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DIW-Studie: Starke Pharmaindustrie hilft auch anderen Wirtschaftszweigen

BERLIN (ks). Die forschenden Arzneimittelhersteller gehen mit gemischten Gefühlen ins neue Jahr. Nach eigener Einschätzung werden Umsatz, Beschäftigung und Export 2005 vielfach stagnieren. Diese Prognose präsentierte der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) am 1. Dezember in Berlin. Zugleich stellte der Verband eine Studie vor, in der die pharmazeutische Industrie im gesamtwirtschaftlichen Kontext beleuchtet wird. Ergebnis: Die Pharmaindustrie in Deutschland schafft nicht nur in ihren eigenen Konzernen Arbeitsplätze. Eine positive Entwicklung in der Pharmabranche kommt vielmehr dem Standort Deutschland insgesamt zugute.
Foto: DAZ/Sket
Wachstumsmotor: Jeder Arbeitsplatz bei einem Arzneimittelhersteller generiert einen weiteren Vollzeitjob, erklärte VFA-Vorstand Barner

Der VFA-Vorstandsvorsitzende Dr. Dr. Andreas Barner fasste die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wie folgt zusammen: "Jeder neue Arbeitsplatz bei einem Arzneimittelhersteller in Deutschland stiftet einen weiteren in einer anderen deutschen Branche. Und jeder Euro Wertschöpfung in der Pharmaindustrie bringt 1,90 Euro Wertschöpfung für die Volkswirtschaft." Prof. Dr. Georg Meran, Vizepräsident des DIW Berlin, erläuterte weitere Einzelheiten der im Auftrag des VFA erstellten Studie: Die pharmazeutische Industrie gehöre zu den besonders forschungsintensiven Industriezweigen, erklärte Meran. Seit 1995 weise sie im Vergleich zum verarbeitenden Gewerbe insgesamt eine deutlich höhere Dynamik in der Entwicklung von Wertschöpfung und Beschäftigung auf.

Eine Input-Output-Analyse zeige zudem, dass von den Lieferungen des Pharmabereichs an die privaten und öffentlichen Haushalte (insbesondere die gesetzliche Krankenversicherung) sowie an das Ausland erhebliche indirekte Effekte auf andere Wirtschaftsbereiche ausgehen: So habe die Produktion der Arzneimittel-Industrie allein 2002 bei 22,1 Mrd. Euro gelegen. Unter Einbeziehung der Zuliefersektoren habe sie jedoch 34,6 Mrd. Euro betragen, so Meran.

Die wichtigsten Zuliefersektoren sind neben chemischen Vorprodukten und Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen in erster Linie unternehmensbezogene Dienstleistungen wie 
z. B. Wirtschafts- und Rechtberatung oder Werbung. Meran verdeutlichte diese Verflechtungen auf der Ebene der Beschäftigung: Auf die 117.000 Erwerbstätigen in der pharmazeutischen Industrie kommen weitere 103.000 Erwerbstätige, die von der Nachfrage der Arzneimittelhersteller abhängig sind.

GMG dämpft auch 2005 Erwartungen der Industrie

Für Barner sind die Studienergebnisse ein Zeichen dafür, dass die Zusammenhänge zwischen Pharmaindustrie und anderen Wirtschaftsbereichen von der Politik häufig nicht erkannt werden. Noch immer bestimme Ausgabendämpfung die deutsche Gesundheitspolitik. Barner kritisierte erneut die mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) neu eingeführte Festbetragsregelung: "Durch die Bildung von Jumbogruppen wird der Preis von patentgeschützten Arzneimitteln überproportional abgesenkt, während Generika unbehelligt bleiben und sogar noch Preisspielraum nach oben bekommen."

Nicht zuletzt infolge des GMG sei in der Pharmabranche die Beschäftigung im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent gesunken. Auch auf das kommende Jahr blicken viele Arzneimittelhersteller eher verhalten. Eine Umfrage unter den VFA-Mitgliedsunternehmen zu ihrer Prognose für 2005 erbrachte folgende Ergebnisse: Was den Umsatz betrifft – der schon im laufenden Jahr fünf bis sechs Prozent niedriger ausfallen wird als 2003 – so erwartet rund ein Drittel der Firmen, dass dieser stagnieren oder zurückgehen wird.

Etwa die Hälfte der Unternehmen rechnet mit einer leichten Erholung des Umsatzes, ein Sechstel mit einem fühlbaren Umsatzplus. Bei der Beschäftigung deuten die Prognosen ebenfalls auf Stagnation hin: 37 Prozent der Unternehmen rechnen mit weiteren Arbeitsplatzverlusten, ein Drittel meint, die Beschäftigung konstant halten zu können. 30 Prozent können sich einen Beschäftigtenzuwachs vorstellen. Für den Export 2005 rechnet rund die Hälfte nicht mit einer Veränderung gegenüber 2004, etwa 40 Prozent erwarten ein Wachstum.

Darüber hinaus erwarten die VFA-Mitgliedsunternehmen im nächsten Jahr die Markteinführung von 50 Innovationen, davon 24 mit neuen Wirkstoffen. Sie sollen vor allem der besseren Behandlung von Krebserkrankungen, Atemwegserkrankungen wie Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung sowie neurologischer Erkrankungen wie Parkinson und Multipler Sklerose dienen. Optimistischer als noch 2004 sind die Unternehmen hinsichtlich ihrer Aufwendungen für Forschung und Entwicklung. Einen Rückgang, wie ihn für dieses Jahr noch über 60 Prozent der Unternehmen vorhersahen, erwartet für 2005 nur noch ein Viertel. Ein weiteres Viertel spricht von einer Erhöhung der Aufwendungen. "Von einer echten Trendwende kann aber trotzdem nicht die Rede sein", betonte Barner.

Standort- und Gesundheitspolitik gehören zusammen

Der VFA-Vorstandsvorsitzende appellierte an die Politik, Standortfragen nicht länger abgekoppelt von der Gesundheitspolitik zu diskutieren. Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik müssten endlich miteinander abgestimmt werden. Barner forderte zudem eine grundlegende Strukturreform im Gesundheitswesen. Auch wenn diese vor der kommenden Wahl nicht mehr angegangen werde: Vorbereitungen müssten schon jetzt getroffen werden.

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