Arzneimittel und Therapie

Alzheimer-Krankheit: Die therapeutischen Möglichkeiten sind immer noch begrenzt

Die gegenwärtige Therapie einer Alzheimer-Erkrankung basiert überwiegend auf der Hemmung der Acetylcholinesterase. Mit zunehmendem pathophysiologischem Verständnis lassen sich möglicherweise neue Therapieoptionen entwickeln.

Die Alzheimer-Erkrankung ist unter anderem durch den Verlust von Acetylcholin gekennzeichnet. Dieser Neurotransmitter ist für das Gedächtnis und verschiedene Lernprozesse sowie für das kognitive Verhalten von großer Bedeutung. Daraus resultiert ein wichtiger Therapieansatz, und zwar die Erhöhung der zentralen cholinergen Aktivität. Hierzu stehen vor allem diverse Cholinesterase-Inhibitoren zur Verfügung, die die cholinerge synaptische Transmission erhöhen.

Physostigmin und Tacrin: unspezifische Inhibitoren

Physostigmin hemmt nicht selektiv und reversibel die Acetylcholinesterase und die Butyrylcholinesterase. In einer 24-wöchigen Studie sank der ADAS-cog-Wert um 4,1%, die kognitiven Fähigkeiten verbesserten sich also (siehe Kasten). Allerdings brach die Mehrzahl der Studienteilnehmer die Studie ab, hauptsächlich aufgrund unerwünschter Wirkungen, die in hohem Ausmaß auftraten (79% Nausea, 57% Erbrechen, 30% Benommenheit).

Tacrin (Cognex), ein zentral wirksames Aminoacridin, ist ein nicht spezifischer, reversibler Hemmstoff der Cholinesterase. In einer 30-wöchigen Studie mit 663 Patienten senkten 160mg Tacrin täglich den ADAS-cog-Wert um 5,9%. Mehr als die Hälfte der mit Tacrin behandelten Patienten musste die Therapie aufgrund unerwünschter Wirkungen absetzen. Insbesondere trat bei 29% eine abnorme Erhöhung der Transaminasen auf, weitere 28% klagten über Übelkeit und Erbrechen. Zur Zeit werden nur noch wenig Patienten mit Tacrin behandelt.

Pseudoirreversible Cholinesterase-Inhibitoren

Rivastigmin (Exelon) gehört zu den selektiven pseudoirreversiblen Cholinesterase-Inhibitoren mit relativ gehirnspezifischer Wirkung. Die häufig auftretenden Nebenwirkungen (Nausea 35%, Erbrechen 27% und Gewichtsverlust 21%) veranlassten 29% der Studienteilnehmer zum vorzeitigen Studienabbruch. Der ADAS-cog-Wert verbesserte sich bei einer Therapie mit hohen Dosen um 5,4%.

Metrifonat, eigentlich ein Anthelmintikum, wird den pseudoirreversiblen Cholinesterase-Inhibitoren zugerechnet. Es ist ein Prodrug, aus dem durch Spontanhydrolyse Dichlorvos freigesetzt wird, welches die Acetylcholinesterase hemmt. Im Vergleich zur Plazebogruppe traten häufiger Diarrhö (18%) und Beinkrämpfe (9%) auf. Der ADAS-cog-Wert sank in einer 12-wöchigen Studie mit 530 Patienten um 4%, was einer Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten entspricht.

Eptastigmin: untypische Nebenwirkungen

Eptastigmin (in Deutschland noch nicht im Handel) ist ein Derivat des Physostigmins und hemmt reversibel die Acetylcholinesterase. Nur 8% der Studienteilnehmer brach die Studie ab (Plazebo 7%), und gastrointestinale Nebenwirkungen traten in der Verumgruppe nicht häufiger auf als in der Plazebogruppe. Allerdings verursachte Eptastigmin Angstzustände (8%), Granulozytopenien (6%) und Bradykardien (3%). Der ADAS-cog-Wert reduzierte sich in Studien um 3%.

Donepezil: zur Zeit am häufigsten verwendet

Donepezil (Aricept) ist ein reversibler, selektiver Cholinesterase-Inhibitor, der die peripheren Cholinesterasen nur geringfügig beeinflusst und daher weniger unerwünschte Wirkungen (Nausea und Diarrhö 17%, Erbrechen 10%) aufweist als andere Cholinesterase-Inhibitoren. Rund 80% aller Teilnehmer beendeten die Studien mit Donepezil; die jährliche Senkung des ADAS-cog-Wertes betrug bis zu 4,1%. Aufgrund der nur einmal täglich erforderlichen Gabe und der relativ guten Verträglichkeit ist Donepezil der zur Zeit am häufigsten eingesetzte Wirkstoff bei der Alzheimer-Krankheit.

