Negative Folgen des BSSichG: Rendite im Keller

Bonn (im). Nach Ablauf des Januars, des ersten Monats, in dem das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) mit den neuen Zwangsrabatten galt, melden Apothekerverbände eine gravierende Verschlechterung der Apothekenrendite. Zugleich weisen ApothekenleiterInnen und ihre Mitarbeiter im Rahmen von Aktionstagen - zum Beispiel mehr als 500 am 5. März in Kiel - Bevölkerung und Politik auf die negativen Folgen hin. Aus Brandenburg wurde in der vergangenen Woche bekannt, dass dort mehr als zwei Drittel der Apothekenleiter Entlassungen plant.

Über die Teilnehmerzahl auf dem Aktionstag am 5. März in Kiel zeigte sich Dr. Peter Froese, Vorsitzender des schleswig-holsteinischen Apothekerverbands, gegenüber der Apotheker Zeitung sehr zufrieden. Das Ziel, sich zum richtigen Zeitpunkt laut zu äußern und Position zu beziehen, sei erreicht worden, meinte Froese, dessen Verband 722 ApothekenleiterInnen vertritt. Kurz vor einer neuen Gesundheitsreform sei die Dialogbereitschaft der Politiker vorhanden, zudem habe man mit den Januarzahlen Fakten zu dem "unausgegorenen und unsauber formulierten Gesetz" vorgelegt, so der Chef des Apothekerverbands.

Verbandsgeschäftsführer Dr. Thomas Friedrich hob das Gesprächsangebot hervor, das Staatssekretär Horst-Dieter Fischer vom Landesgesundheitsministerium den Apotheken zusicherte. So habe die Landesregierung Verständnis über die wirtschaftliche Betroffenheit der Apotheken geäußert und signalisiert, sie suche das Gespräch mit den Pharmazeuten über die künftige Gesundheitsreform 2003.

Murren gegen 2003er Reform

Unmut wurde allerdings bei Fischers Ankündigung der Liberalisierung des Arzneimittelvertriebs sowie der Lockerung des Mehrbesitzverbots von Apotheken geäußert, wobei es hier von Seiten des Staatssekretärs bei Schlagworten blieb. Wie Friedrich sagte, haben die KollegInnen in Kiel darüber hinaus aufmerksam das Bekenntnis der Landtagsabgeordneten Uwe Greve und Werner Kalinka (beide CDU) gegen die Aufhebung des Mehrbesitzverbots vernommen. Die FDP-Abgeordnete Veronika Kolb wandte sich laut Friedrich gegen einseitige Belastungen durch das Beitragssatzsicherungsgesetzes.

Hohe Ertragsverluste

In Schleswig-Holstein werden die Einkommensverluste auf rund 37 Prozent für die Apothekenleiter geschätzt. Bei einer durchschnittlichen Apotheke (70 Prozent Anteil gesetzliche Krankenversicherung, GKV) sei im Januar 2003 gemessen zum Januar 2002 der GKV-Umsatz um 4,9 Prozent gesunken, der Rohgewinn sei um 11,4 Prozent eingebrochen, so die in Kiel präsentierten Zahlen der Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover. Nach Angaben des Vorsitzenden des Landesapothekerverbands Dr. Peter Froese haben die Abrechnungsdaten für den Monat Januar den Trend in Richtung existenzbedrohender Gesamtbelastung wie zuvor prognostiziert bestätigt. Die erneute Anhebung des Kassenrabatts innerhalb eines Jahres auf durchschnittlich 8,2 Prozent sei kaum zu verkraften. Auch in Schleswig-Holstein wird die fast vollständige Überwälzung des Großhandelsabschlags auf die Offizinen beklagt.

