Arzneimittel und Therapie

Chronische Leber- und Darmerkrankungen: Arzneimitteltherapie lohnt sich

Chronische Leber- und Darmerkrankungen erfordern zum Teil komplizierte, aufwändige Pharmakotherapien. Doch der Aufwand lohnt, wenn die Patienten dadurch eine praktisch normale Lebens- erwartung haben, wie es zum Beispiel bei der Autoimmunhepatitis der Fall ist. Häufig lässt sich durch eine Arzneimitteltherapie auch eine Lebertransplantation bzw. eine Kolektomie vermeiden oder zumindest aufschieben.

In Deutschland leben etwa eine halbe Million Menschen mit dem Hepatitis-C-Virus. Ein Teil der Patienten hat sich parenteral infiziert, zum Beispiel durch Blut und Blutprodukte oder durch gemeinsames Benutzen von Injektionsspritzen bei intravenös Drogenabhängigen. Für jeden zweiten Patienten ist der Infektionsweg noch unbekannt. Mindestens zwei Drittel der HCV-Infektionen führen zu einer chronischen Erkrankung. Jede dritte chronische Hepatitis C geht in eine Leberzirrhose über, wobei langfristig ein Leberzellkarzinom droht.

Neuer Standard bei chronischer Hepatitis C

Der neue Therapiestandard bei chronischer Hepatitis C ist pegyliertes Interferon alfa (PegIntron®, Pegasys®), einmal wöchentlich subkutan injiziert, zusammen mit Ribavirin (Rebetol®), das täglich oral eingenommen wird. Bei Patienten mit niedrigem Fibrose- und niedrigem Entzündungsgrad kann man zunächst abwarten und nach drei bis fünf Jahren in einer Biopsie kontrollieren, ob die Hepatitis weiter fortschreitet.

Hepatitis-B-Therapie weitgehend unverändert

Bei chronischer Hepatitis B besteht die Standardtherapie nach wie vor aus Interferon alfa (Intron A®, Roferon-A®). Das Medikament wird dreimal pro Woche subkutan injiziert. Interferon alfa wird heute nicht mehr nur vier, sondern sechs Monate lang verabreicht. Die Therapie führt bei 30 bis 70% der Patienten zum Erfolg. Pegylierte Interferone sind für diese Indikation noch nicht zugelassen. Bei Kontraindikationen, Therapieversagen oder als Erhaltungstherapie kann Lamivudin (Zeffix®) in einer Tagesdosis von 100 mg eingesetzt werden. Da Lamivudin virostatisch wirkt, eliminiert es das Virus nicht vollständig. In eigener Entscheidung setzen Ärzte bei Versagen der Interferon-Monotherapie auch Interferon alfa plus Lamivudin ein. Endgültige Studienergebnisse hierzu stehen noch aus.

Behandlung der Autoimmunhepatitis

Immerhin 10% der chronischen Leberentzündungen sind Autoimmunkrankheiten. Der Körper verliert die Immuntoleranz gegenüber dem eigenen Lebergewebe mit der Folge, dass Leberzellen oder Gallenwege zerstört werden. Nicht alle Patienten sind zwangsläufig Kandidaten für eine Lebertransplantation; die Autoimmunhepatitis lässt sich mit gutem Erfolg medikamentös behandeln. Die Patientinnen – zu 80 bis 90% sind es Frauen – erhalten Prednison (z. B. Decortin®) allein oder in Kombination mit dem Immunsuppressivum Azathioprin (z. B. Azafalk®, Imurek®). Dabei wird ein Dosisreduktionsschema angewandt (mit hohen Dosen beginnen, dann langsam reduzieren).

Zur Remissionserhaltung kann eine Azathioprin-Monotherapie eingesetzt werden. Patientinnen, die dauerhaft in Remission bleiben, haben praktisch eine normale Lebenserwartung. Auslassversuche sind problematisch, weil es selbst bei normalisierter Leberarchitektur in 20% der Fälle zu Rückfällen kommt. Daher dürfen sie frühestens nach zwei Jahren Behandlung und einer Kontrollbiopsie beginnen und müssen ausschleichend erfolgen.

