Arzneimittel und Therapie

Frühzeitige Diagnose ist wichtig

In Deutschland leiden zurzeit etwa eine Million Menschen an demenziellen Erkrankungen, jährlich treten etwa 200.000 Neuerkrankungen auf. Angesichts der demographischen Entwicklung ist damit zu rechnen, dass die rechtzeitige Diagnostik und adäquate Therapie dieser Erkrankungen in Zukunft zu den größten Herausforderungen für das Gesundheitswesen zählen werden.

Zur Therapie der häufigsten neurodegenerativen Erkrankung, der Alzheimer Demenz, existieren verschiedene Ansätze. Die zurzeit am besten untersuchten chemischen Antidementiva sind die Acetylcholinesterase-Inhibitoren (Donepezil, Rivastigmin, Galantamin) und der NMDA-Rezeptor-Antagonist Memantin. Die Anwendung der Acetylcholinesterase-Inhibitoren beruht auf der so genannten Acetylcholinmangel-Hypothese. Danach kommt es durch die degenerativen Prozesse bei der Alzheimer-Erkrankung zum progredienten Verlust cholinerger Neuronen und damit zur Abnahme der Acetylcholin-Konzentration. Da dieser Neurotransmitter für zahlreiche kognitive Prozesse verantwortlich gemacht wird, treten zunehmend verschiedene Symptome wie Gedächtnisstörungen, Störungen des Denkvermögens und Verhaltensauffälligkeiten auf. Die Acetylcholinesterase-Inhibitoren sind in der Lage, dieses cholinerge Defizit teilweise auszugleichen. In kontrollierten Studien ist nachgewiesen worden, dass ihre Anwendung vor allem zu einer Verbesserung der Alltagsfähigkeiten und der Selbstständigkeit führt, was sich letztendlich in einer Entlastung der Pflegepersonen und in einer Verzögerung der Heimeinweisung niederschlägt. Zugelassen sind diese Wirkstoffe zurzeit zur Behandlung der leichten und mittelschweren Alzheimer Demenz.

NMDA-Antagonist auch bei schwerer Demenz

Bei schwereren Demenzformen sind wahrscheinlich schon zu viele cholinerge Neuronen untergegangen, so dass hier andere Therapieansätze sinnvoller erscheinen. Zahlreiche tierexperimentelle und neuropathologische Untersuchungen hatten gezeigt, dass neurodegenerative Prozesse auch durch eine Überstimulation der glutamatergen Neurotransmission unterhalten werden. Dies führte zur Entwicklung des NMDA-(N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptor-Modulators Memantin, der inzwischen zur Behandlung mittelschwerer und schwerer Formen der Alzheimer Demenz zugelassen ist. Memantin ist ein spannungsabhängiger, nicht kompetitiver NMDA-Rezeptor-Antagonist mittlerer Affinität, der die Wirkung pathologisch erhöhter Konzentrationen von Glutamat blockiert.

Studien zur Kombination bei der Therapieprinzipien

In bereits abgeschlossenen bzw. noch laufenden Studien wurde und wird der Frage nachgegangen ob es sinnvoll ist, die beiden oben genannten Therapieprinzipien miteinander zu kombinieren. Eine klinische Studie zur Kombinationstherapie von Donepezil und Memantin zeigte bei vorbehandelten Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Erkrankung tatsächlich eine additive Wirkung. Zurzeit wird in einer klinischen Studie bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Alzheimer Demenz untersucht, ob eine Kombination von Memantin und dem Acetylcholinesterase-Inhibitor Galantamin der alleinigen Therapie mit Galantamin überlegen ist.

Memantin auch bei vaskulärer Demenz

Nach Morbus Alzheimer stellt die vaskuläre Demenz (z. B. Demenz nach Schlaganfall) die zweithäufigste Demenzform dar. Epidemiologische Untersuchungen weisen etwa 10 bis 20% der Demenzerkrankungen als vaskulär bedingt aus, wobei aber teilweise überlappende pathophysiologische Prozesse zwischen beiden Formen zu existieren scheinen. Daten aus randomisierten plazebokontrollierten Studien über 28 Wochen hatten bereits gezeigt, dass auch Patienten mit vaskulärer Demenz von einer Behandlung mit Memantin (das für diese Indikation noch nicht zugelassen ist) profitieren können. In einer kürzlich veröffentlichten Studie zur Langzeitwirkung von Memantin bei vaskulärer Demenz ergab sich, dass Patienten, die ein Jahr lang täglich 20 mg Memantin erhalten hatten, einen geringeren Abfall der kognitiven Leistungsfähigkeit (evaluiert mit ADAS-cog, der kognitiven Subskala der Alzheimer's Disease Assessment Scale) zeigten als Patienten, die in den ersten sechs Monaten mit Plazebo behandelt worden waren.

