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Die Taler-Manie grassiert nicht nur in Duisburg (siehe meinen Kommentar "Taler, Taler, du musst wandern ..." in der AZ vom 2. Februar), auch in anderen Städten haben sich Apothekerinnen und Apotheker, die sich für besonders marketingaktiv und "wettbewerbsfreudig" halten, dazu verleiten lassen, ihren Kunden Taler in die Hand zu drücken (oder besser nachzuwerfen?), wenn sie Waren über einem bestimmten Einkaufswert erstehen, wenn sie aus anderen Stadtteilen kommen, Nachlieferungen abholen müssen oder eine Reklamation haben.

Wie beschrieben können die Taler gegen Nippes in der Apotheke eingetauscht oder bei Kooperationspartnern – und dazu gehören z. B. Metzger, Hamburger- und Frittenbuden oder auch Tankstellen – eingelöst werden. Ein bestimmtes Kundenklientel scheint, wie Taler-Apotheken glauben, ein solches "Zugabewesen" zu mögen. Apotheken versuchen mit diesen profanen Aktionen, ihren Mitwettbewerbern die Kundschaft abzujagen. Das wiederum provoziert bei einigen Apotheken, die solche Talergeschäfte nicht mitmachen, Gegenreaktionen: sie holen sich ihre Anregungen für Marketingstrategien aus dem Einzelhandel und Gastronomiegewerbe.

Da wird dann angekündigt, dass man "Faschingspreise" fürs gesamte Sortiment (außer verschreibungspflichtige Arzneimittel) hat – Faschingspreise heißt: alles 10 (!) Prozent günstiger. Oder, wie in Berlin gesehen, Apotheken veranstalten wie Bars die "Happy Hour": jeden Tag zwischen 18 und 20 Uhr gibt es bestimmte Waren billiger. Taler-, Faschings- und Happy-Hour-Apotheken – hat sich unsere Regierung den Wettbewerb unter Apotheken so vorgestellt? Ist das gemeint, wenn von mehr Wettbewerb und Liberalisierung die Rede ist? Wohl kaum. Selbst wenn Marketingaktionen solchen Zuschnitts rein rechtlich gesehen nicht beanstandet werden können – das Bild, das sie der Öffentlichkeit und der Politik vermitteln, ist für mich eine Katastrophe.

Jeder kann sich ausrechnen, dass Taler- und sonstige Aktionen einer Apotheke erstmal richtig Geld kosten: sie müssen säckeweise Taler kaufen und in ihren Kellern lagern, sie müssen den Tüttelkram kaufen, den sie für die Taler einlösen, und sie müssen Werbung mit Flyern oder Zeitungsanzeigen für ihre Aktion machen. Das läppert sich zusammen. Genauso kostet es Geld, das Sortiment um 10 Prozent zu reduzieren – Betriebswirtschaftler haben oft genug vorgerechnet, dass ein Vielfaches an Umsatz erwirtschaftet werden muss, um Preissenkungen aufzufangen. Die Annahme, dass der durch die Preissenkungen ausgelöste stärkere Zustrom an Kunden den Mehrumsatz und Mehrgewinn bringt, geht in aller Regel nicht auf.

Könnte sich da nicht der eine oder andere Politiker fragen: wenn Apotheken unter dem GMG solche Aktionen fahren können, scheint da nicht doch noch zuviel Geld im System zu sein? Besteht da nicht auch die Gefahr, dass die Forderung nach einer Liberalisierung der Apothekenpflicht kommt? Wenn das OTC-Geschäft eh nur merkantil gesehen wird und die Beratung zu kurz kommt, warum sollen dann die OTCs nicht auch im Supermarkt oder an Tankstellen erhältlich sein?

Doch das ist nur die eine Seite. Langfristig wiegt für mich der Imageverlust, den die Pharmazie, die Apotheke dadurch erleidet, fast noch schlimmer. Wenn das Bild der Apotheke nach außen dadurch geprägt wird, welche und wie viele Taler und Rabatte gegeben werden, dann hat das nichts mehr mit Pharmazie und Heilberuf zu tun, sondern mit Discount und Krämer. Hätte ich letzteres werden wollen, hätte ich mir das aufwändige Pharmaziestudium sparen können, wäre zu Aldi, Lidl und Schlecker und Co gegangen, wäre Filial- oder Gebietsleiter geworden und könnte mich mit Marketingaktionen und Billigpreisen austoben (wobei man dort noch nie eine Zugabe, geschweige denn Taler bekommen hat; warum wohl?).

Man muss sich also tatsächlich die Frage stellen: Apotheke, wohin geht's? Eher in Richtung Pharmakaufmann mit Logistik pur, Massengeschäft und Kapitalgesellschaft oder in Richtung ökonomische Pharmazie mit der pharmazeutischen Versorgung und der Individualapotheke? Wie denken Sie darüber? Diskutieren Sie mit!

Damit die Pharmazie nicht zu kurz kommt: Werfen Sie doch einen Blick in unseren Fortbildungsteil. Wir haben für Sie das Wichtigste vom Davoser Fortbildungskongress der Bundesapothekerkammer zusammengetragen und aufbereitet. Im Mittelpunkt stand der Urogenitaltrakt, Erkrankungen und Therapien. Viel Spaß bei der Fortbildung.

Peter Ditzel

Apotheke zwischen Talern und neuem Leitbild

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