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Grünes Licht für Gesundheitskompromiss

BERLIN (ks). Die Parteispitzen von Union, SPD und Grünen haben am 25. August den unter Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und dem CSU-Gesundheitsexperten Horst Seehofer ausgehandelten Kompromiss zur Gesundheitsreform gebilligt. Nachdem die Konsens-Verhandlungsgruppe am 21. August zu einer abschließenden Beratung zusammengekommen war, beschäftigten sich in dieser Woche die Parteigremien und die Fraktionen mit dem gemeinsamen Reformvorhaben.

Echte Überraschungen kamen im Anschluss an die letzte Mammut-Verhandlungsrunde der Gesundheitsexperten nicht zutage. Insbesondere ergaben sich für Apotheken keine Änderungen über das bekannte Maß hinaus. In einer "Zusammenfassung der gesetzlichen Regelungen zur Umsetzung der Eckpunkte zur Gesundheitsreform" vom 21. August ist unter dem Punkt "Neuordnung der Arzneimittelversorgung" lediglich klargestellt, dass ein Apotheker künftig "bis zu drei Filialapotheken betreiben" darf. Die zunächst Verwirrung stiftende Formulierung "Nebenstelle" taucht nicht mehr auf.

Union: Das Schlimmste verhindert

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sagte nach der Sitzung des CDU-Bundesvorstands am 25. August, das Verhandlungsergebnis sei auf "einmütige Zustimmung des Bundesvorstandes und des Präsidiums" gestoßen. Die CDU habe in den Gesprächen "Schlimmstes an Staatsmedizin und Zentralismus verhindern" können.

Auch sei an vielen Stellen die Handschrift der Union sichtbar. Zwar sei nicht alles durchgesetzt geworden, was man sich vorgestellt hatte - dennoch sei zumindest eine Stabilisierung und teilweise Senkung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und damit eine Entlastung der Lohnzusatzkosten zu erwarten. Vorausgesetzt allerdings, die Arbeitslosigkeit steige nicht weiter an und ein Wirtschaftswachstum sei zu verzeichnen.

Merkel betonte, ihr sei bewusst, dass den Menschen mit der Reform etwas zugemutet werde. Dies sei gerechtfertigt durch die Erwartung, dass mehr Arbeitsplätze entstehen. Bei der Frage des Zahnersatzes bemerkte die CDU-Chefin positiv, dass es erstmalig gelungen sei, einen Bereich der Gesundheitsvorsorge vom Einkommen entkoppelt abzusichern.

Sie betonte zudem, dass die Einigung auf eine Gesundheitsreform außerhalb des gewöhnlichen Gesetzgebungsverfahrens einen besonderen Charakter habe, der für andere Reformvorhaben kein Vorbild sei. Hätte die Union sich nicht zum Konsens bereit erklärt, hätte Schmidt die Reform in einen zustimmungsfreien und einen zustimmungspflichtigen Teil aufgeteilt, so Merkel.

Dabei wären viele wichtige Strukturfragen - z. B. die Errichtung eines Zentralinstituts oder auch die Erhöhung der Tabaksteuer - zustimmungsfrei gewesen. Es sei der Union jedoch wichtig gewesen, auf alle Entscheidungen Einfluss zu nehmen, so die CDU-Chefin.

Grüne: trotz Abstrichen erster notwendiger Schritt

Grünen-Chefin Angelika Beer räumte ein, dass der gefundene Kompromiss, "nicht ganz so ausgefallen ist, wie Bündnis 90/Die Grünen sich das vorgestellt haben". Er sei jedoch ein erster notwendiger Schritt. Trotz der Blockadehaltung der Union und der FDP, die sich allerdings frühzeitig aus den Verhandlungen zurückgezogen hatte, sei es gelungen, mehr Wettbewerb einzuführen.