Morbus Crohn: krankhafte Immunantwort behandeln

Bisher hat sich die Behandlung des Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa auf eine Hemmung der Entzündungsreaktion beschränkt. Sinnvoller wäre es aufgrund neuer immunologischer Erkenntnisse, die krankhafte Immunantwort oder die daraus resultierende Entzündungskaskade gezielt zu beeinflussen. Erste Therapieversuche mit rekombinanten Zytokinen oder Anti-Zytokinen laufen. Infliximab (Remicade®), ein monoklonaler Antikörper gegen den Tumornekrosefaktor alpha, ist bereits für begrenzte Indikationen des Morbus Crohn zugelassen: Er kommt für Patienten in Frage, die auf eine Behandlung mit einem Steroid und/oder Immunsuppressivum nicht angesprochen haben, sowie für therapierefraktäre Patienten mit Fistelbildung.

Chronisch aktive Verläufe

Etwa jeder zweite Patient mit Morbus Crohn hat einen steroidabhängigen oder steroidrefraktären Verlauf. Diese unterscheiden sich stark vom intermittierenden Verlauf, bei dem ein akuter Schub durch eine vorübergehende Behandlung mit einem Steroid oder Mesalazin (z. B. Salofalk®) in eine längere Ruhephase übergeht. Der steroidabhängige Morbus Crohn zeigt beim Absetzen des Steroids immer wieder Rezidive. Der steroidrefraktäre Morbus Crohn erreicht nie eine richtige Ruhephase (Remission).

Diese chronisch aktiven Verläufe sprechen häufig gut auf eine Immunsuppression an. Hierfür wird Azathioprin in einer Tagesdosis von 2,5 mg pro kg Körpergewicht eingesetzt, alternativ sein Metabolit Mercaptopurin, Methotrexat oder schließlich Infliximab. Die Wirkung von Azathioprin setzt erst nach drei bis vier Monaten ein. Blutbild und Leberwerte müssen während der Behandlung regelmäßig überprüft werden. Azathioprin führt bei 10% der Patienten zu Nebenwirkungen, darunter Knochenmarkdepression, Hepatitis und Pankreatitis. Letztere zwingt zum endgültigen Absetzen des Medikaments.

Bei fulminant (schnell und heftig verlaufender) oder steroidrefaktärer Colitis ulcerosa kann zunächst Ciclosporin (Sandimmun®) oder Tacrolimus (Prograf®) intravenös eingesetzt werden kann dann mit Azathioprin weiterbehandelt werden. So lässt sich in vielen Fällen eine operative Entfernung des Kolons (Kolektomie) über lange Zeit verhindern.

Wann muss operiert werden?

Es gibt jedoch auch Situationen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, in denen eine Operation unbedingt erforderlich und eine Immunsuppression nicht sinnvoll ist: Perforationen, schwere Blutungen, Dysplasien oder Karzinome. Bevor eine Immunsuppression beginnen darf, müssen erst Abszesse, ausgeprägte Fisteln und Stenosen behandelt werden.

Quelle: Priv.-Doz. Dr. C. P. Straßburg, Hannover, Prof. Dr. W. Arnold, Bremen, Prof. Dr. M. Zeitz, Berlin, Prof. E. F. Stange, Stuttgart, Priv.-Doz. Dr. Ludwig, Lübeck, 16. Gastroenterologisches Fortbildungswochenende der Falk Foundation e. V. für Klinik-Apotheker "Pharmakotherapie chronischer Leber- und Darmerkrankungen - aktuelle und zukünftige Strategien", Papenburg, 15./16. Juni 2001."

Chronische Leber- und Darmerkrankungen erfordern zum Teil komplizierte, aufwändige Pharmakotherapien. Doch der Aufwand lohnt, wenn die Patienten eine praktisch normale Lebenserwartung haben, wie es zum Beispiel bei der Autoimmunhepatitis der Fall ist. Häufig lässt sich durch eine Arzneimitteltherapie auch eine Lebertransplantation bzw. eine Kolektomie vermeiden oder zumindest aufschieben.

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