Wirksamkeit von Cholinesterase-Inhibitoren

Zur palliativen Behandlung der Alzheimer-Krankheit wurden von der amerikanischen FDA bisher nur Tacrin und Donepezil zugelassen. Im Vergleich zu einer Plazebotherapie oder keiner Behandlung werden durch sie messbare, wenn auch nur geringe Erfolge erzielt. Im Hinblick auf ihre erwünschten Wirkungen zeigen sie keine Unterschiede, wohl aber im Spektrum ihrer Nebenwirkungen. Bei der Höchstdosierung haben Tacrin und Donepezil ähnliche therapeutische Wirkungen, Donepezil hat weniger Nebenwirkungen und muss nur einmal täglich eingenommen werden.

Eine Therapie mit Cholinesterase-Hemmern kann zu jedem Zeitpunkt nach der Diagnosestellung erfolgen, die therapeutische Wirkung ist bei einem milden bis moderaten Krankheitszustand am effektivsten. Da mit den Höchstdosen zwar die besten Ergebnisse erzielt werden, aber auch gleichzeitig die meisten Nebenwirkungen auftreten, muss die Dosiserhöhung langsam erfolgen.

Verlangsamung der Progression, aber keine Verbesserung der Symptomatik

Bei der Alzheimer-Erkrankung wird noch eine Anzahl weiterer Arzneistoffe eingesetzt, deren Wirksamkeit indes bislang nicht eindeutig belegt werden konnte.

  • Mit Alpha-Tocopherol und dem MAO-Hemmer Selegilin konnte eine sechs- bzw. viermonatige Verlangsamung der Progression erzielt werden; es traten aber keine kognitiven Verbesserungen auf.
  • Hohe Dosen (270 mg pro Tag) des Nootropikums Idebenon (in Deutschland nicht im Handel) führten in einer sechsmonatigen Studie zu einer Abnahme des ADAS-cog-Wertes um 2,8%, die Beurteilung nach klinischen Aspekten zeigte aber keine Veränderung
  • Das Gleiche gilt für das Xanthinderivat Propentofyllin (in Deutschland nicht im Handel), mit dem ebenfalls geringfügige Verbesserungen der kognitiven Fähigkeiten erzielt wurden.
  • In einer einjährigen Studie mit Ginkgo-biloba-Zubereitungen (120 mg pro Tag) konnte eine geringfügige Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten festgestellt werden.
  • Die tägliche Einnahme von 3 g Acetyl-l-Carnitin über ein Jahr hinweg hatte keinerlei Einfluss auf den Krankheitsverlauf.

Impfung gegen Alzheimer?

Zur Alzheimer-Impfung liegen bereits Tierversuche mit einem bestimmten Maustyp vor, der große Mengen eines humanen Amyloid-Vorläuferproteins bildet. Dieses Protein scheint eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Alzheimer-Demenz zu spielen. Die Tiere entwickeln nach einigen Wochen eine zerebrale Amyloidose, die derjenigen von Alzheimer-Patienten ähnelt. Immunisiert man nun diese Tiere mit einem Fragment des Amyloid-Vorläufer(Präcursor)proteins, unterbleibt die zerebrale Amyloidose weitgehend. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Amyloidose bereits eingetreten ist, kann durch die Immunisierung die Amyloidose verbessert werden. Wenn die Amyloidablagerung tatsächlich die zentrale Rolle in der Pathophysiologie der Alzheimer-Erkrankung spielt (amyloid-cascade hypothesis), erscheint eine Immunisierung vielversprechend, da sie die Krankheit verhüten oder zumindest günstig beeinflussen kann.

Die gegenwärtige Therapie der Alzheimer-Erkrankung basiert überwiegend auf der Hemmung der Acetylcholinesterase. Mit zunehmendem pathophysiologischem Verständnis lassen sich möglicherweise neue Therapieoptionen entwickeln.

Möglichkeiten zur Beurteilung von Arzneimitteln gegen Alzheimer Die Wirksamkeit eines Alzheimer- Medikaments kann mit Hilfe unterschiedlicher Methoden erfolgen. Im angelsächsischen Raum werden hautsächlich folgende Testverfahren angewandt:
  • Alzheimer's Disease Assessment Scale, Cognitive Subscale (ADAS-cog); mit diesem Test werden kognitive Leistungen wie Gedächtnis, Orientierung, Aufmerksamkeit, Urteilsvermögen, Sprache sowie motorische Fähigkeiten erfasst. Die Skala reicht von 0 (keine Verschlechterung) bis 70 (gravierende Verschlechterung). Bei unbehandelten Alzheimer-Patienten steigt diese Skala im Jahr durchschnittlich um 8 bis 10% an, was einer Verschlechterung entspricht. Eine Abnahme des ADAS-cog-Wertes um mindestens 4 Punkte gilt als relevante Besserung.
  • Clinician interview-based impression of change scale und
  • Clinical global impression of change scale; beide Skalen umfassen sieben Punkte, wobei 1 eine Verbesserung, 7 eine Verschlechterung anzeigt. Beide Methoden dienen einer globalen klinischen Beurteilung des Krankheitsverlaufs durch den Arzt auf der Basis von Gesprächen, die er mit dem Patienten und den Bezugspersonen führt.
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