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BSSichG: Jetzt ist der "Souverän" am Zug

BERLIN (ral). Die Folgen des Beitragssatzsicherungsgesetzes (BSSichG) sind seit Januar überall in den Apotheken zu spüren: Investitionen liegen auf Eis, Arbeitszeiten werden gekürzt, freie Stellen nicht neu besetzt und in einigen Fällen Angestellte bereits entlassen. Viele Apotheken stehen vor dem Aus. Dass es so kommen wird, war abzusehen, wurde von den Verantwortlichen jedoch stets bestritten. Inzwischen setzt jedoch ein Umdenkprozess ein, der möglicherweise zu einer Änderung des BSSichG führen könnte. Frank Diener, Geschäftsführer Wirtschaft und Soziales bei der ABDA, der auf dem außerordentlichen Apothekertag am 19. März in Berlin über die Auswirkungen des BSSichG sprach, hat die Hoffnung auf Einsicht beim Gesetzgeber jedenfalls noch nicht aufgegeben. "Jetzt ist der Souverän am Zug", meinte er.

Diener stellte nochmals die wichtigsten Eckdaten zum Beitragssatzsicherungsgesetz zusammen. Intention des von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im vergangenen Herbst als Entwurf eingebrachten und seit Januar dieses Jahres in Kraft getretenen Gesetzes war die Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung durch Einsparungen im Arzneimittelbereich in Höhe von 1,42 Mrd. Euro. Erzielt werden sollten diese Einsparungen durch Abschöpfung von Rabatten der Handelskette Pharmaindustrie – Großhandel – Apotheken.

Die Belastung laut Gesetzentwurf sah vor:

  • Industrie: ca. 420 Mio. Euro
  • Großhandel: ca. 600 Mio. Euro
  • Apotheken: ca. 400 Mio. Euro

Vor der Weitergabe der Großhandelsrabatte wurde gewarnt

Für die einzelne Apotheke hätte dies eine durchschnittliche jährliche Belastung von rund 17 000 Euro bedeutet und ein Absinken des Wertschöpfungsanteils von 18,5 Prozent auf 17,9 Prozent. Hätte – denn bereits bei Veröffentlichung des Gesetzentwurfs war ersichtbar, dass es bei dieser Belastung nicht bleiben würde. Die Gefahr, dass der Großhandel den von ihm zu erbringenden Zwangsrabatt in Höhe von 600 Mio. Euro auf die Apotheken abwälzt, stand von Anfang an im Raum. Die verantwortlichen Politiker wurden von Seiten der Apothekerschaft wiederholt auf diese Gefahr hingewiesen. Die Befürchtungen wurden jedoch stets als unbegründet abgetan. Diener zitierte aus Antwortschreiben rot-grüner Mitglieder des Bundestags an besorgte Apotheker: "Durch die, während der parlamentarischen Beratung, am Gesetzentwurf eingebrachten Änderungen wird nach Aussage des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) gewährleistet, dass von Großhandel und Herstellern zu erbringende Abschläge nicht auf die Apotheken abgewälzt werden können."

Wie inzwischen bekannt ist, sah die interne Einschätzung des BMGS zu dieser Zeit jedoch schon ganz anders aus. Ein vom Oktober 2002 datiertes internes Schreiben belegt, dass man sich der Möglichkeit, der Rabatt-Weitergabe durchaus bewusst war: "Geht man davon aus, dass die Großhändler 600 Mio. Euro an Rabattzahlungen, die bislang an die Apotheken gehen, nun an die GKV geben, wird bei ca. 21 000 Apotheken jede Apotheke mit ca. 28 000 Euro belastet" heißt es da und weiter: "Bei ca. 21 000 Apotheken wird jede Apotheke mit ca. 16 700 Euro belastet. Addiert man die Belastung durch Wegfall von Bar-Rabatten des Großhandels hinzu, beträgt die Belastung je Apotheke ca. 45 300 Euro."

Die Befürchtungen sind nun Realität

Mittlerweile ist das Beitragssatzsicherungsgesetz in Kraft und die im Herbst/Winter geäußerten Befürchtungen sind Tatsache. Wie Diener darstellte, werden von dem Großhandelsabschlag in Höhe von 600 Mio. Euro rund 500 Mio. Euro auf die Apotheken abgewälzt. Die finanzielle Situation der Apotheken sei dadurch katastrophal geworden. "Der Rohertrag aus GKV-Umsätzen ist von 4,44 Mrd. Euro auf 4 Mrd. Euro gesunken. Wir befinden uns damit wieder auf dem Stand von 1996. Verglichen mit diesem Jahr hat sich der GKV-Zwangsrabatt jedoch beinahe verdoppelt", erklärte Diener. Der Margenfraß des Apothekenrohertrags liege damit mittlerweile bei 31,3 Prozent. Auch habe sich die Differenz zwischen Einkaufsvorteilen und GKV-Abschlägen, die bereits 2002 eine 30-prozentige Überabschöpfung aufwies, drastisch verschärft. Inzwischen sei eine 207-prozentige Überabschöpfung zu verzeichnen.

Die Folgen sind Stellenkürzung und Arbeitslosigkeit

Dass derartige Einschnitte nicht folgenlos seien, sei klar. Diener stellte die Zahlen einer Umfrage des Deutschen Apothekerverbands im 1. Quartal 2003 vor (N > 6600). Danach planen 35 Prozent der befragten Apothekenleiter eine reduzierte Teilzeit und 22 Prozent eine reduzierte Vollzeit, 13 Prozent wollen geringfügig Beschäftigte entlassen und 30 Prozent wollen die Zahl ihrer voll- und teilzeitbeschäftigten Angestellten reduzieren. Insgesamt, so Diener, sei mit neun Prozent Stellenwegfall durch Entlassungen und sechs Prozent Stellenwegfall durch Nicht-Wiederbesetzung zu rechnen.

Hoffnung auf Rücknahme des Großhandelsrabatts

So schwarz der Apothekenhimmel momentan auch ist – ein ganz kleiner Lichtschimmer zeichnet sich inzwischen doch am Horizont ab. Nicht alle SPD-Abgeordnete waren mit dem Gesetz einverstanden. 49 Abgeordnete trauten den Zusagen von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, die Apotheken würden nur mit ihrem Part belastet, nicht und stimmten dem Gesetz nur unter dem Vorbehalt zu, dass die tatsächlichen Sparbeträge im Laufe des Jahres überprüft werden.

Inzwischen haben sich ihnen weitere 100 SPD-Abgeordnete angeschlossen, die in einem Brief an die Gesundheitsministerin und den Kanzler Ähnliches verlangt haben. Und ein weit schärferer Wind weht Ulla Schmidt von der CDU/CSU-Fraktion entgegen, die soeben einen Gesetzentwurf zur Änderung des BSSichG eingebracht hat, in dem sie die Aufhebung des Großhandelsabschlags rückwirkend zum 1. Januar 2003 fordert. Auf diese Maßnahmen müsse man nun hoffen, sagte Diener. Die übermäßige Belastung der Apotheken sei Fakt und den Abgeordneten bekannt. Dieners Appell an den Gesetzgeber: "Die ABDA kann kein Gesetz ändern, aber der Deutsche Bundestag kann es. Jetzt ist der 'Souverän' am Zug."

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