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Gesetzliche Krankenversicherung: Bürgerversicherung ist nicht gleich Bürgerver

BERLIN (ks). Der Parteirat von Bündnis 90/Die Grünen hat sich am 15. September für die Einführung einer modifizierten Bürgerversicherung ausgesprochen. Einstimmig beschloss er einen "Diskussionsvorschlag" mit sechs Kernelementen. Auch in der SPD wird weiter über die Bürgerversicherung diskutiert Ų sie will Ende September einen entsprechenden Vorschlag beschließen. Allerdings sind schon jetzt Differenzen zwischen den beiden Koalitionspartnern erkennbar.

Wer gedacht hatte, die Diskussion um die langfristige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) könne noch eine Weile aufgeschoben werden, hat sich geirrt. Die von Koalition und Union gemeinsam beschlossene Gesundheitsreform ist noch mitten im parlamentarischen Verfahren, da werden die Stimmen zur nächsten Reform immer lauter.

In der vergangenen Woche gab Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) der Debatte weiteren Auftrieb. Er machte sich auf einer Fachtagung der Grünen am 10. September für eine Bürgerversicherung, in die alle Bürger – auch Selbständige und Beamte – einzahlen, stark.

Auch Mieten, Zinsen und Kapitaleinkünfte sollen in die Beitragsberechnung einbezogen werden. Weiterhin sprach sich Fischer dafür aus, den Arbeitgeberbeitrag bei etwa 6,5 oder sieben Prozent einzufrieren.

Bürgerversicherung als Thema für den Bundeswahlkampf?

Mit diesem Vorschlag befasste sich nun der grüne Parteirat und beschloss Folgendes: Die Versicherungspflicht wird auf alle Bürger und Einkommensarten ausgedehnt, die Versicherungspflichtgrenze aufgehoben. Die zusätzlichen Einnahmen sollen für sinkende GKV-Beiträge sorgen, die Beitragsbemessungsgrenze dabei unangetastet bleiben.

Ungeklärt blieb die Frage nach der Senkung der Lohnnebenkosten. Den Vorschlag Fischers, den Arbeitgeberbeitrag prozentual zu deckeln, will man lediglich "diskutieren" heißt es im Beschluss des Parteirats. Letztlich wollen die Grünen die Private Krankenversicherung (PKV) einbeziehen: Sowohl PKV als auch GKV sollen die Bürgerversicherung zu identischen Wettbewerbsbedingungen anbieten können.

Dieses Modell der Bürgerversicherung soll nun in der Partei debattiert werden – ein Beschluss wird allerdings erst auf der Bundesdelegiertenkonferenz 2004 fallen. Der grüne Parteivorsitzende Reinhard Bütikofer erklärte nach der Beschlussfassung des Parteirats, Ziel sei es, dass die Wähler bis zur nächsten Bundestagswahl 2006 wüssten, über welche Reformen des Gesundheitswesens sie abstimmen.

SPD: Andere Vorstellungen zur Bürgerversicherung

Auch die Sozialdemokraten beschäftigen sich nun verstärkt mit der Bürgerversicherung. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz erklärte am 15. September im Anschluss an die Präsidiumssitzung, die Diskussion der letzten Wochen habe Fortschritte gemacht.

Die SPD werde Ende des Monats einen Vorschlag zur Bürgerversicherung beschließen. Noch diese Woche soll eine zum Thema eingesetzte Arbeitsgruppe ihre Ergebnis abschließend zusammenfassen. Am 29. September soll auf dieser Grundlage der Parteivorstand über einen entsprechenden Leitantrag zum Parteitag im November entscheiden.

Scholz sagte, dass auch in der SPD niemand mehr eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze unterstütze. Anders als bei den Grünen ist in der SPD aber offenbar keine Bereitschaft vorhanden, eine einseitige Begrenzung der Arbeitgeberbeiträge zu diskutieren. Scholz persönlich hält auch nichts von der Einbeziehung anderer Einkunftsarten in das System:

Es würde die Sozialversicherungssysteme überfordern, ihnen Aufgaben der Steuereintreibung zu übertragen. Der Generalsekretär betonte, bei der Reform des Systems gehe es um eine bessere Verbindung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung.

Geschaffen werden solle ein "Solidaritätsverbund, der dazu beiträgt, dass Rosinenpickerei nicht stattfinden kann". Dabei müsse ein solidarischer Ausgleich unterschiedlicher Risiken stattfinden, ohne die Systeme in Frage zu stellen.

FDP: Würgeversicherung

Auf völlige Ablehnung stößt die Diskussion um die Bürgerversicherung bei der FDP. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Dieter Thomae erklärte am 14. September, der Weg in eine Bürgerversicherung sei der Weg in eine Einheitsversicherung. "Damit werden alle Bürger in den Würgegriff des Staates genommen".

Die Liberalen plädieren statt dessen für einen Umstieg in ein Prämiensystem. Dies, so Thomae, fördere die Eigenverantwortung der Patienten, da sie hier eine Pflicht zur Versicherung eingehen müssen, aber auch erweiterte Wahlmöglichkeiten erhalten.

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