Feuilleton

Ägyptische Mumien – eine Reise in die Unsterblichkeit

Ausstellung in der Arche Nebra

Die religiösen Vorstellungen der ägyptischen Hochkultur stehen im Mittelpunkt einer Wanderausstellung, die bis zum 10. November in der Arche Nebra bei Naumburg zu sehen ist. Gezeigt werden rund 80 Exponate aus dem Ägyptischen Museum in Florenz.

Der Tod war nach den Vorstellungen der alten Ägypter nicht das Ende des Lebens, sondern nur eine Übergangsphase in eine andere, ewige Form des Seins: „ka“, „ba“ und „ach“, die unsterblichen, an das Geistig-Überweltliche gebundenen „Wesenskräfte“ des Verstorbenen, lösen sich aus dessen Leib und tauchen in das Totenreich ein – ähnlich wie die Sonne im Meer „untergeht“. Auf dem Weg zu Osiris, dem Gott des Totengerichtes, müssen sie mancherlei Gefahren überwinden.

Fotos: Reinhard Wylegalla
Stele des Tayesimenkhernas Ab dem Alten Reich sollte eine bemalte und mit Gebeten beschriftete, in die Wand der Grabkammer eingelassene Stele die Totenruhe und die Opfergaben sichern, insbesondere wenn sich kein Mensch mehr um das Grab kümmerte.

Bedingungen für das Weiterleben

Beim Totengericht legt Osiris das Herz mit dem Gewissen des Verstorbenen in die Waagschale. Ist es leichter als eine Feder (Symbol für Rechtschaffenheit), ist ihm ewiges Leben gewiss. Weil die drei „Wesenskräfte“ weiterhin in enger Beziehung zum Leib („chet“), Namen („ren“) und Schatten („schut“) des Toten stehen, spielen dessen rituelle Bestattung und insbesondere die ewige Unversehrtheit des Leichnams eine herausragende Rolle; sie ermöglichen das leibliche Weiterleben im Jenseits.

Der Aufwand dafür war – je nach sozialem Status – zuweilen immens. Luxusbegräbnisse und pompöse Ruhestätten konnte sich nach Schätzungen der Ägyptologen höchstens ein Prozent der Bevölkerung leisten. Den übrigen halfen die Umweltbedingungen: Leichname, die in Matten oder Felle eingehüllt und im Wüstensand bestattet wurden, wurden schon aufgrund der extremen Trockenheit mumifiziert. Erst als man um 3100 v.Chr. (Frühzeit) dazu überging, wohlhabende Verstorbene in Särge zu betten und in Grabkammern zu bestatten, stellte sich heraus, dass sie wegen der höheren Luftfeuchtigkeit zu verwesen begannen.

Weil nun dieser Prozess die ewige Existenz im Jenseits gefährdete, unternahm man alles Erdenkliche, um die Leichen zu konservieren. Durch das Einwickeln in salbölgetränkte Leinenbinden, das ab 2700 v.Chr. (Altes Reich) üblich wurde, wurde die Verwesung zwar hinausgezögert, aber nicht verhindert. Auf der Suche nach wirksamen Konservierungstechniken machten die Balsamierer, die einer besonderen Priesterkaste angehörten, sich schließlich die Erfahrung zunutze, dass getötete Vögel und Fische nur genießbar bleiben, wenn ihnen die leicht verderblichen Innereien entnommen werden: Sie entnahmen nun auch den Verstorbenen die Leber, die Lunge, den Magen und die Gedärme, um sie getrennt zu konservieren. Das Herz, Sitz der Seele und der Intelligenz, musste indessen im Körper verbleiben.

Diener im Jenseits (Uschebti) Neben dem Verstorbenen wurden in einem speziellen Kasten Statuetten aufgestellt, die für ihn im Jenseits arbeiten sollten. Neues Reich, Spätzeit (664–332 v.Chr.).

Grundlage: Natron

Der Mensch hatte schon früh erkannt, dass die Genießbarkeit von Fleisch durch das Einlegen in Salz wesentlich verlängert werden kann. Die Priester griffen diese Erfahrung aus der Küche auf und schütteten um die Leichname und die entnommenen Eingeweide herum große Mengen Natron (aus dem südlich des Nildeltas gelegenen Wadi Natrūn) auf. Natron entzieht dem Gewebe das meiste Wasser und lässt das ursprünglich saure Milieu der Hautoberfläche basisch werden, wodurch die Fäulnisbakterien ihre Lebensbedingungen verlieren.

In der Folgezeit wurde die Mumifizierungstechnik immer wieder verfeinert und in Rituale eingebunden. Diese werden zwar in zwei überlieferten Papyri aus dem 1. nachchristlichen Jahrhundert detailliert beschrieben, die Rezepturen hielten die Priester aber geheim.

Wie der griechische Reisende Herodot (490/480–um 424 v.Chr.) in seinem 2. Buch der Historien (Kapitel 86) berichtet, gab es Mumifizierungsverfahren in drei Preiskategorien. Er beschreibt auch genau die Techniken und nennt einige Ingredienzien, die für die Konservierung eingesetzt wurden. In der Blütezeit der Mumifizierungstechnik (1570–945 v. Chr.) gelang es den Priestern, die Mumien so gut vor Verwesung zu schützen, dass aus ihnen intakte DNA gewonnen werden kann.

