Gastroenterologie

Frisch von der Leber – Bericht von einer Fortbildungstagung der AK Westfalen-Lippe

Wer bei Leberproblemen nur an Alkohol denkt, macht es sich zu einfach. Auch Überernährung, Viruserkrankungen und Arzneistoffe können die Leber schädigen. Leberkrankheiten, ihre Prophylaxe und Behandlung standen im Mittelpunkt der zentralen wissenschaftlichen Vortrags- und Fortbildungstagung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe am 23. Oktober 2005 in Münster. So nebenbei erfuhren die Teilnehmer auch, wie man sein Gedächtnis für Beratungsinhalte trainiert und wie man es schafft, Interferon-Patienten therapietreu zu halten.

Eine geeignete Ernährung beeinflusst manche Leberkrankheiten günstig: Eine Fettleber kann man durch eine Ernährungstherapie noch heilen, im Stadium einer Hepatitis und schließlich einer Leberzirrhose kann man zumindest die Lebensqualität verbessern.

Fettleber: Schuld sind Alkohol und Völlerei

Die beiden wichtigsten Ursachen einer Fettleber in westlichen Industrieländern sind Alkohol und hyperkalorische Ernährung. Eiweißmangel spielt praktisch nur in der Dritten Welt eine Rolle. 80% der Alkoholiker entwickeln innerhalb von fünf Jahren eine Fettleber, bei etwa 30% schreitet die Fettleber zur Hepatitis fort. Alkohol begünstigt eine Fettleber, indem er die Abgabe von Triglyceriden aus der Leber verringert. Die wichtigste Maßnahme bei Alkohol-induzierter Fettleber ist die Alkoholkarenz.

Kalorien, aber nicht Fett reduzieren!

Patienten mit einer Mast-Fettleber müssen nicht hungern. Die Ernährungstherapie besteht aus einer energetisch knappen, aber relativ fettreichen Nahrung. Nur wenn Fette gegessen werden, werden auch in der Leber Triglyceride ab- und umgebaut und verlassen die Leber wieder. Wenn Patienten mit einer Mast-Fettleber kein Fett essen, hält die Leber die eingelagerten Fette fest. Eine relativ fettreiche Ernährung hat den zusätzlichen Vorteil, dass sie besser sättigt. Bei Fettleber wäre es falsch, vermehrt Kohlenhydrate aufzunehmen. Durch übermäßige Kohlenhydrat-Aufnahme über einen längeren Zeitraum wird nämlich der Stoffwechselweg der Triglycerid-Synthese aus Glucose gebahnt (ab 6 mg Glucose/kg Körpergewicht pro Tag, entsprechend 450 bis 500 g Kohlenhydraten bei einem 70 kg schweren Menschen).

Diabetesdiät oder Reduktionsdiät tut es auch!

Als konkrete Ernährungsempfehlung kann man einem Patienten mit einer Fettleber einen Plan für eine Diabetesdiät mitgeben, die man in seinem Fall als Leberdiät bezeichnen kann. Die Diabetesdiät ist abwechslungsreich und hat eine ausgewogene Nährstoff-Zusammensetzung. Auch Pläne für Reduktionsdiäten, ausgenommen Atkins- und Low-fat-Diät, können verwendet werden. Zusätzlich zur Ernährungstherapie sollten Grundkrankheiten der Fettleber, wie Adipositas, Diabetes mellitus oder Fettstoffwechselstörungen, behandelt werden.

Hepatische Mangelernährung

Durch chronische Lebererkrankungen, wie Hepatitis oder schließlich Leberzirrhose, verschlechtert sich der Ernährungszustand. Man spricht von hepatischer Mangelernährung. Hierzu tragen Appetitlosigkeit, eingeschränkte Verdauung, Synthesestörungen für Lipoproteine und Vitamine, eingeschränkte Speicherkapazität der Leber für Vitamine und ein erhöhter Metabolismus bei Infektionen bei.

