wichtigkeit eines frühzeitigen Therapiebeginns sowie einer patientengerechten pharmazeutischen Betreuung, welche Angehörige und Betreuer mit einschließt. Defizite in der Arzneimitteltherapie müssen behoben und mögliche Interaktionen mit anderen Arzneimitteln beachtet werden. Nicht nur die Compliance des Patienten, auch der Patient selbst sollte gefördert und gefordert werden.

 

Quelle
Vortrag von Priv.-Doz. Dr. Charlotte Kloft, Institut für Pharmazie, Freie Universität Berlin, auf einer Veranstaltung der DPhG am 11. Januar 2005 in Würzburg.

 

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