Komorbidität von Depression und Demenz im Alter

Besonders bei älteren Patienten muss daran gedacht werden, dass neben der demenziellen Erkrankung zusätzlich eine Depression vorliegen kann. Epidemiologische Untersuchungen lassen zudem die Annahme zu, dass Demenz und Depression wechselseitige Risikofaktoren darstellen: bei depressiven Patienten tritt zu einem höheren Prozentsatz eine Demenz auf, umgekehrt nimmt bei dementen Patienten die Wahrscheinlichkeit zu, zusätzlich eine Depression zu entwickeln.

Obwohl sich beide Erkrankungen diagnostisch recht gut voneinander abgrenzen lassen, beklagen Experten, dass sie auf der Ebene der hausärztlichen Versorgung oft nicht erkannt und damit nicht adäquat therapiert werden. Angehörige, Pflegepersonal, aber auch aufmerksames Apothekenpersonal kann bei Kenntnis der Anzeichen und Frühsymptome beider Erkrankungen dazu beitragen, diese bereits im frühen Stadium zu erkennen und die Patienten einer qualifizierten Diagnostik (z. B. einer "Gedächtnissprechstunde" an einer psychiatrischen Klinik) zuzuführen. Einen Beitrag zur Verbesserung der Früherkennung und Diagnostik von Demenzen will auch das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützte "Kompetenznetz Demenzen" (siehe Kasten) leisten.

Schnelltest Verhaltensänderung bei Demenz

  • Fühlen Sie sich mutlos und traurig?
  • Meiden Sie zunehmend Ihren Freundes- und Bekanntenkreis?
  • Sind Sie häufig lustlos und niedergeschlagen oder zunehmend unruhig und rastlos?
  • Fühlen Sie sich von anderen Menschen beobachtet, verfolgt oder gar bedroht?
  • Tun oder sagen Sie öfter Dinge in der Öffentlichkeit, die Sie früher nicht gesagt oder getan hätten?
  • Geraten Sie leicht in Zorn oder reagieren Sie auf Ereignisse/Situationen/Personen häufig unbeherrscht und verärgert?

Wenn mehr als zwei dieser Fragen mit "Ja" beantwortet werden, ist das zwar noch keine korrekte Diagnose, sollte aber ein begründeter Anlass sein, weitere Maßnahmen und eventuell eine Therapie einzuleiten. Da viele der Betroffenen oft nicht in der Lage sind, solche Fragen klar zu beantworten, sollten auch die Angehörigen in die Befragung mit einbezogen werden. (nach P. Calabrese, Neurologische Universitätsklinik Bochum, Initiative Altern in Würde)

Das Kompetenznetz Demenzen 

ist ein bundesweiter Zusammenschluss von 14 auf dem Gebiet der Demenzforschung führenden universitären Einrichtungen. Die Arbeit gliedert sich in drei Schwerpunkte: 

 

  • Früherkennung und Diagnostik von Demenzen
  • Durchführung medikamentöser Therapiestudien
  • Früherkennung, genetische Prädisposition und hausärztliche Versorgung von Patienten mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen und Demenzen.

Ziel ist es, die zusammengeschlossenen Kompetenzzentren untereinander sowie mit anderen Forschungseinrichtungen nachhaltig horizontal zu vernetzen sowie zusätzlich ein "vertikales Netz" mit Wissenstransfer in regionale geriatrische Klinikabteilungen, niedergelasssene Fach- und Allgemeinarztpraxen und Selbsthilfegruppen Pflegender von Demenzkranken aufzubauen. www.kompetenznetz-demenzen.de

 

Hat Ihr Angehöriger sich in seinem Verhalten im Alltag verändert? 

Häufig fallen bei alten Menschen, die einem nahe stehen, Verhaltensänderungen eher auf, als nachlassende Gedächtnisleistungen. Bestimmte Verhaltensweisen, wie z. B. eigenbrötlerisches Verhalten, Feindseligkeit oder gar Aggressivität können erste Hinweise auf eine beginnende Demenz sein. Sie treten oft schon vor den ersten Gedächtnisstörungen auf. Grund dafür ist eine Veränderung im Stoffwechsel des Gehirns, der sich schon sehr früh auf Handeln und Gefühle auswirkt. Fordern Sie Ihren Angehörigen zu einem Arztbesuch auf. Wird dies abgelehnt, so kann es sinnvoll sein, den Hausarzt auf diese Veränderungen hinzuweisen und ihn zu einem Hausbesuch aufzufordern.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.