Konkretes Vorgehen bei einer Ernährungstherapie

Eine regelrechte Ernährungstherapie beginnt damit, dass der Patient ein Ernährungsprotokoll erstellt, das anschließend ausgewertet wird. Ein konkreter Ernährungsplan gleicht Mängel aus und berücksichtigt Unverträglichkeiten (z.B. Widerwille, schlechter Geschmack, Blähungen, Völlegefühl). Um eine einseitige Ernährung zu vermeiden, sollte man dem Patienten nicht zu viele Abweichungen erlauben. Der Erfolg der Ernährungstherapie lässt sich nicht allein anhand des Gewichtsverlaufs kontrollieren. Wichtiger ist die Bestimmung des Körperfetts mittels Impedanz- oder Infrarotmessung. Leberdiäten - insbesondere fade - werden oft vom Patienten nicht ausreichend umgesetzt. Wegen häufig vorkommender Oberbauchbeschwerden, wie Übelkeit, Völlegefühl und Schmerzen, kann es für Leberpatienten hilfreich sein, fünf bis sieben kleine anstelle von drei großen Mahlzeiten am Tag einzunehmen.

Vollkost oder leichte Vollkost

Sowohl Hepatitis- als auch Zirrhosepatienten profitieren von einer Vollkost, also einer abwechslungsreichen, energetisch ausreichenden Ernährung, oder einer leichten Vollkost, bei der Unverträgliches weggelassen wird. Ein hoher Fettanteil (ca. 100 g täglich) wirkt nicht leberschädigend. Wegen der verminderten Syntheseleistung der Leber sind die Glykogen-Depots klein, weshalb Zirrhosepatienten schneller unterzuckert sind. Auch dies spricht für häufig kleine Mahlzeiten mit gleichmäßiger Nährstoff-Zusammensetzung.

Leberkranke benötigen generell etwas mehr Eiweiß als Gesunde. Ideal ist eine ausgewogene Mischung aus tierischem und pflanzlichem Eiweiß. Eine hohe Eiweißwertigkeit haben beispielsweise Kartoffeln, Milch, Ei oder Mais und Bohnen. Empfehlenswert sind auch Fleisch und Hülsenfrüchte oder Fleisch und Kartoffeln. Hepatitispatienten sollten mit Rohkost vorsichtig sein, weil diese oft hygienisch nicht einwandfrei ist.

Formuladiät: normal oder hepa

Besonders für allein lebende Leberpatienten kommt eine Formuladiät in Frage. Während in frühen Stadien eine ganz normale Formuladiät genügt, kann bei fortgeschrittener Zirrhose eine hepa-Diät von Vorteil sein. Diese enthält mehr verzweigtkettige Aminosäuren und weniger aromatische Aminosäuren als normale Nahrung. Indem verzweigtkettige Aminosäuren vorzugsweise in der Muskulatur abgebaut werden, belasten sie die Leber nicht.

Besonderheiten bei fortgeschrittener Leberzirrhose

Bei Zirrhosepatienten mit einer hepatischen Enzephalopathie kann eine Eiweißreduktion versucht werden, damit nicht so viel Ammoniak ins Gehirn gelangt. Bei zu starker Eiweißrestriktion besteht aber die Gefahr einer Mangelernährung. Pflanzliches Eiweiß ist vorteilhaft. Weitere Maßnahmen bei hepatischer Enzephalopathie sind Lactulose-Einläufe, Ornithinaspartat und verzweigtkettige Aminosäuren oral. Leidet der Zirrhosepatient wegen des Überdrucks im Pfortadersystem an Aszites, so wird die Ernährung kompliziert: Die richtige Natrium- und Eiweiß-Aufnahme liegt auf einem schmalen Grat.

Virushepatitiden vorbeugen und behandeln

Das Hepatitis-A-Virus (HAV) wird fäko-oral übertragen. Daher kann es zu Epidemien kommen, wie beispielsweise im vergangenen Jahr im ägyptischen Urlaubsort Hurghada. Da die Hepatitis A nicht chronisch verläuft, wird sie rein symptomatisch behandelt.

Erhöhtes Hepatitis-A-Risiko auch im europäischen Ausland

Hepatitis-A-Infektionen sind in Deutschland selten. Die Häufigkeit steigt aber bereits östlich der Oder und südlich der Alpen. Je älter der Betroffene beim Erstkontakt mit dem Hepatitis-A-Virus ist, desto schwerer verläuft die Infektion. Während Kinder beim Erstkontakt in der Regel asymptomatisch bleiben, aber immun werden, erkranken rund 80% der infizierten Erwachsenen. Dabei können Ikterus und Gelenkschmerzen auftreten; in seltenen Fällen kommt es auch zur fulminanten Hepatitis teilweise mit letalem Verlauf.

Vor dem Krieg Geborene sind überwiegend gegen Hepatitis A immun, weil sie aufgrund schlechter hygienischer Verhältnisse in der Kindheit Kontakt mit dem Virus hatten. Alle nicht gegen Hepatitis A geimpften unter 60-Jährigen sind dagegen empfänglich für die Infektion.

