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SPD setzt auf "Arbeit, Sicherheit und Menschlichkeit"

BERLIN (ks). Die SPD-Spitze hat am 4. Juli in Berlin einstimmig ihr Wahlmanifest mit dem Titel "Vertrauen in Deutschland" verabschiedet. Viele Inhalte waren bereits in den vergangenen Tagen bekannt geworden Ų große Überraschungen blieben aus. "Arbeit, Sicherheit und Menschlichkeit" seien die zentralen Leitlinien des Programms, erklärte der SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering im Anschluss an den Beschluss des SPD-Parteivorstands. Zu den Schwerpunkten des 42-seitigen Manifests zählen der Abbau der Arbeitslosigkeit, die Förderung von Innovationen, bessere Leistungen für Familien, die Bürgerversicherung und ein Steuerzuschlag für Höchstverdiener.

Müntefering und Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Autoren des Wahlprogramms, ziehen in diesem zunächst Bilanz über das bereits Erreichte und erklären, dass die Wege der Union, der FDP sowie der Linksparteien PDS und WASG "Sackgassen" seien. Anschließend benennen sie 24 Ziele für ihre künftige politische Arbeit. Punkt 20 ist der Umwandlung der Krankenversicherung in eine Bürgerversicherung gewidmet. In dieser sollen gesetzliche und private Krankenkassen nebeneinander Bestand haben.

Ausgangspunkt der Sozialdemokraten ist, dass Deutschland ein gutes Gesundheitswesen hat und dieses über vier Millionen Menschen Beschäftigung bietet. Mit der letzten Gesundheitsreform habe man die gesetzliche Krankenversicherung zukunftsfähig gemacht, heißt es im Manifest – weitere Strukturreformen benennt es nicht. Stattdessen legt die SPD ihren Fokus auf die Sicherung der langfristigen Finanzierung.

Der medizinische Fortschritt und die demographische Entwicklung erforderten nun "nicht weniger, sondern mehr Solidarität, aus der sich niemand ab einer bestimmten Einkommensgrenze verabschieden darf". Auch Gutverdienende, Beamte, Selbstständige und Politiker müssten daher in die Krankenversicherung einbezogen werden. Jede Kasse müsse jeden ohne Ansehen des Risikos versichern, heißt es weiter. Dabei bleibe es beim jetzigen Leistungskatalog. Nach dem SPD-Konzept soll jeder entsprechend seiner Leistungsfähigkeit bezahlen. Neben den einkommensabhängigen Beiträgen, die schon jetzt erhoben werden, sollen künftig auch Kapitalerträge – mit Ausnahme von Mieten und Pachten – mit Beiträgen belegt werden. Beim Einkommen soll es bei der Beitragsbemessungsgrenze bleiben, bei den Kapitaleinkünften sollen Durchschnittsersparnisse durch Freibeträge geschont werden. Erhalten bleiben soll auch die beitragsfreie Familienversicherung. Die SPD ist überzeugt: "Die Bürgerversicherung macht unser Gesundheitssystem gerechter". Ihre konkrete Ausgestaltung lässt sie jedoch weiterhin offen.

Umbau der Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung soll nach dem Willen der SPD ebenfalls nach dem Modell der Bürgerversicherung umgebaut werden. Dabei sollen soziale und private Pflegeversicherung miteinander verbunden werden. Geplant ist, die bislang unveränderten Leistungssätze unter Beachtung der Preisentwicklung anzupassen und die Leistungen in der ambulanten Pflege – insbesondere für Demenzkranke – zu verbessern. Zudem sollen sich die familiäre und die professionelle Pflege "wirksam ergänzen".

Breite Unterstützung in der SPD-Spitze

Schröder trat einen Tag nach der Beschlussfassung gemeinsam mit Müntefering vor die Presse. Er betonte, dass insbesondere die Reformen auf dem Arbeitsmarkt konsequent fortgesetzt werden müssten. Mit der Agenda 2010 habe man diese Reformen eingeleitet. Auch die Gesundheitsreform gehöre dazu – sie verfolgte nicht zuletzt das Ziel, die Lohnnebenkosten im Griff zu behalten. Sie hatte Erfolge, "die manch einer nicht für möglich gehalten hätte – in solch einer kurzen Zeit", betonte Schröder. Kernpunkt des nun beschlossenen Manifests sei es, "ökonomische Effizienz mit sozialer Sensibilität zu verbinden". Müntefering unterstrich, dass sich die SPD mit ihrem "vernünftigen und soliden Kurs" gegen eine "Politik der sozialen Kälte" von Union und FDP und gegen "populistische Illusionen" des Bündnisses von PDS und WASG stelle.

Sechs Stunden debattierte der Parteivorstand über das Programm – "das war sauanstrengend", so Müntefering. Letztlich konnte jedoch eine große Einigkeit erzielt werden. Sowohl der linke Flügel – vertreten etwa durch Andrea Nahles – als auch der konservativere "Seeheimer Kreis" stellten sich hinter das Wahlmanifest. Es gab weder Gegenstimmen noch Enthaltungen.

Kritik aus der Union und der FDP

Die Kanzlerkandidatin der Union, Angela Merkel, bezeichnete das SPD-Wahlmanifest als ein Programm der "Kraftlosigkeit", das den Menschen in einer Vielzahl von Einzelfragen Zusicherungen mache, die nicht gehalten werden könnten. CSU-Generalsekretär Markus Söder sprach von einem "Wunschzettel der Alt-Linken" und einem "Abschied von der Mitte". Der stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende der FDP, Rainer Brüderle, nannte das SPD-Manifest ein "Oppositionsprogramm". Es gehe den Sozialdemokraten um das "Wünschbare und nicht mehr um das Machbare", so Brüderle.

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