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Beitragssatzsicherungsgesetz: Von keiner Sachkenntnis getrübt

FRANKFURT/MAIN (aal). Auf der Bilanzpressekonferenz der Pharmagroßhandlung ANZAG am 23. Januar in Frankfurt/Main befasste sich der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, Horst Trimborn, mit Auswirkungen des Beitragssatzsicherungsgesetzes und übte scharfe Kritik.

Das Beitragssatzsicherungsgesetz vom 1. Januar 2003 und die weiteren Reformvorhaben der Regierung sollen die Spielregeln im Arzneimittelmarkt neu definieren. Hauptbetroffene des Gesetzes sind die Handelsstufen des Distributionssystems für Arzneimittel.

Die Pharmaindustrie soll den gesetzlichen Krankenkassen einen "Großkundenrabatt" von rund 400 Mio. Euro gewähren. Der Großhandel soll einen Rabatt von 3% zu Apothekenverkaufspreisen zahlen. Durch die Kappung der Apothekenspannen im hochpreisigen Segment werden die Apotheken herangezogen. So sollen im ersten Schritt allein bei den Arzneimitteln insgesamt 1,4 Mrd. Euro eingespart werden.

Die Positivliste soll dann noch einmal eine halbe Mrd. Euro pro Jahr bringen. Insgesamt muss der Arzneimittelbereich 39,1% des Sparvolumens tragen. Und das, obwohl der Anteil der Arzneimittelkosten an den Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung und vor allem auch am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland in den letzten zehn Jahren nicht gestiegen ist.

Rationalisierungspotenziale sind ausgeschöpft

Die Taktik der Bundesregierung liegt in der Begründung für den Gesetzesentwurf vom 1. November 2002 offen: "Mit der Regelung werden im Großhandel erzielte Rationalisierungseffekte abgeschöpft. Die Höhe des Abschlags ist angesichts der bisherigen Praxis der Großhandelsrabatte, die nicht der Versichertengemeinschaft zugute kommen, angemessen.

" Daran ist richtig, dass die Rabatte und Skonti, die der Pharmagroßhandel den Apotheken gewährt, durch die Rationalisierung und Automatisierung im Pharmagroßhandel in den letzten 20 Jahren möglich wurden. Hier ist allerdings inzwischen das Ende weitgehend erreicht – die wesentlichen Rationalisierungspotenziale sind ausgeschöpft.

An anderer Stelle rechnet das Ministerium vor: "Geht man davon aus, dass die Großhändler 0,6 Mrd. Euro an Rabattzahlungen, die bislang an die Apotheken gehen, nun an die GKV geben, wird bei ca. 21 000 Apotheken jede Apotheke mit ca. 28 600 Euro belastet." Die Bundesregierung will also Rabatte, die der Pharmagroßhandel bisher den Apotheken gewährt, zum Teil für die GKV abschöpfen. Auch die Betriebskrankenkassen verstehen es so, dass der Gesetzgeber die Rabatte an die Apotheken nun halbiert, um das den Krankenkassen zugute kommen zu lassen.

Die Apotheken und ihre Verbände haben sich in Briefen und bei persönlichen Treffen an ihre Bundestagsabgeordneten gewandt, um gegen die existenzgefährdenden Maßnahmen des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Beitragssatzsicherungsgesetzes zu protestieren. Und sie bekamen Antworten, die nicht gerade von Zivilcourage und wirtschaftlicher Kompetenz zeugen.

Inzwischen liegen Briefe der Abgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg (Wahlkreis Schleswig-Flensburg), Dr. Christine Lucyga (Wahlkreis Rostock), Jochen Welt (Wahlkreis Recklinghausen), Klaus Kirschner (Wahlkreis Rottweil), Gabriele Fograscher (Wahlkreis Donauwörth) und Peter Dreßen (Wahlkreis Emmendingen) vor.

Diese Briefe haben eins gemein: Sie versuchen, von den ruinösen Konsequenzen des Beitragssatzsicherungsgesetzes für die Apotheken abzulenken, dem Großhandel den "Schwarzen Peter" zuzuschieben und zielen darauf ab, einen Keil zwischen die Marktpartner zu treiben.

Zitat Wodar: "Ich rechne damit, dass der Großhandel lediglich einen geringen Teil des ihm zugedachten Einsparopfers von 600 Millionen Euro durch Rabattstreichungen oder -kürzungen auf die Apotheken überwälzen wird." Und weiter: "Die Arzneimittelpreisverordnung räumt dem pharmazeutischen Großhandel eine Handelsspanne von rund zwölf Prozent ein. Im Jahr 2001 haben die Pharmagroßhändler einen Erlös von ungefähr zwei Milliarden Euro erzielt."

Damit suggeriert Dr. Wodarg, dass der Pharmagroßhandel einen Gewinn von 2 Mrd. Euro macht. Gleiches versucht Dreßen in seinem Brief vom 18. Dezember 2002, wenn er kritisiert, dass der Pharmagroßhandel unter Einbeziehung von Firmenzukäufen im Ausland einen Ertrag von 2 Mrd. Euro erzielen würde. Natürlich sei aus dieser Summe der Sparbeitrag von 600 Mio. Euro des Beitragssatzsicherungsgesetzes ohne weiteres zu tragen. Hier werden permanent Rohertrag und Gewinn verwechselt, so Trimborn.

Von dem Rohgewinn von rund 2 Mrd. Euro bestreitet der Pharmagroßhandel alle Kosten für die flächendeckende Versorgung der deutschen Bevölkerung mit 130 000 verschiedenen Arzneimitteln, einschließlich aller Investitionen und der Personalkosten für 13 000 Mitarbeiter. Der gesamte Pharmagroßhandel in Deutschland hat im Jahr 2001 lediglich einen Gewinn vor Steuern von rund 230 Mio. Euro erwirtschaftet, stellte der ANZAG-Chef richtig. Davon den geforderten Sparbeitrag zu leisten, sei schlicht unmöglich!

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