Hepatitis A: ideale Impfprophylaxe

Die aktive Impfung (Havrix®, Vaqta®, HAVpur®) schützt schnell und lang anhaltend gegen Hepatitis A. Der Schutz nach der ersten Impfung hält ca. ein Jahr an, nach der zweiten (nach sechs bis zwölf Monaten) mindestens zehn Jahre, eventuell sogar lebenslang. Die Hepatitis-A-Impfung ist einerseits eine Reise-Impfung, andererseits auch eine Indikationsimpfung, unter anderem für chronisch Leberkranke. Für diese gilt: Je weiter die Lebererkrankung fortgeschritten ist, desto schlechter spricht der Patient auf die Hepatitis-A-Impfung an. Daher sollten bereits Patienten mit einer Fettleber geimpft werden.

Chronische Virushepatitiden

Hepatitis-B- und C-Viren werden parenteral übertragen. Die Infektionen werden individuell erworben; Epidemien kommen nicht vor. Beide Krankheiten können chronisch verlaufen, wobei sie nach vielen Jahren in eine Leberzirrhose und schließlich in ein hepatozelluläres Karzinom münden können.

Hepatitis-B-Virus hoch ansteckend

Das Hepatitis-B-Virus (HBV) ist etwa 40-mal infektiöser als das HI-Virus. HBV wird durch Blut-zu-Blut-Kontakt übertragen, beispielsweise beim Sexualkontakt durch kleine Schleimhautverletzungen. Anders als die Hepatitis A trifft die Hepatitis B die Jüngsten am schwersten: Etwa 90% der mit HBV infizierten Neugeborenen, immerhin 30 bis 40% der infizierten Kleinkinder und nur 5 bis 10% der infizierten Erwachsenen erkranken an chronischer Hepatitis B.

Geänderte Impfstrategie

In Deutschland sind etwa 500.000 Menschen HBV-Träger. Um diese Zahl zu verringern, werden seit 1995 in Deutschland alle Kinder und Jugendlichen routinemäßig gegen Hepatitis B geimpft (z.B. Engerix® B, HBVaxPro®). Die Impfung erfolgt dreimal (Zeitpunkt 0, nach vier Wochen, nach sechs bis zwölf Monaten). Auch chronisch Leberkranke ohne Antikörper gegen HBV sollten frühzeitig geimpft werden.

Vor Reisen gegen Hepatitis A und B impfen

Die Hepatitis-B-Impfung ist zwar keine typische Reise-Impfung, kann aber zusammen mit der Hepatitis-A-Impfung vor Reisen empfohlen werden (ähnliche regionale Verteilung der beiden Hepatitis-Viren). Der kombinierte Impfstoff (Twinrix®) muss dreimal verabreicht werden (0, 1 Monat, 6 Monate). Der Impfschutz hält mindestens zehn Jahre an.

Interferon bleibt Basis der Hepatitis-B-Behandlung

Die Therapie einer chronischen Hepatitis B beginnt erst nach sechs Monaten Erkrankungsdauer. Erst dann kann man entscheiden, ob die Infektion chronisch geworden ist. Basismedikament ist Interferon alfa (z.B. Intron A®, Roferon®-A), inzwischen wird meist die Depotform pegyliertes Interferon alfa (Pegasys®, Pegintron®) eingesetzt. Mit Interferon alfa gelingt bei rund einem Drittel der Patienten eine Heilung. Dabei verschwindet das Virus aus dem Serum, und es bilden sich Antikörper gegen die Virusantigene (Serokonversion). Ein vorübergehender Anstieg der Transaminasen ist kein Grund für einen Behandlungsabbruch. Die häufigsten Interferon-Nebenwirkungen sind - meist vorübergehende - Grippe-ähnliche Symptome. Sie können durch abendliche Injektion und zusätzliche Einnahme von Paracetamol gemildert werden (Tab. 2).