Auch was die Behandlung von Naturheilmitteln - die künftig grundsätzlich nicht mehr von den Kassen erstattet werden sollen - betrifft, hatten sich die Grünen anderes gewünscht. Immerhin, so Beer, sei jedoch der Kompromiss gefunden worden, den Bundesausschuss aufzufordern, diese Fragen zu überprüfen. So soll bei bestimmten Krankheiten auch zukünftig die Möglichkeit bestehen, diese Arzneimittel zu verordnen.

Beer betonte zudem, dass die Grünen weiterhin die Einführung einer Bürgerversicherung diskutieren und konkretisieren werden. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering hatte den kleinen Koalitionspartner erst tags zuvor davor gewarnt, in dieser Sache zu schnell voranzueilen: "Die Grünen sollten nicht übersehen, dass wir uns gerade erst mit der Union auf wichtige Reformschritte verständigt haben", sagte Müntefering der Bild am Sonntag. "Diesen Kompromiss sollten wir gemeinsam vertreten - und nicht die Menschen zur Unzeit verunsichern"!

Verstimmungen in der SPD-Fraktion

Auch der SPD-Parteivorstand stimmte dem Verhandlungsergebnis am 25. August zu. Allerdings mit vier Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Insbesondere die SPD-Linke - etwa vertreten durch Andrea Nahles und Ottmar Schreiner - lehnt die Einigung mit der Union ab.

SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sprach dennoch von einer "breiten Basis", die den Kompromiss unterstütze. Scholz erklärte, es sei den Sozialdemokraten gelungen, große Teile von Strukturreformen sowie mehr Wettbewerb und Transparenz durchzusetzen. Er bezeichnete den Kompromiss als "insgesamt ausgewogen" und zeigte sich überzeugt, dass er wie geplant realisiert werden könne.

Die SPD-Fraktion kam am 26. August - nach Redaktionsschluss der DAZ - zu einer Sondersitzung zusammen, um über die Gesundheitsreform zu diskutieren. Bereits im Vorfeld zeichneten sich hier allerdings Widerstände ab.

Obwohl Müntefering erklärt hatte, dass er im Hinblick auf die fraktionsübergreifende Vereinbarung Änderungswünsche nicht akzeptieren werde, wollen offenbar einige SPD-Abgeordnete nicht klein beigeben. So bezeichnete der Gesundheitspolitiker Wolfgang Wodarg die Einigung mit der Union gegenüber der "Welt" (Ausgabe vom 26. August) als "unbefriedigend". Für eine "wirkliche Reform" seien Strukturveränderungen nötig, in der Fraktion herrsche daher "großer Frust".

Der SPD-Abgeordnete Peter Dreßen, wie Wodarg Mitglied im Gesundheitsausschuss, drohte gar mit Ablehnung: "Meine Tendenz heißt Nein zum Gesundheitspaket", zitierte ihn die "Welt".

Auch sein Kollege Horst Schmidbauer kritisierte, die Vereinbarungen von SPD, Grünen und Union gingen voll zu Lasten der Patienten und Versicherten. In der Chemnitzer "Freien Presse" (Ausgabe vom 26. August) nannte er es ein Unding, dass die Positivliste für Medikamente auf Druck der Union wieder aus dem Gesetzentwurf gestrichen worden sei. Ohne Änderungen in einzelnen Punkten werde er den Entwurf als Ganzes ablehnen.

Müntefering wird also noch einiges zu tun haben, will er seine Fraktion auf Linie bringen. Die Abstimmung in der Fraktion ist für Anfang September vorgesehen. Die erste Lesung des Reformgesetzes soll in der zweiten Septemberwoche, der ersten Sitzungswoche nach der parlamentarischen Sommerpause, stattfinden.

Die Parteispitzen von Union, SPD und Grünen haben am 25. August den unter Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und dem CSU-Gesundheitsexperten Horst Seehofer ausgehandelten Kompromiss zur Gesundheitsreform gebilligt. Nachdem die Konsens-Verhandlungsgruppe am 21. August zu einer abschließenden Beratung zusammengekommen war, beschäftigten sich in dieser Woche die Parteigremien und die Fraktionen mit dem gemeinsamen Reformvorhaben. 

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