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Schlimme Zeiten können uns bevorstehen, wenn das eintritt, was die Sempora-Studie zu Tage brachte (siehe unsere Montagsausgabe vom 27. Oktober): Die Mehrheit (65%) der in der Studie befragten Apothekerinnen und Apotheker plant, die OTC-Preise um 10% herabzusetzen, größere Apotheken (über 1,75 Mio. Euro Umsatz) wollen dabei noch preisaggressiver vorgehen. Aus Sicht der Beratungsfirma, die die Studie durchführte, ergibt sich dadurch ein "kritisches Szenario". Ich meine, das kann für die eine oder andere Apotheke nicht nur "kritisch" werden, sondern sogar fatal, bis hin zur Betriebsschließung. Denn, Experten habe es vorgerechnet: die Betriebskosten der Apotheke werden in Zukunft gerade mal so aus den GKV-Umsätzen (Honorarmodell) erwirtschaftet, der Gewinn für die Apotheke und das Unternehmereinkommen resultieren aus dem OTC-Geschäft. Also, alles was in diesem Bereich weniger erwirtschaftet wird, geht voll zu Lasten des Einkommens.

Ziel der "preisaktiven" Apotheker ist es, bekannte Marken-OTC-Präparate billiger anzubieten, damit dem Kunden suggeriert wird, er kaufe in einer preisgünstigen Apotheke ein. Doch jeder Cent, der im OTC-Geschäft nachgelassen wird, muss durch die Menge kompensiert werden – und das ist mühsam. Wer solche Überlegungen hat, sollte sich auch vergegenwärtigen, dass ein Arzneimittel nicht gekauft wird, weil es gerade billig ist, sondern weil es akut gebraucht wird. Warum also günstiger abgeben als es nötig ist?

Die Industrie wird, wie zu hören ist, für ihre Produkte Preisempfehlungen ausgeben, die in etwa auf dem heutigen Niveau liegen. Sie hat kein Interesse daran, dass ihre Markenprodukte billig verramscht werden. Die Apotheker, die dem – gelinde gesagt – Discountgedanken nacheifern, werden von der Industrie höhere Rabatte verlangen, um die Preisaktionen finanzieren zu können. Doch die Industrie wird hier kaum mitziehen. Man wolle, so die Industrie, das Preisverhalten der Apotheker antizipieren und die OTC-Preise proaktiv managen. Das heißt für mich: Rabatte für diese Marken-OTCs sind nicht drin. So hat auch schon die eine oder andere Firma angekündigt, keine Rabatte auf Direktbestellungen zu geben, wenn sich die Präparate dann weit unter dem empfohlenen VK im Apothekenregal wiederfinden.

Warum Preissenkungen ohne Not? Die Kunden haben sich an die gegenwärtigen Preise gewöhnt, sie erwarten keine Discountpreise für Markenarzneimittel. Außerdem ist es dem Image der Ware Arzneimittel abträglich, wenn hier Sonderangebots- oder Aktionspreise auftauchen. Nicht zuletzt würden diejenigen, die die Arzneimittelpreise senken, die Prophezeiungen des Ministeriums erfüllen, das einen Wettbewerb in diesem Bereich erhofft.

Was aus der Studie auch hervorgeht: Immerhin wissen weit mehr als die Hälfte (83%) der befragten Apotheker, dass aus niedrigeren OTC-Preisen keine höheren Umsätze resultieren und dass mit Preisreduktionen bei OTC-Präparaten keine Kunden gewonnen werden können (darüber sind sich 62% im Klaren). Und trotzdem wollen 77% ihre Preisaktivitäten verstärken – ein deutlicher Widerspruch, aus dem ich noch erhebliche Unsicherheiten ablese, wie mit der neuen Freiheit umgegangen werden soll. Für mich ergibt sich aus solchen Überlegungen: Wir sollten versuchen, die Preise so lange wie möglich stabil auf dem heutigen Niveau zu halten oder die normalen Preiserhöhungen durchführen. Wenn die Preise unten sind, lassen sie sich später kaum noch anheben. Das befürchtete Szenario ließe sich wohl nur durch Besonnenheit und Vernunft aller verhindern. Denn sobald einer den Preiskrieg mit Dumpingpreisen beginnt, werden andere versuchen, mitzuziehen oder diese Apotheke sogar zu unterbieten.

Schlimme Zeiten sind uns entstanden durch das Vorpreschen von aponet als Zustelldienst und die Werbung dafür. In der Tagespresse führten die Freischaltung von aponet als Zustelldienst, die Abmahnaktion sowie die dadurch juristisch notwendig gewordene Deaktivierung des Dienstes zu Schlagzeilen wie "Apotheker darf kein Bote sein" und ähnliche. Oder es werden Versand und erlaubte Zustellung vermischt ("erst sträubte sich der Apothekerverband ABDA mit Händen und Füßen gegen Versandapotheken, dann konnte es ihr nicht schnell genug gehen ...") Es ist ärgerlich, dass durch den juristisch nicht abgesicherten Schnellschuss der ABDA der Bringservice der Apotheken in Verruf geraten ist. Den Bürgern wird durch Zeitungsberichte, in denen die Feinheiten dieses Rechtsstreites nicht exakt dargestellt werden (verboten ist nämlich die Werbung im Internet für den Zustelldienst, nicht der Dienst selbst), eingeredet, der Zustelldienst sei nicht mehr erlaubt; jetzt hofft der eine oder andere erst recht auf die Versandapotheke. Die vorschnelle nicht durchdachte Aktion der ABDA war also kontraproduktiv und der Sache nicht förderlich.

Schöne Zeiten: das Thema Gesundheit ist und wird immer wichtiger. Das haben auch die großen Publikumsverlage erkannt und versuchen sich mit Gesundheitsspecials zu überbieten. Mittlerweile hat der Axel Springer Verlag seine zweite Ausgabe von BILDGesundheit herausgebracht (mit CD "Abnehmen ohne Diät"), der Gruner und Jahr Verlag hält dagegen mit seiner zweiten Ausgabe von stern spezial Gesund Leben mit den Themenschwerpunkten Fitness und Medizin sowie Wellness. Weitere Ausgaben sind geplant. Für mich bedeutet das: für die Bevölkerung sind Gesundheitsthemen immens wichtig. Der Gesundheitsmarkt ist und bleibt ein großer und wichtiger Markt. Wenn wir Apothekerinnen und Apotheker uns nicht selbst bekriegen, dann können wir an dem Wachstumsmarkt der Zukunft teilhaben. Auf schönere Zeiten ...

Peter Ditzel

Schlimme Zeiten – schöne Zeiten

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