Tab. 2: Mögliche Therapieergänzungen bei Interferon-Patienten

NebenwirkungAdjuvanz
Kopfschmerzen, FieberParacetamol
DiarrhöSaccharomyces, ORL
ÜbelkeitKamillentee, Ingwer, Phytopharmaka
Alopeziemildes Haarshampoo
Muskel- und GelenkschmerzenWärme, Kälte, Kompressen, Taschenofen, Wärmebad
Schlaflosigkeitausreichend dosiertes Phytopharmakon, Schlaftee, Entspannungsbad
SchüttelfrostWärmflasche, Kirschkern-, Körnerkissen

Lamivudin oder Adefovir

Alternativ zu Interferon alfa kann das Nucleosidanalogon Lamivudin eingesetzt werden, das allerdings nur Serokonversionsraten von rund 10% erreicht. Zur Therapie der chronischen Hepatitis B genügt die 100-mg-Dosierung (Zeffix®), die 150-mg-Dosierung (Epivir®) ist für die HIV-Therapie vorgesehen. Je länger die Lamivudin-Behandlung dauert, desto häufiger sind resistente Mutanten. Das Nucleotidanalogon Adefovir (Hepsera®) bleibt wegen seines hohen Preises ein Reservemedikament. Gegen Adefovir sind noch keine Resistenzen bekannt. Sowohl Lamivudin als auch Adefovir müssen bei Niereninsuffizienz niedriger dosiert gegeben werden, weil sie renal ausgeschieden werden.

Besonderheiten von HCV

Anders als das Hepatitis-B-Virus hat das Hepatitis-C-Virus eine hohe genetische Variabilität. Deshalb gibt es keine wirksame Impfung gegen Hepatitis C, und eine durchgemachte Hepatitis C schützt nicht vor erneuter Infektion. Man kennt die HCV-Genotypen 1 bis 4. In Deutschland herrscht der schlechter behandelbare Genotyp 1 vor. 80 bis 90% der Hepatitis-C-Infektionen werden chronisch.

Indikationen für eine Behandlung sind:

  • Erkrankungsdauer über 6 Monate
  • Antikörpernachweis
  • Nachweis der Viruslast
  • Erhöhte Transaminasen

Meist wird vor Therapiebeginn auch der Entzündungszustand der Leber mittels Leberpunktion erfasst.

Pegyliertes Interferon alfa plus Ribavirin

Die chronische Hepatitis C wird mit pegyliertem Interferon alfa plus Ribavirin (Rebetol®, Copegus®) behandelt. Vor Therapiebeginn wird der Genotyp des Virus bestimmt. Beim Genotyp 2 oder 3 genügt eine 24-wöchige Behandlung. Beim Genotyp 1 wird die Viruslast nach zwölf Wochen erneut bestimmt. Wenn sie bis dahin um zwei bis drei Log-Stufen zurückgegangen ist (= Frühansprechen), wird die Behandlung über insgesamt 48 Wochen fortgesetzt. Wenn nicht, wird die Behandlung überdacht und eventuell abgebrochen. Die Therapie der chronischen Hepatitis C erfolgt zunehmend individualisiert. Dabei werden prädiktive Faktoren für das virologische Ansprechen berücksichtigt (z.B. Alter, Geschlecht, Fibrosegrad der Leber).

Ribavirin wird gewichtsadaptiert dosiert. Gut die Hälfte der Behandelten profitieren von der antiviralen Kombinationstherapie im Sinne einer Serokonversion und Heilung. Bei den übrigen wird zumindest die Gefahr eines späteren Leberzellkarzinoms verringert.

Brauchen Leberkranke Vitaminpräparate?

Da Aufnahme und Abbau fast aller Vitamine bei Leberkranken gestört sind, kann man ihnen die regelmäßige Einnahme eines niedrig dosierten Multivitaminpräparats empfehlen. Vitamin A und D sowie Zink sollten jedoch nicht ohne vorherige Blutspiegelkontrolle supplementiert werden, weil gefährliche Überdosierungen drohen.

Organ mit der höchsten Arzneistoff-Konzentration

Die Leber wird pro Minute von 1,5 l Blut, davon 1,1 l Pfortaderblut durchflossen. Sie ist das Organ mit den höchsten Arzneistoff-Konzentrationen, weil über die Pfortader Resorptionsprodukte aus Magen und Darm direkt dorthin gelangen. Sie besitzt drei wesentliche physiologische Funktionen:

  • Speicherung von Aminosäuren, Glykogen, den Vitaminen A und B12
  • Synthese von Kohlenhydraten, Cholesterin und Gallensäuren, Lipoproteinen und Gerinnungsfaktoren
  • Ausscheidung von Ammoniak, Bakterien und Zellbestandteilen, Lipoprotein-Bestandteilen und Bilirubin, einem Hämoglobin-Abbauprodukt, sowie von Fremdstoffen.

