GKV-Modernisierungsgesetz: Konsensparteien verteidigen Gesundheitsreform im Bund

Berlin (ks). Das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) ist auf den parlamentarischen Weg gebracht: Am 9. September fand im Bundestag die erste Lesung statt. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und Unions-Fraktionsvize Horst Seehofer verteidigten den gefundenen Kompromiss. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP Dieter Thomae kritisierte das Reformvorhaben hingegen scharf. Fand wenig wohlwollende Worte zur Gesundheitsreform: Dieter Thomae, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP.

Schmidt sprach von einem "für alle annehmbaren Kompromiss": Es gebe keinen Grund für Euphorie, aber auch keinen Grund, ihn "klein zu reden". Die Ministerin bedauerte, "dass die FDP kurzfristig nicht der Versuchung widerstehen konnte, Klientelpolitik vor das Gemeinwohl zu setzen". Warum die FDP-Führung Internetapotheken, die Aufhebung des Mehrbesitzverbots für Apotheken und die Lockerung des Vertragsmonopols der Kassenärztlichen Vereinigungen bei der ambulanten ärztlichen Versorgung ablehne, sei ihr "unverständlich".

Schmidt betonte, dass der Gesetzentwurf Versicherte und Patienten nicht einseitig belaste: "Pharmazeutische Industrie, Großhandel und Apotheker haben schon im Zusammenhang mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz einen erheblichen Beitrag geleistet und werden ihn auch zu dieser Reform leisten". Es dürfe nicht vergessen werden, dass das Gesundheitswesen ein entscheidender Wirtschaftsfaktor ist: Seine 4,2 Mio. Beschäftigten hätten einen Anspruch auf angemessene Bezahlung und sichere Arbeitsplätze, so die Ministerin. Wenngleich sich die Koalitionsfraktionen mehr Wettbewerb gewünscht hätten, würden mit der Reform doch "entscheidende Weichen für umfassende strukturelle Erneuerungen" gestellt.

Seehofer: Kompromiss war einmaliger Ausnahmefall

Seehofer lobte den Konsens ebenfalls. Der Gesetzentwurf enthalte mehr Strukturelemente, als es in der öffentlichen Diskussion gelegentlich zum Ausdruck komme. Er machte jedoch auch deutlich, dass das primäre Problem der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) die Finanzierung sei - nicht die Versorgungsqualität. Bei aller Konsensbereitschaft könne er Rot-Grün "die Feststellung nicht ersparen, dass die Finanzierungskrise in der GKV in den letzten Jahren politisch verschuldet worden ist".

Seehofer betonte weiterhin, dass das Ziel der Beitragssenkung auf Dauer nur gelingen werde, wenn es zu positiven Impulsen für Wachstum und Beschäftigung und damit zu mehr Beitragszahlern und Einnahmen für die GKV komme. Der CSU-Gesundheitsexperte erklärte zudem, dass der Kompromiss einmalig war und einer Notsituation entsprang - künftig seien Gesetzgebungsverfahren wieder auf dem normalen parlamentarischen Weg durchzuführen.

Bender: Wettbewerb reduziert, aber nicht eliminiert

Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen Biggi Bender verteidigte den Kompromiss: Die Reform werde allen Akteuren größere Chancen für Strukturveränderungen bieten als jede Gesundheitsreform zuvor. Zusammenarbeit werde möglich und gefördert, so etwa bei den geplanten Gesundheitszentren und der integrierten Versorgung. Der Konsens weist Bender zufolge aber auch Defizite auf. Der Wettbewerb unter den Leistungserbringern ist im neuen GMG nicht so zum Tragen gekommen, wie es sich die Grünen gewünscht hätten.

Allerdings: der Wettbewerbsgedanke sei im vorliegenden Gesetzentwurf zwar stark "reduziert, aber nicht eliminiert" worden. So sei es in der Arzneimitteldistribution gelungen, mit der - wenngleich begrenzten - Aufhebung des Mehrbesitzverbotes bei Apotheken, der Zulassung des Arzneimittelversandhandels und der Preisfreigabe für verschreibungsfreie Arzneimittel wichtige Wettbewerbselemente einzuführen.

Weniger wohlwollende Worte fand der FDP-Gesundheitsexperte Thomae. So zeige der Gesetzentwurf eine Diskriminierung der Leistungserbringer in allen Bereichen auf. Zudem laufe er weiterhin in Richtung Planwirtschaft und Kostendämpfung. Wenn die Konsensparteien von der Förderung des Wettbewerbs redeten, verstünden sie darunter nur, die Macht der Krankenkassen zu stärken und ihnen eine monopolartige Stellung zu übertragen. Thomae kritisierte, dass im Zusammenhang mit dem Arzneimittel-Versandhandel von "fairem Wettbewerb" gesprochen werde. Genau dies sei nicht gegeben, denn es gelten unterschiedliche Mehrwertsteuersätze, unterschiedliche Zuzahlungen und Öffnungszeiten. Thomae betonte, dass es kein Land gebe, das bei Arzneimitteln den Versandhandel über die Landesgrenzen hinweg zulasse. Er warnte vor einem künftigen Versand von Medikamenten aus Polen und Tschechien nach Deutschland: "Dann möchte ich sehen, wie Sie die Leistungen sicherstellen wollen".

Die Liberalen brachten parallel zum Gesetzentwurf von Union, SPD und Grünen einen eigenen Antrag mit dem Titel "Zukunft gestalten statt Krankheit verwalten" ein. Auch hierin heißt es, dass es mit dem GMG-Entwurf nicht gelungen sei, den in den Eckpunkten vorgesehenen Grundsatz der gleichen Bedingungen für niedergelassene und Versandapotheken, konsequent umzusetzen: Ausländische Apotheken würden nicht daran gehindert werden können, ihre Arbeit unter den für sie jeweils gültigen nationalen Regelungen zu erbringen, die nicht immer den deutschen Sicherheitsstandards entsprechen. Beim Mehrbesitz werde sich zeigen, ob sich die zahlenmäßige Begrenzung halten könne. Zu befürchten sei, dass hier ein Einfallstor für die Entstehung kapitalkräftiger Apothekenketten gegeben ist. Dies beinhalte die Gefahr, "dass es den die umfangreiche flächendeckende pharmakotherapeutische Betreuung des Patienten sicherstellenden Apotheker nicht mehr geben wird".

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