Der Chef des LAV bemängelte den enormen Umsetzungsaufwand durch den kompletten Umbau der Abrechnung durch das neue Gesetz und kritisierte, dass die Belastungen, auch wenn sie für andere Marktpartner gedacht waren, direkt oder indirekt alle bei der Apotheke landeten. Mit rund 83 Prozent seien die Offizinen überproportional von den gezahlten Rabatten im Januar 2003 (gemessen am Januar 2002) betroffen gewesen, mit 15 Prozent bleibe der Anteil der Industrie und der des Großhandels (2 Prozent) weit dahinter. Damit sei die negative Prognose des Verbands noch übertroffen worden. Froese schätzte die Mehr-Belastungen einer jeden Apotheke in Schleswig-Holstein auf rund 61428 Euro pro Jahr, mithin viel höher als die von der Bundesgesundheitsministerin geschätzte Zahl von offiziell 16700 Euro. Der Vergleich mit Echtzahlen des Januars 2003 (sechs Prozent Kassenzwangsrabatt) mit dem des Vorjahresmonats (fünf Prozent Kassenzwangsrabatt) habe eine Belastung von 9700 Euro pro Apotheke ergeben.

In Schleswig-Holstein hat die große Mehrheit der 191 Apothekenleiter, die sich an einer Umfrage beteiligten, Entlassungen oder Stundenreduktionen der Mitarbeiter genannt. Froese forderte von der Politik die Aufhebung der "erdrosselnden" Paragraphen des Beitragssatzsicherungsgesetzes und bot den Ausbau der wohnortnahen Arzneimittelversorgung mittels Hausapotheke verbunden mit einer Neugestaltung der Arzneimittelpreisverordnung mit einer gestärkten neutralen Beratungsfunktion der Pharmazeuten als Alternative an.

Phagro: Gesetz muss weg

Auch aus Sicht der pharmazeutischen Großhändler bringt das Beitragssatzsicherungsgesetz unverhältnismäßig hohe Belastungen für Apotheken und Großhandlungen, vertrat Lothar-Joachim Jenne, Vorsitzender des Verbands Phagro, und gehöre daher abgeschafft. Wie Jenne in Kiel sagte, kann der Großhandel nicht den dreiprozentigen Abschlag zahlen. Da sich die Handelsspanne seiner Branche auf 2,6 Milliarden Euro belaufe, nach Abzug von Rabatten und Kosten aber nur 0,2 Milliarden Euro an Gewinn den Großhandlungen verblieben, könnten diese nicht davon 0,6 Milliarden Euro an Abschlag tragen. Entgegen anderslautenden Beteuerungen der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium Marion Caspers-Merk hätten weder Phagro noch seine Mitgliedsunternehmen die Übernahme der 0,6 Milliarden Euro als Sparbeitrag zugesichert. Jenne verwies auf den Gesetzestext, welcher eben nicht von einer "zusätzlichen" Rabattgewährung der pharmazeutischen Großhandlungen spreche.

Auch Aktion in Bayern

Auch in Bayern will der Apothekerverband laut Geschäftsführer Dr. Stefan Weber öffentlich mit aktuellen Abrechnungszahlen auf die sich verschlechternde wirtschaftliche Situation hinweisen. Im südlichen Bundesland sollen am 14. März das Beitragssatzsicherungsgesetz mit den aktuellen Auswirkungen auf die Offizinen sowie die geplante Gesundheitsreform in den Fokus rücken.

Nordrhein: Existenzbedrohend

Dass dieses Gesetz von Ministerin Ulla Schmidt (SPD) zum Teil existenzbedrohende Einbußen verursacht, meldete zum Beispiel der Apothekerverband Nordrhein. "Die Auswertungen der Apothekenrechenzentren bestätigen unsere schlimmsten Befürchtungen", sagte Thomas Preis, Vorsitzender des Verbands, am 26. Februar in Düsseldorf. Trotz eines um 3,6 Prozent höheren Leistungsumfangs gegenüber den Krankenkassen hätten die nordrheinischen Apotheken im Januar durchschnittlich 4,6 Prozent des Umsatzes an Rohertrag und damit fast die Hälfte ihres Einkommens vor Steuern verloren.

Durchreichen des Großhandelsrabatts

Im Ergebnis hätten die Offizinen den Kassen einen gegenüber dem Vorjahresmonat um 110 Prozent erhöhten Rabatt gewährt. Preis forderte die Rücknahme des Rabatts des Großhandels oder zumindest eine Regelung, dass der Großhandel diesen Abschlag selbst trage. Faktisch hätten die Kollegen in Nordrhein zu ihrem eigenen Rabatt auch den des Großhandels übernehmen müssen.

