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Pharmaindustrie will Kooperationen mit Ärzten selbst kontrollieren

BERLIN (ks). Die Mitgliedsunternehmen des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) wollen ihre Zusammenarbeit mit Ärzten künftig freiwillig selbst kontrollieren. Am 16. Februar gründeten sie in Berlin den Verein "Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.". Mit einem Ehrenkodex soll sichergestellt werden, dass Verhaltensregeln eingehalten werden, die eine unlautere Beeinflussung der ärztlichen Unabhängigkeit ausschließen, erklärte der VFA-Vorstandsvorsitzende Andreas Barner bei der Vorstellung des Vereins am Gründungstag.

Immer wieder gerät die Pharmabranche wegen angeblich unlauterer Wettbewerbsmethoden und wegen des Verdachts der Bestechung von Ärzten in die Kritik der Öffentlichkeit. Dem soll nun mit der neuen Initiative entgegengetreten werden. Denn die Zusammenarbeit mit Ärzten sei für die Industrie unverzichtbar, so Barner.

Dies sei auch grundsätzlich forschungs- und gesundheitspolitisch erwünscht, weltweit etabliert und unbestritten. "Gerade deshalb können wir es uns nicht leisten, dass durch einzelne Missbrauchsfälle die ganze Branche und damit auch legitime Kooperationsformen in Misskredit gebracht werden", sagte Barner.

Unzulässig: Fortbildung mit Tourismus-Charakter

So sieht der Kodex vor, dass die Industrie zwar noch die Kosten für die Anreise sowie die Übernachtung bei Fortbildungsveranstaltungen übernehmen kann. Damit jedoch ein touristischer Charakter verhindert wird, ist die Kostenübernahme für Begleitpersonen und Unterhaltungsprogramme unzulässig.

Außerdem wird vorgeschrieben, dass der Arzt in einer vertraglichen Zusammenarbeit mit einem pharmazeutischen Unternehmen nur für echte wissenschaftliche oder fachliche Tätigkeiten entlohnt, aber nicht für seine Verordnungsweise belohnt wird.

Weitgehende Sanktionsmöglichkeiten

"Wir glauben, dass eine funktionierende Selbstregulierung besser ist als eine weitere staatliche Reglementierung", begründete Barner die Initiative der VFA-Mitgliedsunternehmen. Verstöße gegen den Vereinskodex könnten bei der Schiedsstelle von jedermann und jeder Institution angezeigt werden, etwa von Patienten, Ärzten, Unternehmen, Krankenkassen oder Behörden.

Die Schiedsstelle des Vereins werde sodann allen Beanstandungen nachgehen und bei Verstößen Sanktionen verhängen, erklärte Barner. In erster Instanz kann die Schiedsstelle gegen uneinsichtige Unternehmen Geldstrafen bis zu 50 000 Euro erlassen.

In zweiter Instanz – hier ist der Spruchkörper mehrheitlich mit Personen außerhalb der Industrie besetzt – können Geldstrafen bis zu 250 000 Euro sowie bei besonders gravierenden Fällen eine öffentliche Rüge verhängt werden. Damit, so Barner, liegen die Sanktionsmöglichkeiten weit über dem gesetzlichen Rahmen für Bußgelder bei Werbeverstößen.

Die Schiedsstelle werde ihre Arbeit spätestens im Sommer aufnehmen, kündigte der VFA-Vorstandsvorsitzende an. Zuvor muss der Kodex noch vom Bundeskartellamt als Wettbewerbsregel anerkannt werden - Barner zeigte sich zuversichtlich, dass man von dort "grünes Licht" erhalte.

Kodex kompatibel mit ärztlichem Berufsrecht

Auch die Ärzteschaft begrüßt die Gründung des neuen Vereins. Die von den VFA-Mitgliedsunternehmen beschlossenen Verhaltensstandards stimmen mit der Musterberufsordnung der Ärzte überein, die auf dem Ärztetag im vergangenen Jahr grundlegend novelliert wurde. Ingo Flenker, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe und Vorsitzender des Ausschusses "Berufsordnung" der Bundesärztekammer, betonte ebenfalls, dass eine Zusammenarbeit von Ärzten und Industrie notwendig und erforderlich sei.

Stelle man sie in Frage, gefährde dies den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland und ließe die Patientenversorgung stagnieren. Damit angesichts der wiederkehrenden Kritik an dieser Zusammenarbeit das Ansehen der Ärzteschaft nicht in Verruf gerate, müssten "klare Regeln für ein konstruktives Miteinander aufgestellt werden", so Flenker.

Staatssekretär begrüßt Initiative

Der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Klaus Theo Schröder, bewertet die Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle ebenfalls positiv: Durch die Bereitschaft der Industrie, diese einzuführen, könne auf weitergehende gesetzliche Regelungen verzichtet werden. "Ich erwarte, dass sich die freiwilligen Vereinbarungen als wirksame Ergänzung der staatlichen Sanktionen erweisen". Er bedauerte, dass sich bislang nur VFA-Mitglieder dem Verein angeschlossen haben – obwohl auch anderen Pharmaunternehmen die Mitgliedschaft im Verein angeboten wurde.

Verhalten reagierten hingegen die Krankenkassen: Der Sprecher des Bundesverbands der Betriebskrankenkassen Florian Lanz erklärte, man werde den Verein "mit Skepsis beobachten". Seine Gründung dokumentiere aber immerhin ein "gewachsenes Problembewusst-sein".

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