Arzneimittel als Ursache von Leberschäden

Für annähernd 1000 Arzneistoffe gibt es Hinweise auf eine leberschädigende Wirkung. Die Leberschädigung kann mit sehr unterschiedlicher Latenzzeit nach fünf Tagen bis hin zu drei Monaten nach Anwendung des Arzneistoffs auftreten. Ein sicheres Nachweisverfahren für Leberschädigungen fehlt. Sind die Transaminasen auf das Doppelte bis Dreifache der Normwerte erhöht, sollten verzichtbare Arzneimittel abgesetzt werden. Sind die Transaminasen nach acht Tagen gesunken, weist dies auf eine Arzneimittel-bedingte Leberschädigung hin.

Die Symptome einer solchen Leberschädigung sind überwiegend unspezifisch: Appetitlosigkeit, unerklärliche Übelkeit oder Erbrechen, Gewichtsverlust und Abgeschlagenheit, aber auch Hautausschläge und quälender Juckreiz, Fieber oder Schmerzen im rechten Oberbauch kommen vor. Im fortgeschrittenen Stadium einer Leberschädigung färbt sich der Stuhl grau und der Urin dunkel.

Toxisch oder idiosynkratisch?

Die meisten Leberschädigungen sind nicht toxisch, sondern idiosynkratisch bedingt: Der Organismus reagiert einem Stoff gegenüber aufgrund eines Enzymdefekts überempfindlich. Potenziell lebertoxische Arzneimittel-Gruppen reichen von nichtsteroidalen Antiphlogistika über Antibiotika und Hormone bis hin zu Antikonvulsiva, Antiarrhythmika, Tuberkulostatika und Zytostatika. Acetylsalicylsäure und Paracetamol sind in Selbstmedikationsdosierung für die Leber unproblematisch. Patienten, die lebertoxische Arzneimittel einnehmen, müssen unbedingt sowohl regelmäßigen als auch exzessiven Alkoholkonsum meiden.

In den vergangenen 15 Jahren gab es in Deutschland neun Marktrücknahmen von Arzneimitteln aufgrund von Leberschädigungen. Für zahlreiche Arzneimittel liegen der Arzneimittelkommission Meldungen über Fälle oder Verdachtsfälle von Leberschädigungen vor (Tab. 1).

Tab. 1: Arzneistoffe, die von der Arzneimittelkommission auf leberschädigende Wirkungen beobachtet werden (Beispiele).

ArzneistoffHandelspräparate (Beispiele)IndikationBesonderheit
EzetimibEzetrol®Lipidsenkervor allem gemeinsam mit einem Statin
GatifloxacinBonoq®Antibiotikum (Gyrasehemmer)bei Therapie > 1 Woche Leberenzyme 
kontrollieren
LeflunomidArava®Basismedikament bei Rheumabei Absetzen mit Colestyramin auswaschen, 
bei Umstellung auf Methotrexat 
Auswaschphase
Loratadin, DesloratadinLisino®, Aerius®Antiallergika> 200 Verdachtsfälle
MinocyclinKlinomycin®, Lederderm®antibiotische AknetherapieLeberenzyme regelmäßig kontrollieren, Therapiedauer ≤ 6 Monate
NevirapinViramune®HIV-Therapie 
OlanzapinZyprexa®Neuroleptikum 
PemolinTradon®Psychostimulans bei ADHSWiderruf in England und USA
Proglitazon
Rosiglitazon
Actos®;
Avandia®
Antidiabetika (Insulinsensitizer) 
SaquinavirInvirase®Invirase®vor allem im Zusammenhang mit  Rifampicin
XimelagatranExanta®Thromboembolieprophylaxe 

Pflanzen nicht immer harmlos

Auch einige pflanzliche Arzneimittel schädigen nachgewiesenermaßen die Leber. Da Patienten Phytotherapeutika meist nicht als Arzneimittel ansehen, sollte man aktiv nachfragen, ob sie Kava-Kava- (nicht mehr zugelassen), Pestwurz- oder Schöllkraut-Präparate einnehmen. Pestwurz, ein Mittel zur Migräneprophylaxe, verursacht selten schwerwiegende Nebenwirkungen an der Leber. Schöllkraut wird bei Oberbauchbeschwerden eingesetzt, kann die Beschwerden aber aufgrund der leberschädigenden Wirkung verschlimmern. Abraten sollte man der Leber zuliebe auch von Afa-Algen und folgenden Präparaten der traditionellen chinesischen Medizin MA-HUANG, JIN BU HUAN und der Kräutermischung SYO-SAIKO-TO (auch unter dem Namen DAI-SAIKO-TO, SHO-SAIKO-TO).

