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Zehn Jahre soziale Pflegeversicherung

BERLIN (ks). Am 1. April feierte die soziale Pflegeversicherung ihren zehnten Geburtstag: 1995 wurde sie unter dem damaligen Bundesgesundheitsminister Norbert Blüm (CDU) eingeführt – heute erhalten rund zwei Millionen Menschen regelmäßig Leistungen aus der Pflegekasse. Für Blüm ist die Pflegeversicherung nach wie vor ein "Erfolg". Bundessozialministerin Ulla Schmidt sprach von einem "unverzichtbaren Zweig der Sozialversicherung". Allem Lob zum Trotz herrscht Einigkeit, dass eine Reform notwendig ist. Wie diese aussehen soll, ist allerdings umstritten.

Wie die Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung wurde die Pflegeversicherung vor zehn Jahren nach dem Solidarprinzip angelegt. Sie habe vielen Menschen geholfen, die zuvor keine Unterstützung erhielten oder auf Sozialhilfe angewiesen waren, erläuterte Blüm am 1. April im NDR. Der wichtigste Erfolg ist dem Ex-Minister zufolge "die handfeste Unterstützung, auch für die Familien, die zu Hause ihre Pflegebedürftigen betreuen". So zahlt die Pflegekasse für nicht erwerbsmäßig Pflegende Beiträge zur Rentenversicherung.

Blüm betonte zudem, dass die Pflegeversicherung die einzige Sozialversicherung sei, die ihre Beiträge in den letzten zehn Jahren nicht erhöht habe. Dass man nun auf die Rücklagen zurückgreifen müsse, liege nicht an der Versicherung selbst, sondern an der rot-grünen Politik. Man könne nicht gleichzeitig neue Leistungen beschließen und Beiträge kürzen, so Blüm. Die soziale Pflegeversicherung hatte 2004 mit einem Defizit von 820 Mio. Euro abgeschlossen.

Regierung will bis zum Herbst Reformvorschläge machen

Ministerin Schmidt betonte, dass seit Einführung der Pflegeversicherung rund 250.000 neue Arbeitsplätze im pflegerischen Bereich entstanden seien. "Jetzt ist es wichtig, die Pflegeversicherung zukunftsfest zu gestalten", so Schmidt. Im Sommer sollen Vorschläge vorgelegt werden, wie der jüngste Zweig der Sozialversicherung weiterzuentwickeln ist. Bis zum September will die Regierung das Konzept ausgearbeitet haben.

In einem Interview mit dem RBB-Inforadio sagte die Ministerin allerdings auch, sie sei "nur verhalten optimistisch", dass eine Pflegereform noch im Wahljahr 2006 verabschiedet werden könne. Wie schnell es gehe, hänge von der Unionsmehrheit im Bundesrat ab. Eine von der Union ins Spiel gebrachte Abkoppelung der Pflegebeiträge vom Lohn lehnte Schmidt ab. Sie möchte es bei einer prozentualen Belastung belassen.

Müntefering für Bürger-Pflegeversicherung

SPD-Chef Franz Müntefering zufolge können sich die Sozialdemokraten einen Umbau der Pflegeversicherung in eine Bürgerversicherung vorstellen. Das meint auch der SPD-Gesundheitspolitiker Klaus Kirschner: Es sei der richtige Weg zur Reform, wenn auch Gutverdiener oberhalb der Versicherungspflichtgrenze sowie Selbstständige und Freiberufler zur Solidarität herangezogen werden, sagte er am vergangenen Wochenende. Falsch sei hingegen das System auf Kopfpauschalen oder Kapitaldeckung umzustellen. Diese Pläne, so Kirschner, ließen unterschiedliche Einkommen unberücksichtigt und gefährdeten damit die Akzeptanz der Pflegeversicherung.

Die Bayerische Sozialministerin Christa Stewens (CSU) ist anderer Ansicht: "Weder auf die demographische Entwicklung noch auf die strukturellen Probleme der Pflegeversicherung bietet die Bürgerversicherung eine angemessene Antwort", betonte sie am 30. März. Sie sprach sich – neben strukturellen Reformen – für den Aufbau einer kapitalgedeckten privaten Ergänzungsversicherung aus.

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