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Pharmagroßhandel: Ungerechtfertigtes Sonderopfer der Apotheken und Großhändle

BONN (im). Der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) lehnt das Vorschaltgesetz der Bundesgesundheitsministerin als völlig ungerechtfertigtes Sonderopfer der Apotheken und Großhandlungen strikt ab, es komme aufgrund seiner Dimensionen fast einer Enteignung gleich. Für den Phagro erklärte Professor Hilko Meyer am 12. November bei der Anhörung im Bundestags-Gesundheitsausschuss in Berlin, dem Kahlschlag bei der Arzneimitteldistribution stünden letztlich nur bescheidene Einsparvolumina zugunsten des Staatshaushaltes gegenüber. Für den Verband Forschender Arzneimittelhersteller machte Cornelia Yzer deutlich, dass Arbeitsplätze auch in der Industrie gefährdet seien. Die Bundesregierung füge dem Pharmastandort Deutschland schweren Schaden zu.

Zu Lasten des Patienten

Angesichts der unangemessenen Belastungen für den pharmazeutischen Großhandel verbunden mit der "unverhältnismäßig hohen Belastung der Apotheken" mit dem hier drohenden Abbau von bis zu 20 000 Arbeitsplätzen werde das Vorschaltgesetz letztlich zu Lasten der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit dem vollständigen Sortiment an Arzneimitteln gehen, davon ist Professor Hilko Meyer überzeugt.

Der Phagro schlägt erneut wie die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände die Drehung der Arzneimittelpreisverordnung vor (siehe den vorhergehenden Bericht in dieser DAZ). Dass diese konstruktiven Vorschläge einem "gesundheitspolitisch katastrophalen Aktionismus" geopfert werden sollten, sei unverständlich, führt Meyer in seiner schriftlichen Stellungnahme aus.

Nach Ansicht des Phagro ist der pharmazeutische Großhandel durch den neuen Gesetzentwurf (das "Beitragssatzsicherungsgesetz") dreifach getroffen: durch die neuen Abschläge der Großhändler an die Kassen, die erneute Erhöhung des Kassenzwangsrabatts der Apotheken sowie die geplante Einbindung für Inkassotätigkeiten bei den sechsprozentigen Rabatten, die die Hersteller künftig den Kassen gewähren sollen. Der Großhandel werde negative Folgen bei seinen Kunden, den Apotheken, wie Liquiditätsengpässe bis hin zu Insolvenzen spüren.

Zu hohe Abschläge

Die geplanten Abschläge der pharmazeutischen Großhändler überstiegen den Gewinn vor Steuern des Großhandels um das Dreifache und seien völlig unangemessen, heißt es in der Phagro-Stellungnahme. Dem Großhandel werde ein Einsparvolumen von mindestens 600 Millionen Euro abverlangt, obwohl alle Pharmagroßhändler zusammen für 2002 nur ein Ergebnis von etwa 220 Millionen Euro vor Steuern (Umsatz minus Kosten) erwarteten.

Bei einer Umsatzrendite von nur 1,22 Prozent sei diese Belastung nicht aus eigenen Erträgen zu finanzieren, der pharmazeutische Großhandel werde so gezwungen, den GKV-Abschlag voll auf die Apotheken überzuwälzen, indem bisher gewährte Rabatte entsprechend gesenkt würden. Folge der Großhandel diesem Zwang, so drohe ein drastischer Kahlschlag bei den Apotheken und somit bei der flächendeckenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung.

Diese Strangulierung seiner Kunden würde der Großhandel spüren, der ohnehin harte Wettbewerb werde sich verschärfen und vor allem kleinere regionale Großhändler treffen. Irreführend sei der Gesetzentwurf, so der Phagro, da er bei der Handelsspanne auf die fiktiven Großhandelshöchstzuschläge gemäß Arzneimittelpreisverordnung abstelle, nicht jedoch auf die tatsächlich erzielten Spannen. Daher sei die Aussage falsch, dass die Handelsspannen des Großhandels in Deutschland im Vergleich zu anderen Nachbarstaaten besonders hoch seien.

Ein Systembruch

Der Bezug des Großhandelsabschlags auf den Apothekenverkaufspreis sei zudem systemwidrig, da eine Grundlage zugrunde gelegt werde, die im Geschäftsverkehr zwischen Großhandel und Apotheken keine Rolle spiele. Aufgrund der unterschiedlichen Handelsspannen gemäß Arzneimittelpreisverordnung ergäben sich von Packung zu Packung unterschiedliche Abschlagssätze für den pharmazeutischen Großhandel. Durch die Spannendegression würden die Großhandelsspannen im hochpreisigen Bereich durch die Abschläge auf den Apothekenverkaufspreis aufgezehrt, bis hin zu einer negativen Spanne – für den Phagro eindeutig ein unakzeptabler Systembruch.