70-tägiges Ritual

Für die Konservierung Verstorbener war ein etwa 70-tägiges Ritual üblich, das in 13 Phasen unterteilt wurde. Zuerst wuschen die Priester den Leichnam mit Natronlösung und Palmwein. Danach zerstießen sie mit speziellen Eisenhaken die Siebbeinplatte (Lamina cribrosa, hinter der Nase) und entnahmen durch die Öffnung einen Teil der Hirnmasse. Nach dem Einleiten von Harzen oder Bitumen zersetzte sich im Schädel die restliche Hirnmasse und konnte nach einem gewissen Zeitraum abgeleitet werden. Dafür musste der Leichnam in Bauchlage positioniert werden, was unter größter Sorgfalt geschah. (Würde dabei nämlich sein Gesicht verletzt, könnte „ba“, der sich tagsüber im Diesseits aufhält, ihn nicht wiedererkennen, wenn er in das Totenreich zurückkehrt.) Der leere Schädel wurde mit Salböl konserviert.

Sarkophagmaske, stuckiertes und bemaltes Holz, Bronze, Glaspaste und Bein. Neues Reich, Spätzeit.

Öle, Harz und Bienenwachs

Nach der Entnahme der Eingeweide folgte die zweite rituelle Waschung; anschließend wurde die Bauchhöhle mit Natron gefüllt, das den Körper in 35 bis 40 Tagen völlig austrocknete. Um ihn für die Ewigkeit zu erhalten, wurde er nach der dritten Waschung einbalsamiert. Hierfür verwendeten die Priester ein Salböl mit antibakteriellen, fungiziden und antiseptischen Eigenschaften, das sie auf der Basis von pflanzlichen und tierischen Fetten herstellten. Zu den wichtigsten Zutaten zählten importierte Harze vom Weihrauch-, vom Myrrhe- und vom Galbanumstrauch. Bienenwachs wurde nicht nur als hervorragendes Bindemittel, sondern auch wegen seiner antiseptischen Eigenschaften geschätzt. Zedernharz und -öl, die zur Behandlung von Hautkrankheiten und Wunden eingesetzt wurden, bewährten sich auch bei der Mumifizierung.

Besondere Zutaten

Behenöl genießt in seiner Heimat Indien den Ruf, es könne 300 Krankheiten heilen. In Ägypten ist es erstmals unter Pharao Sahure (2490–2475 v. Chr.) belegbar. Das geruchlose und süßlich schmeckende, aus den Nüssen der sukkulenten Moringa oleifera gewonnene Öl wurde dort einerseits für die Verfeinerung von Speisen, andererseits als Grundlage für Salben verwendet. Neueren Erkenntnissen zufolge spielten auch Wacholderbeeröl und Campher, zuweilen sogar Bitumen eine wichtige Rolle bei der Einbalsamierung. Weil die Inhaltsstoffe der Salböle mit der Zeit polymerisierten und untereinander chemisch reagierten, ist es allerdings unmöglich, alle originalen Ingredienzien zu identifizieren.

Kartonierte Mumienfüße, stuckiertes und mehrfarbig bemaltes Leinen. Ptolemäische Epoche (ab 313 v.Chr.) oder Römische Epoche (ab 30 v.Chr.).

Erhaltung der Eingeweide

Damit die Verstorbenen im Jenseits nicht Hunger und Durst erleiden mussten, war auch die Erhaltung und Aufbewahrung der inneren Organe notwendig. Dafür verwendete man spezielle vasenförmige Gefäße, die Kanopenkrüge. Ab 2060 v. Chr. wurden deren Deckel mit den Köpfen der vier Söhne des Horus versehen: Duamutef, als Falke dargestellt, war der Beschützer des Magens. Der menschenähnliche Amset war für die Leber zuständig, Hapi mit Paviankopf sollte die Lunge vor Schaden bewahren, und Kebechsenuef – dargestellt als Schakal – schützte die Gedärme.

Postmortale Kosmetik

Die Hohlräume der Mumien wurden mit Leinenbeuteln „ausgestopft“, die wiederum mit Sägespänen, Sämereien, trockenem Gras und anderen Materialien gefüllt waren. Wohlriechende Gewürze und Spezereien sollten die Konservierung unterstützen. Auch die Nasenlöcher wurden ausgefüllt, etwa mit salbölgetränktem Leinen (Tutanchamun) oder mit Pfefferkörnern (Ramses II.). In die Augenhöhlen legten die Balsamierer Leinenbäuschchen, Küchenzwiebeln oder bemalte Steine. Die Finger wurden mit Schnüren umwickelt, um die Fingernägel zu stabilisieren. Der Mund und wichtige Körperteile wurden durch spezielle Auflagen – zumeist aus bemalter Kartonage, für Privilegierte indessen aus kostbaren Materialien hergestellt – geschützt. Der Bauch wurde meistens zugenäht, wie es Herodot berichtet hat. Bei bedeutenden Persönlichkeiten deckte man die Schnittstelle mit Wachsplatten oder Goldblech ab.

Amulette als Schutz

Abschließend wurde die Mumie unter der Aufsicht eines Priesters, der die schakalartige Maske des Anubis (Gott der Totenriten) trug, bandagiert. Dieser Ritus dauerte bis zu 15 Tage. Man hatte dafür verschiedene Leinenbinden mit einer Gesamtlänge von rund 4800 Metern bereitgelegt und in einem Salböl getränkt, das sich in seiner Zusammensetzung von dem Salböl für den Schädel und den Körper unterschied.

Beim Einwickeln der Mumie wurden zahlreiche Amulette hinzugefügt, die den Verstorbenen vor Gefahren schützen und seine Regeneration sichern sollten. Zuweilen gab man ihm auch ein „Totenbuch“, eine mehrere Meter lange Leinen- oder Papyrusrolle mit magischen Formeln, als „Orientierungshilfe“ für das Jenseits mit in den Sarg.

Reinhard Wylegalla

Arche Nebra

An der Steinklöbe 16, 06642 Nebra OT Kleinwangen

Tel. (03 44 61) 2 55 20

www.himmelsscheibe-erleben.de

Geöffnet täglich von 10 bis 18 Uhr

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