Hamburg: Hohe Renditeverluste

Von tiefen Einschnitten im Wirtschaftsbetrieb Apotheke berichtete auch Dr. Jörn Graue vom Hamburger Apothekerverein gegenüber der Deutschen Apotheker Zeitung. Der Vorsitzende bezifferte die jüngste Rabatterhöhung der Krankenkassen zu Lasten der Hamburger Kollegen auf 2,2 Prozent, zu denen die Weitergabe des dreiprozentigen Rabatts des pharmazeutischen Großhandels komme, was die Rendite ebenfalls um zusätzlich zwei Prozent vermindere, so dass sich insgesamt ein Renditeverlust in den Apotheken um 4,2 Prozentpunkte ergeben habe. Wie der hamburgische Verbandschef sagte, werden die Apotheken mit dem Großhandelsabschlag belastet, "trotz gegenteiliger Beteuerungen von Frau Caspers-Merk". Die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesgesundheitsministeriums vertritt offiziell die Position, der Großhandel sei zu seinem Abschlag per Gesetz verpflichtet worden und man erwarte, dass er seinen Sparbeitrag leiste (siehe DAZ Nr. 9, S. 928).

Wie Graue weiter sagte, seien die erheblichen Verluste, die der Verband im Vorfeld durch Simulationen hochgerechnet habe, so wie prognostiziert eingetreten. In der Hansestadt hätten die meisten Leiterinnen und Leiter Anträge auf Reduzierung der Einkommensteuer- und Gewerbesteuer -Vorauszahlung gestellt, welche das Finanzamt auch ausnahmslos gebilligt habe.

Westfalen-Lippe: Schließungen

Ebenfalls scharfen Widerstand hat der Apothekerverband Westfalen-Lippe angekündigt. Der Verband hat Gespräche in den kommenden Wochen mit Patienten, Politik und Öffentlichkeit wegen der schädlichen Folgen der Gesundheitspolitik angekündigt. Einem erheblichen Teil der derzeit 2246 westfälisch-lippischen Apotheken drohe durch das Beitragssatzsicherungsgesetz wirtschaftlicher Ruin. Die aktuelle Abrechnung habe vielen Apothekern mit erschreckender Deutlichkeit vermittelt, wie dieses Gesetz der rotgrünen Koalition die Apothekenrendite "zerstört" habe, heißt es in einer am 27. Februar in Münster veröffentlichten Erklärung.

"Zum ersten Mal seit Bestehen des Apothekerverbands Westfalen-Lippe rechnen wir damit, dass Mitglieder nicht nur in extremen Einzelfällen ihre Apotheken schließen müssen", so Dr. Horst-Lothar Müller, Vorsitzender des Verbands. Seinen Worten zufolge bedeuten die jüngsten Pläne der Bundesgesundheitsministerin zu einer neuen Reform das Aus für die bisherige bewährte Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Der Bevölkerung müsse klar gemacht werden, dass die individuelle Apotheke durch ein unpersönliches, rein profitorientiertes Filialregiment ersetzt und das sensible Thema Patient und Medikament "hard-selling Konzepten" ausgeliefert werden solle.

Die Pläne von Ulla Schmidt bedeuteten den Ersatz der privatwirtschaftlich geführten Einzelapotheke durch anonyme Kapitalgesellschaften. Die Gesundheitsministerin wolle den Versandhandel sowie Kettenapotheken, obwohl beide Systeme weder Kosten reduzierten noch Qualität steigerten. Wie Müller weiter sagte, sähen sich die Pharmazeuten in einem Bündnis mit den Patienten, welche noch vor wenigen Monaten mit 7,7 Millionen Unterschriften bundesweit für den Erhalt der heutigen Arzneiversorgung protestiert hätten.

Brandenburg: Entlassungen geplant

Eine aktuelle Umfrage aus Brandenburg verdeutlichte die angespannte Situation in den Offizinen. 62 Prozent der befragten Leiter planten bis zum Ende des ersten Quartals Entlassungen, meldete Dr. Andrea Lorenz, Vorsitzende des Landesapothekerverbands zur Wochenmitte. Fast jeder zweite Leiter stelle Investitionen zurück, in fast 46 Prozent der Apotheken werde die Verkleinerung des Warenlagers geplant. Nach Angaben von Lorenz haben sich rund 30 Prozent der brandenburgischen Apotheken beteiligt.

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