Multitalent Apotheker

Bei der Suche nach dem leberschädigenden Agens wird der Apotheker detektivisch tätig. Bei der Abgabe von Arzneimitteln zur Behandlung von Lebererkrankungen kann er dagegen seine beratenden und motivierenden Fähigkeiten unter Beweis stellen.

Ein Beispiel dafür sind wichtige Anwendungshinweise zu Colestyramin (Quantalan®, Lipocol-Merz®) bei chologener Diarrhö, Pruritus und Ikterus. Colestyramin enthält einen Chlorid-Anteil, der durch Gallensäuren ausgetauscht wird. Dadurch verschwinden die im Übermaß vorhandenen Gallensäuren, die für Durchfall, Juckreiz und Gelbsucht verantwortlich sind, aus dem Organismus.

Bei Colestyramin an Wechselwirkungen denken!

Für Colestyramin gibt es vier wichtige Abgabehinweise:

  • Das Granulat (Quantalan®) muss in Flüssigkeit aufgelöst werden. Dafür eignet sich auch Suppe oder idealerweise Apfelkompott, das bei sofortigem Verzehr sogar gut schmeckt.
  • Andere Arzneistoffe müssen mindestens eine Stunde vor oder vier Stunden nach der Colestyramin-Einnahme geschluckt werden.
  • Die Wirkung tritt erst nach drei Tagen ein.
  • Die Dosierung ist niedriger als bei Hypercholesterinämie. Daher sind auch die Nebenwirkungen (z.B. Obstipation) seltener.

So hält man Interferon-Patienten bei der Stange

Viele Patienten mit einer chronischen Hepatitis B oder C werden über einen längeren Zeitraum mit Interferon alfa behandelt. Dabei macht man sich dessen antivirale und immunmodulierende Wirkung zunutze. Der Patient muss motiviert werden, diese nebenwirkungsreiche Therapie mitzumachen. Dies kann gelingen, wenn die Wirkmechanismen verständlich erklärt werden. Um einen Interferon-Patienten ein Jahr lang bei Laune zu halten, kann man ihm maßgeschneiderte Therapieergänzungen anbieten, die die Nebenwirkungen abmildern.

Vom Winde verweht mit Lactulose

Eine hepatische Enzephalopathie entsteht, wenn die Leber Ammoniak, das Endprodukt des Proteinstoffwechsels, nicht mehr ausreichend zu Harnstoff entgiftet. Ammoniak-reiches Blut gelangt ins Gehirn. Ein Mittel zur Prophylaxe und Therapie der hepatischen Enzephalopathie ist Lactulose. Indem Lactulose den pH-Wert im Darm herabsetzt, verschiebt sie das chemische Gleichgewicht zugunsten von nicht resorbierbarem Ammonium. Bei hepatischer Enzephalopathie wird Lactulose weit höher dosiert als bei Obstipation (maximale Tagesdosis 180 ml). In säuerlichem Naturjogurt verabreicht, wird der süßliche Geschmack abgemildert.

Die abführende Begleitwirkung setzt zwischen zwei und 24 Stunden nach Ersteinnahme ein: In diesem Zeitraum sollte der Patient lieber zu Hause bleiben und eine Toilette zur Verfügung haben. Unter der Therapie sind zwei bis drei weiche Stühle pro Tag normal. Lactulose führt auch zu Flatulenz, weshalb sie einschleichend dosiert werden sollte. Diabetiker sollten beachten, dass die Maximaldosis 2,5 Broteinheiten enthält.

Apothekerin Susanne Wasielewski

 

Quelle 
Erika Fink, Frankfurt; Prof. Dr. Thomas Weinke, Potsdam; Dr. Hiltrud von der Gathen, Castrop-Rauxel: „Die Leber: Funktion, Erkrankungen und therapeutische Möglichkeiten“, Münster; 23. Oktober 2005, zentrale wissenschaftliche Vortrags- und Fortbildungstagung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.

 

Literaturtipp

Der Mensch ist, was er isst!

 

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Erika Fink Ernährung und Diätetik für die Kitteltasche 2002, 248 S. 14,80 Euro Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart ISBN 3-8047-1933-3

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