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aponet.de – das "offizielle Gesundheitsportal" der ABDA hat seine teilnehmenden Apotheken zum Rechtsbruch verleitet. Die aponet-Apotheken erhielten in dieser Woche Post von Rechtsanwalt Günzler, der auf den Rechtsbruch aufmerksam macht und seine Kostennote von 620,02 Euro einfordert.

Hintergrund: Apotheker Frensemeyer hat gegen die ABDA-Werbung mit dem Zustelldienst geklagt, das Landgericht Baden-Baden hat den aponet-Zustelldienst daraufhin vorerst gestoppt. Demnach darf die ABDA bis zum Jahresende nicht mehr damit werben, dass über www.aponet.de bestellte Arzneimittel von der Apotheke generell nach Hause gebracht werden, es sei denn, der berühmte "begründete Einzelfall" laut Apothekenbetriebsordnung liegt vor.

Die vollmundige Ankündigung vom Apothekertag (aponet als Zustellsystem) hat sich damit erst mal erledigt. Die ABDA wollte mit dieser Aktion der Öffentlichkeit eine Alternative zum Versandhandel schmackhaft machen – was zunächst auch für einige Schlagzeilen in der Presse sorgte. Doch diese Aktion konnte dem gültigen Recht nicht standhalten (wir haben bereits in unseren Kommentaren nach dem Apothekertag darauf hingewiesen).

Noch gilt die Apothekenbetriebsordnung, die eine generelle Zustellung von Arzneimitteln per Boten von der Apotheke zum Kunden nicht erlaubt, es sei denn, ein begründeter Einzelfall liegt vor (z. B. Gehunfähigkeit des Patienten). Zwar wird diese Bestimmung von Apotheken bisher großzügig ausgelegt und viele Apotheken weisen auf ihren Bringdienst als Kundenservice hin – offiziell geworben werden durfte dafür aber nicht.

Mit der aponet-Ankündigung lehnte sich die ABDA zu weit aus dem Fenster, wenngleich sie Zuspruch von Seiten der Regierung erhielt (Zitat der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Marion Caspers-Merck: Diese noch rechtswidrige Praxis toleriere man gerne). Lesen Sie unseren Kommentar dazu (Seite 18).

Voraus zu sehen war auch, dass die Krankenkassen das neue Honorarmodell der Apotheker kritisieren, wie auf der Pressekonferenz des BKK-Bundesverbands in der vergangenen Woche geschehen. Dessen Vorstandsvorsitzender Schmeinck sprach sogar von einem Goldregen, der über die Apotheken herunterkomme. Wo er diesen Regen angesichts der verordneten Sparzwänge ausmachen will, ist mir schleierhaft. Lieber Herr Schmeinck, nicht alles, was glänzt, ist Gold! Vielleicht sollte er sich einmal die Zahlen und Prognosen von unabhängigen Wirtschaftsinstituten vorrechnen lassen. Der Gewinn vom Umsatz mit der GKV reicht gerade mal für Betriebskosten und das Personal, der Gewinn des Apothekenleiters kommt in Zukunft aus dem OTC-Geschäft und den Privatrezepten. Und gerade im OTC-Bereich soll und wird in Zukunft Wettbewerb herrschen. Große Gewinne sind auch da nicht zu realisieren. Wo bitte sollen dann die "Milliarden für die Apotheken" herkommen?

Was die Kassenfunktionäre nicht voraussehen wollen, aber sicher eintreten wird: die Ärzte werden OTC-Arzneimittel, die sie nicht mehr zu Lasten der GKV verordnen dürfen, zum Teil durch verschreibungspflichtige Arzneimittel ersetzen (müssen). Allein die Regelung an sich, den Erstattungsstatus an der (Nicht-)Verschreibungspflicht fest zu machen, ist ein Irrsinn. Ob ein Arzneimittel OTC-Status hat oder verschreibungspflichtig ist, hängt in erster Linie von seinem Nebenwirkungspotenzial ab. Nur weil ein Präparat ein geringes Nebenwirkungsspektrum aufweist, muss es der Patient in Zukunft aus der eigenen Tasche zahlen – wie verrückt ist diese Politik eigentlich? Das wird dann auch dazu führen, dass Arzneihersteller in Zukunft alles nur Erdenkliche tun werden, um ihr Präparat in der Verschreibungspflicht zu halten. Ein Switch zu OTC kommt nicht mehr in Frage.

Und wenn man weiß, dass dieser Regelung einfach ein Deal in den Konsensgesprächen zugrunde lag (wir verzichten auf die Positivliste, dafür werden OTC-Arzneimittel von der Erstattung ausgeschlossen), dann wird einem klar, dass da "wahre Experten" am Werk gewesen sein müssen. Ausbaden müssen es Patienten, Ärzte, Apotheker und die Industrie. Eingespart wird wohl nichts, da es zu Substitutionseffekten kommen wird. Vor dem therapeutischen Hintergrund kann sich eine Substitution sogar nachteilig auswirken: es werden z. T. stärkere und mit mehr Nebenwirkungen behaftete Arzneimittel verordnet als es eigentlich nötig wäre. Lesen Sie hierzu auch die "Außenansicht" von Professor Heilmann auf Seite 30, der feststellt, dass mit dieser Regelung nun auch die Zwei-Klassen-Medizin die Medikamente erreicht hat.

Auch das war voraus zu sehen: Ärzte protestierten in den letzten Tagen massiv gegen die Praxisgebühr von zehn Euro, die sie von den GKV-Versicherten einziehen sollen. "Kampf der Praxisgebühr", "Ärzte sind doch keine Hausierer!" heißt es in der Ärztezeitung Medical Tribune, und "Wehrt Euch, Hausärzte!". "In der eigenen Praxis auf eigene Kosten für die Kassen Geld kassieren ..." – damit können und wollen die Ärzte nichts zu tun haben.

Seltsam, wir Apotheker spielen schon seit Jahren die Inkassostelle für die Kassen, klären Patienten über die sich immer wieder ändernden Zuzahlungsregelungen auf, ziehen uns den Unmut der Patienten zu und sind in diesem Jahr sogar Inkassostelle für den Rabatt der Industrie und des Großhandels. Einen lauten Protest von Seiten unserer Berufsvertretung und Verbände habe ich nie vernommen. Was läuft da eigentlich bei uns falsch?

Peter Ditzel

Das war voraus zu sehen ...

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