Feuilleton

Ausstellung: ara rarissima

"Rara rarissima" heißt eine Sonderausstellung des Naturkundemuseums Leipzig, die bis zum 23. Februar 2003 zu sehen ist. Gezeigt werden seltene oder einmalige Kostbarkeiten aus den Sammlungen des Hauses Ų darunter zahlreiche Typus-Exemplare.

Aus der Vorgeschichte

Mitte der 50er-Jahre musste die Harth dem Braunkohleabbau weichen. Der südlich von Leipzig gelegene Mischwald war vorher ein beliebtes Ausflugsziel gewesen. Bei schönem Wetter wanderten Familien gern von Gaschwitz über den Kaiserweg quer durch das Gehölz zwischen der Elsteraue im Westen und der Pleißeaue, welche die Harth im Osten begrenzte. Naturforscher erkundeten Flora und Fauna. Die Misteldrossel galt als Charaktervogel des etwa zehn Quadratkilometer großen Mischwaldes. 1912 hatten Archäologen begonnen, Hügelgräber der Bronzezeit und Siedlungen der Bandkeramiker (Neolithikum, ab ca. 4600 v. Chr.) zu untersuchen.

Hätten die Wissenschaftler damals nicht Herbarbelege sowie Tierpräparate angefertigt, die Spuren der frühen Zivilisation dokumentiert und die Funde geborgen, wäre ein wichtiges Kapitel der regionalen Vorgeschichte heute nicht mehr rekonstruierbar. Im Naturkundemuseum Leipzig, das 1906 durch den Leipziger Lehrerverein gegründet worden war und seit 1930 in kommunaler Trägerschaft ist, werden solche und andere seltenen Objekte als "Rara rarissima" aufbewahrt.

Novum genus, nova species

Für die jetzige Sonderausstellung wurden viele Raritäten aus dem Magazin geholt. Unter den "Rara rarissima" befinden sich sogar Typus-Exemplare (Belege für die wissenschaftliche Erstbeschreibung von Spezies). So zum Beispiel Knochen eines Vogels, die 1993 im Tagebau Espenhain unmittelbar über dem fossilführenden Phosphorithorizont gefunden wurden und von dem Berliner Paläontologen Dr. Karlheinz Fischer als Überreste einer neuen Gattung (novum genus) und neuen Art (nova species) Rupelrallus saxoniensis n. g. n. sp. erkannt und beschrieben wurden. Der Vogel könnte etwa so ausgesehen haben wie das heutige Purpurhuhn Porphyrio porphyrio.

Ausgestorben: der nordatlantische "Pinguin"

Als der Dermoplastiker H. H. ter Meer 1930 für das Museum einen Balg des Riesenalks aufbereitete, war die Spezies längst ausgestorben: Pinguinus impennis ist einst im Nordatlantik verbreitet gewesen (die echten Pinguine, die mit den Alken nicht verwandt sind, leben nur auf der Südhalbkugel). Seit dem 18. Jahrhundert wurden die flugunfähigen Seevögel verfolgt. Mit ihrem Fleisch und Tran (lat. pinguis = fett), mit ihren Daunen und Eiern wurden lukrative Geschäfte gemacht. Auch Sammler stellten dem Riesenalk nach, solange es ging. Am 3. Juni 1844 wurden auf der Insel Eldey im Südwesten Islands die letzten beiden Vögel getötet. Weltweit gibt es in musealen Sammlungen noch 78 Standpräparate und Bälge sowie zwei Skelette des Riesenalks.

Die Sammlung des Naturkundemuseums Leipzig ist besonders reich an wirbellosen Tieren (Invertebraten). Für die Forschung von unschätzbarem Wert ist die Insektensammlung von Alexander Reichert. Zu seiner Zeit der bedeutendste Leipziger Entomologe, legte er zwischen 1887 und 1936 eine nahezu vollständige Sammlung aller Insektenarten der Leipziger Region mit etwa 26 000 Exemplaren an. In einem Zettelkatalog trug Reichert darüber hinaus Beobachtungen und Informationen anderer Entomologen zusammen.

Der Leipziger Zoologe Carl Chun wiederum leitete von 1898 bis 1899 die erste Tiefsee-Expedition "Valdivia". Seine Nasspräparate haben überregionale Bedeutung. Auch von zahlreichen weiteren Expeditionen werden Belege gezeigt.

Ein Highlight aus der Fossilien-Sammlung, die etwa 17 000 Objekte umfasst, ist der versteinerte Abdruck eines Schnabelfischs (Aspidorhynchus), der vor etwa 150 Millionen Jahren lebte. Das Fossil wurde bei Solnhofen in Bayern gefunden. Eine Lithographie, die 1840 von einem ähnlichen Exemplar angefertigt wurde, ist in ihrer Detailtreue auch von der modernen Fotografie wohl kaum zu übertreffen.

Meeresschildkröte aus dem Tertiär

Erst vor zwei Jahren machte der Fund von fossilen Resten einer Meeresschildkröte Furore. Zwar waren bereits 1929 im damaligen Tagebau Böhlen erstmals Hinweise entdeckt worden, dass im Leipziger Raum vor 33 Millionen Jahren Schildkröten gelebt haben. Meistens beschränkten sich die Funde aber auf isolierte Platten des Bauch- oder des Rückenpanzers oder einzelne Extremitätenknochen. Im Tagebau Espenhain wurde nun auf einer seit geraumer Zeit inaktiven Böschung ein größerer Komplex von fossilen Knochen- und Panzerresten geborgen, der eine Rekonstruktion zulässt. Aufgrund dessen ist auch dieser Fund ein Rarum rarissimum.

Kasten

Naturkundemuseum Leipzig, Lortzingstraße 3, 04105 Leipzig, Tel. (03 41) 9 82 21 23, Fax (03 41) 9 82 21 22. Geöffnet: Dienstags bis donnerstags 9 bis 18 Uhr, freitags 9 bis 13 Uhr, samstags und sonntags 10 bis 16 Uhr.

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