Kahlschlag unter Apotheken

Die erneute Erhöhung des Apothekenabschlags und ihre Staffelung kritisiert der Phagro scharf. Sie übersteige verbunden mit der Kumulierung der Apotheken- und Großhandelsabschläge auf Apothekenebene die Belastbarkeit der öffentlichen Apotheken und führe zu einem Kahlschlag bei der Arzneimittelversorgung.

Deren Struktur, die durch wirtschaftlich unabhängige Apotheken mit pharmazeutischem Sachverstand und freiberuflicher Selbstverantwortung gekennzeichnet sei, werde so ruiniert. Verwiesen wurde hier auf die Berechnungen der Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände von 1,2 Milliarden Euro an Belastungen für die Apotheken. Da alle Abschläge über die Apothekenabrechnung abgewickelt werden sollten, sei die Liquidität der Apotheken stark gefährdet, es drohe eine große Zahl von Insolvenzen. Dies sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte der Apotheken.

Schließlich lehnt die Vertretung der Großhändler die Einbeziehung in die Abrechnung der Rabatte der pharmazeutischen Unternehmen mit den Kassen ab. So würden dem pharmazeutischen Großhandel hohe Kosten für Inkassotätigkeit aufgebürdet, die Regelung stehe im übrigen im Konflikt mit der Arzneimittelpreisverordnung, die Gesamtregelung sei verfassungsrechtlich unhaltbar.

Firmen: Wortbruch

Für die Pharmaindustrie warf Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), der Bundesregierung Wortbruch vor. Letztere habe die Zusage gegeben, 2002 und 2003 auf gesetzliche Preisregulierungen zu verzichten, jetzt werde ein Rabatt von sechs Prozent des Herstellerabgabepreises vorgesehen, zudem die Patentschutzklausel abgeschafft und patentgeschützte Arzneimittel in die Festbetragsregelung einbezogen (im 12. Gesetz zur Änderung des Fünften Sozialgesetzbuches, SGB V).

Von verlässlichen Rahmenbedingungen könne keine Rede mehr sein. Es drohe eine fatale Wirkung auf Investitionen und die Arzneimittelforschung. Die rot-grüne Koalition nehme einen erheblichen Verlust zukunftsfähiger Arbeitsplätze in Kauf.

Dem Gesetzentwurf zufolge ist ein Rabatt der Unternehmen von sechs Prozent des Herstellerabgabepreises für festbetragsfreie verschreibungspflichtige und Arzneimittel, die nicht der Aut-idem-Regelung unterfallen, geplant. Da den Unternehmen Preisanpassungen bis zum 31. Dezember 2004 unmöglich gemacht seien, stelle der Zwangsrabatt eine staatlich verordnete Preisabsenkung dar, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme zur Anhörung.

Damit greife der Gesetzgeber unmittelbar in die Preisbildung der Arzneimittelhersteller ein. Es gebe keinen anderen Industriezweig, wo der Staat direkt die Preise reglementiere. Ein Zwangsrabatt sei wirtschaftspolitisch verfehlt und besonders gegen die Marktpreisbildung von Innovationen gerichtet.

Negative Folgen

Durch den Zwangsrabatt der Unternehmen drohen nach Ansicht des VFA langfristig weitere negative Folgen. Da in zahlreichen ausländischen Staaten die deutschen Preise als Referenzpreise für die dortigen Märkte gälten, ziehe die Preissenkung in Deutschland Absenkungen im Ausland nach sich. Das Auslandsgeschäft der Pharma-Unternehmen werde daher ebenfalls unter dem Preisabschlag leiden.

Die pharmazeutische Industrie habe in diesem Jahr bereits umfangreiche Vorleistungen zur Entlastung der gesetzlichen Kassen erbracht. So seien mit Beginn des Jahres 2002 neue Festbeträge festgesetzt worden, die auf Seiten der Krankenkassen zu Einsparungen in Höhe von derzeit 230 Millionen Euro führen. Die begonnene Umsetzung der Aut-idem-Regelung werde den Kassen allein bis zum Jahresende Einsparungen von 50 Millionen Euro erbringen. Die schon vorhandenen Belastungen dürfen nicht noch weiter verschärft werden, heißt es beim VFA.

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