Arzneimittel und Therapie

Lebererkrankungen: Behandlung der chronischen Virushepatitis

Chronische Virushepatitiden können durch Hepatitis-B-, -C- oder -D-Viren verursacht werden. Die einzige Therapie, die erwiesenermaßen nützt, besteht aus einer subkutanen Gabe von Interferon alfa über mehrere Monate.

Hepatitis B
Das Hepatitis-B-Virus (HBV) ist ein DNA-Virus, das sich in den Leberzellen vermehrt, um dann Hepatitis-B-Oberflächenantigen (HBsAg), Hepatitis-Be-Antigen (HBeAg) und intakte Virionen (die HBV-DNA enthalten) in den Blutkreislauf auszuschütten. Die Diagnose einer Hepatitis B beruht auf dem Nachweis von HBsAg im Serum zusammen mit biochemischen oder histologischen Befunden einer chronischen Hepatitis. Eine Behandlung gilt als erfolgreich, wenn HBV-DNA und HBeAg nicht mehr im Serum nachzuweisen sind und wenn sich sowohl die Serumkonzentrationen der Transaminasen als auch die Leberhistologie verbessern. HBs-Antigen kann weiterhin im Serum vorhanden sein, ohne daß die Erkrankung aktiv ist. Nach diesen Kriterien sprechen 25 bis 40% der Patienten mit einer chronischen Hepatitis B dauerhaft auf eine Behandlung mit Interferon alfa an. Empfohlen wird die subkutane Gabe von 5 Millionen I. E. täglich oder von 10 Millionen I. E. dreimal wöchentlich über vier (bis sechs) Monate. Am wahrscheinlichsten sprechen auf diese Behandlung Patienten an mit:
• hohen Transaminase-Serumkonzentrationen,
• niedriger HBV-DNA-Serumkonzentration,
• aktiven Gewebeveränderungen (Entzündung und Nekrose) und Fibrosen in der Leberbiopsie,
• einer kurzen Erkrankungsdauer und
• ohne zusätzliche Erkrankungen, wie Niereninsuffizienz oder HIV-Infektion.
Patienten mit normalen Transaminase-Serumkonzentrationen sollten nur überwacht und nicht mit Interferon alfa behandelt werden, da sie kaum darauf ansprechen.
Interferon alfa führt häufig zu Nebenwirkungen. Typisch ist eine grippeähnliche Reaktion, die wenige Stunden nach der ersten Injektion einsetzt und bis zu 12 Stunden andauert. Bei weiteren Injektionen nimmt die Akutreaktion ab, dagegen können chronische Nebenwirkungen, wie Müdigkeit, Muskel- und Kopfschmerzen, Reizbarkeit, Depressionen sowie Knochenmarksuppression auftreten. Bei 10 bis 40% der Patienten muß die Dosis reduziert, bei 5 bis 10% muß die Behandlung sogar vorzeitig abgebrochen werden. Bei rund 2% der Patienten kommt es zu schweren Nebenwirkungen, wie bakteriellen Infektionen, Autoimmunerkrankungen, schweren Depressionen oder akutem Herz- oder Nierenversagen. Sogar Todesfälle durch bakterielle Infektionen oder Suizid wurden berichtet.
Ein vielversprechender neuer Therapieansatz sind oral einzunehmende Nukleosidanaloga, wie Famciclovir, Lamivudin, Lobucavir und Adefovirdipivoxil. Diese scheinen auch bei Langzeitbehandlung gut verträglich zu sein und werden zusammen mit Interferon alfa in klinischen Studien eingesetzt.

Delta-Hepatitis
Die Delta-Hepatitis ist die seltenste Form der chronischen Virushepatitis, führt aber mit der höchsten Wahrscheinlichkeit zur Leberzirrhose. Die Delta-Hepatitis ist serologisch komplex und schwer zu behandeln. Das Hepatitis-delta-Virus (HDV) ist ein defektes RNA-Virus, das sich nur in Gegenwart von HBsAg effizient vermehrt. Die Diagnose beruht auf dem Nachweis von Antikörpern gegen das Virus (anti-HDV) und von HBsAg im Serum von Patienten mit chronischer Lebererkrankung. Sie wird durch den Nachweis von HDV-Antigen in der Leber oder HDV-RNA im Serum bestätigt. Die Patienten werden langfristig mit hohen Dosen Interferon alfa behandelt: 5 Millionen I. E: täglich oder 9 bis 10 Millionen I. E. dreimal wöchentlich. Nur 15 bis 25% der Behandelten erreichen anhaltende Besserungen, die mit dem Verschwinden von HDV-RNA und HBsAg aus dem Serum einhergehen.

Hepatitis C
Hepatitis C ist die häufigste chronische Virushepatitis in der westlichen Welt. Sie verläuft oft klinisch stumm. Rund die Hälfte der Infizierten hat normale oder nur leicht erhöhte Transaminase-Serumkonzentrationen. Bei 20 bis 30% der Infizierten führt die Erkrankung zur Leberzirrhose oder terminalen Lebererkrankung. Das Hepatitis-C-Virus (HCV) ist ein RNA-Virus aus der Familie der Flaviviren. Die Diagnose beruht auf dem Nachweis von anti-HCV-Antikörpern im Serum von Patienten mit anhaltend hohen Transaminasen-Serumspiegeln oder mit histologischem Nachweis einer chronischen Hepatitis. Bei den meisten Patienten läßt sich außerdem HCV-RNA im Serum nachweisen.
3 Millionen I. E. Interferon alfa, dreimal wöchentlich sechs bis zwölf Monate lang subkutan verabreicht, führen nur bei 10 bis 20% der Behandelten zur dauerhaften Remission und damit möglicherweise zur Heilung. Als dauerhafte Remission gilt eine anhaltende Normalisierung der Transaminase-Serumkonzentrationen zusammen mit einer Nichtnachweisbarkeit von HCV-RNA im Serum sechs Monate nach Therapieende. Bei Patienten, die nur teilweise oder vorübergehend auf die Behandlung ansprechen, kann die Dosis versuchsweise erhöht werden.
Wegen der im Vergleich zur Hepatitis B niedrigeren Interferondosis treten weniger schwere Nebenwirkungen auf. Eine ungewöhnliche Nebenwirkung ist die Verschlechterung der Hepatitis C, bei der die Interferongabe sofort beendet werden muß.
Die meisten frühen Studien wurden mit Interferon alfa-2b durchgeführt. Später wurden auch andere Formen von Interferon alfa sowie Interferon beta eingesetzt. Wirksamkeit und Verträglichkeit unterschieden sich nicht wesentlich.
Die Prädiktoren für ein gutes Ansprechen auf die Behandlung unterscheiden sich von denen bei Hepatitis B: Die höchsten Ansprechraten haben Patienten
- unter 45 Jahren,
- die seit weniger als fünf Jahren krank sind,
- keine Leberzirrhose oder nur eine minimale Fibrose haben,
- vor der Behandlung niedrige Eisenspiegel in der Leber und
- niedrige HCV-RNA-Spiegel im Serum haben,
- ein HCV-Virus vom Genotyp 2 oder 3 (nicht 1)
- und mit einer niedrigen genetischen Vielfalt aufweisen.
Die oral einzunehmende antivirale Substanz Ribavirin scheint die Ansprechrate von Hepatitis-C-Patienten auf Interferon alfa zu erhöhen. Weitere Substanzen zur Behandlung chronischer Virushepatitiden können entwickelt werden, sobald die Molekularstruktur der Erreger weiter aufgeklärt ist und geeignete Zellkultursysteme und Tiermodelle für die Erkrankung geschaffen sind.


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