DAZ Feuilleton

Ibis und Ichneumon

Tiere aus dem Land der Pharaonen zeigt das Naturkundemuseum Leipzig in einer Sonderausstellung bis zum 6. November. Dabei werden den Präparaten aus dem Bestand des Museums archäologische Exponate aus den ägyptologischen Sammlungen der Universitäten Leipzig und Halle-Wittenberg gegenübergestellt.

 

Sonnenkreislauf – Einheit von Diesseits und Jenseits

Wenn die Paviane sich abends auf ihrem Schlaffelsen versammeln, verabschieden sie geräuschvoll den Sonnengott Amun-Re, der nun in seinem Boot die nächtliche Reise durch die Unterwelt antritt, um am nächsten Morgen wieder im Osten zur Stelle zu sein. Im Reich der Finsternis trifft er auf Seelen, Götter und Verklärte. Sie alle haben die Gestalt von Pavianen angenommen. Nach zwölf Stunden hat Amun-Re wieder das Reich des Lichts erreicht und wird dort von den Pavianen begrüßt.

Nach den Vorstellungen der Ägypter verliefen alle Bereiche des Lebens zyklisch. Der ständigen Wiederkehr von Werden und Vergehen waren alle Individuen untergeordnet. So wiederholte sich auch jedes Mal, wenn ein neuer Regent den Thron bestieg, symbolisch die Erschaffung der Welt durch den Schöpfergott Ptah.

Heilige Tiere

Wie viele andere Völker auch glaubten die Ägypter, Tiere seien Medien zu den Gottheiten. Der Pavian zum Beispiel wurde schon in ältester Zeit mit Hedjwer, dem "großen Weißen", in Verbindung gebracht, der später mit Thot, dem Gott des Mondes, der Schreibkunst und der Wissenschaft, gleichgesetzt wurde. Thot wurde aber auch als Götterbote und Seelenführer verehrt und wurde in dieser Funktion als Ibis oder als Mensch mit Ibiskopf dargestellt.

Der Falke war irdischer Mittler zum Königsgott Horus, der Totengott Anubis hatte den Kopf eines Schakals. Noch zahlreiche weitere Tiere wurden als göttliche Erscheinungen angesehen und kultisch verehrt; nach dem Tod wurden sie mumifiziert und in – meist unterirdischen – Tiernekropolen beigesetzt. Nach dem Totengott Osiris hießen sie dann zum Beispiel Osiris-Pavian oder Osiris-Ibis und gingen ebenso wie verstorbene Menschen auf die Reise ins Jenseits.

Heilige Tiere konnten, mussten aber nicht mit den Gestalten, in denen die Gottheiten erschienen, identisch sein. So galt der heilige Apis-Stier als "Charakter-Seele" (ägypt.: Ba) des menschengestaltigen Ptah. Der Mnevis-Stier war der Ba des Re und der Buchis-Stier der Ba des falkenköpfigen Kriegsgottes Month. Die Schleichkatze Ichneumon war den Ägyptern als "Ratte der Pharaonen" heilig.

Löwe und Uräusschlange

Respekt hatten die Ägypter vor gefährlichen Tieren. Der männliche Löwe zum Beispiel symbolisierte aufgrund seiner physischen Überlegenheit und Würde königliche Eigenschaften. Wohl aus diesem Grunde war die Löwenjagd ein Privileg des Pharaos. Weniger respektierte Tiere durften auch von hohen Beamten, nicht jedoch von gewöhnlichen Menschen gejagt werden.

Auch Giftschlangen waren gefürchtet; die Kobra oder Uräusschlange (Naja haje) war aber zugleich ein Symbol für die Abwehr von Unheil. Deshalb trug der Pharao sie als Amulett an seiner Stirn. Häufig stellten die Ägypter auch so genannte Antipoden in eine Beziehung zueinander, beispielsweise den Falken mit der Spitzmaus. Sie bestatteten die Tiere, die im Diesseits Feinde gewesen waren, zusammen, damit sie sich im Jenseits versöhnen.

Geliebte Hunde und Katzen

Auch im profanen Leben hatten Tiere einen wichtigen Stellenwert. So sind Darstellungen überliefert, welche die Nutzung von Rindern, Geflügel und anderen Tieren in der Landwirtschaft zeigen. In zahlreichen Grabkammern des Neuen Reichs (1550 – 1103 v. Chr.) sind Zugtiere unter einem ganz anderen Aspekt dargestellt: Der Grabherr und seine Gemahlin pflügen in Festtagsgewändern das Gefilde Earu, um mit möglichst geringem Aufwand maximale Erträge zu erzielen. Nach der Eroberung Ägyptens durch Alexander (332 v. Chr.) wurden Rinder und Esel auch zum Betreiben von Göpelwerken für die Bewässerung von Feldern eingesetzt, wie zeitgenössische Darstellungen belegen. Hunde und Katzen waren schon im alten Ägypten Lieblinge der Menschen. Häufig ließen ihre Besitzer sie nach dem Tod mumifizieren, damit sie sie auf der Reise ins Jenseits begleiten.

In der Ausstellung sind auch namhafte Dokumente aus der Frühzeit der Ägyptologie zu se- hen, unter anderem „Denkmäler aus Aegypten und Aethiopien“ von C. R. Lepsius und „Déscription de l’Égypte“, ein Werk in 26 Text- und 12 großformatigen Tafelbänden, das nach Napoleons Expedition nach Ägypten erschien.

Reinhard Wylegalla

Ausstellung

Naturkundemuseum Leipzig, Lortzingstraße 3, 04105 Leipzig, Tel. (03 41) 98 22 10, Fax 9 82 21 22 www.leipzig.de/ naturkundemuseum Geöffnet: dienstags bis donnerstags 9.00 bis 18.00 Uhr, freitags 9.00 bis 13.00 Uhr, samstags, sonn- und feiertags 10.00 bis 16.00 Uhr

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