Arzneimittel und Therapie

Osteoporosetherapie: Raloxifen stabilisiert die Knochenstruktur

Hauptursache für Osteoporose bei Frauen nach den Wechseljahren ist Östrogenmangel. Die durch diesen Mangel stimulierte Osteoklastentätigkeit zerstört auf Dauer die Knochenstruktur und erhöht dramatisch das Frakturrisiko. Raloxifen (Evista®) nutzt die körpereigenen Regulationsmechanismen, um den gestörten Knochenstoffwechsel der Frau wieder in sein physiologisches Gleichgewicht zu bringen.

Raloxifen gehört zur Substanzklasse der Gruppe der SERMs (Selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren), die selektiv die Estrogenrezeptoren des Knochen aktivieren, während die Estrogenrezeptoren anderer Organe nicht stimuliert werden. Im Knochengewebe induziert Raloxifen die Bildung und Freisetzung von TGF-beta 3 (Transforming Growth Factor).

Dieser Wachstumsfaktor hemmt die Aktivität der Osteoklasten, verkürzt ihre Lebensdauer und behindert die Osteoklastenneubildung, sodass insgesamt die Knochenresorption abnimmt. Zytokine, wie z. B. Interleukin 6, die die Osteoklastendifferenzierung und damit den Knochenabbau fördern, werden ebenfalls gehemmt. Der bei Osteoporose gestörte Knochenstoffwechsel wird durch den Einsatz von selektiven Estrogenrezeptor-Modulatoren wieder normalisiert.

Veränderungen in der Mikroarchitektur des Knochens

Selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren wirken durch die Normalisierung des Knochenstoffwechsels direkt auf die Knochenqualität. Denn das Frakturrisiko bei Osteoporose wird nicht nur durch einen Abbau der Knochenmasse allein, sondern vor allem durch die Veränderung der trabekulären Strukturen des Knochens bewirkt. Es entstehen als Erstes durch Resorption verursachte Defekte auf der Oberfläche der für die Stabilität entscheidenden Horizontaltrabekel. Dadurch verändert sich die Oberflächenspannung der Trabekel bis es z. B. zum Einbruch der Wirbelkörper-Deckplatten kommt und die typischen Sinterungsfrakturen entstehen.

Primäres Ziel einer effektiven Therapie muss es also sein, den weiteren Abbau der Trabekel zu verhindern und die Resorptionsschäden wieder aufzufüllen. Die antiresorptive Therapie mit Raloxifen kann dieses Ziel erreichen, denn die Mikroarchitektur des Knochens bleibt unter dem besonderen Wirkansatz des SERMs erhalten. Die Resorptionsdefekte werden aufgefüllt und die Oberflächenintegration wird wieder hergestellt. Auch bei relativ moderatem Zuwachs an Knochendichte wird unter einer Therapie mit Raloxifen das Frakturrisiko deutlich gesenkt. Der Knochen erhält mehr Festigkeit an den entscheidenden Schwachstellen.

Trabekelstruktur für die Stabilität wichtig

3D-Untersuchungen der trabekulären Netzstruktur von Wirbelkörpern haben gezeigt, dass auch geringe Veränderungen der Knochenmasse zu erheblichen Änderungen der Knochenfestigkeit führen können. Von besonderer Bedeutung sind die horizontalen Trabekel. Ein schönes Modell dafür ist das so genannte "Barhocker-Beispiel".

Hat ein solcher hoher Schemel Querverstrebungen, sind die Beine wesentlich belastbarer, als wenn diese Zwischenstücke fehlen. Umgekehrt gesagt, knicken nicht verstrebte Beine schon bei geringen Belastungen ein, wogegen ein verstrebtes Modell auch wesentlich schwerere "Besitzer" aushält. Auf die Knochenebene übertragen bedeutet dies, dass ein Knochen umso belastbarer ist, je mehr horizontale Trabekel die vertikalen verbinden.

Schnelle und anhaltende Senkung des Frakturrisikos

Die Wirksamkeit von Raloxifen wurde in der MORE-Studie (Multiple Outcomes of Raloxifene Evaluation) nachgewiesen. 7705 Frauen mit Osteoporose nach den Wechseljahren wurden täglich mit 60 mg Raloxifen bzw. Plazebo behandelt. Zusätzlich erhielten alle Frauen eine Basistherapie mit Calcium (500 mg) und Vitamin D (400 bis 600 I. E.).

Dabei bewies Raloxifen seine schnelle Wirksamkeit: nach vier Wochen zeigte sich eine positive Calciumbilanz und nach sechs Monaten ein signifikanter Anstieg der Knochendichte mit einer Senkung des Knochen-Turnovers auf ein prämenopausales Niveau. Bereits innerhalb eines Jahres senkte Raloxifen das Risiko der Patientinnen, eine schmerzhafte klinische Wirbelfraktur zu erleiden, um 68%.

Raloxifen zeigte in der MORE-Studie ebenfalls eine lang anhaltende Wirksamkeit: Nach dreijähriger Therapie war das Risiko für erstmals auftretende Wirbelkörperfrakturen um 55% gesenkt. Die Wahrscheinlichkeit, multiple Wirbelkörperfrakturen zu erleiden, sank bei Frauen ohne vorbestehende Frakturen sogar um 93%. Auch nach vierjähriger Behandlung bleibt die hohe Wirksamkeit von Raloxifen erhalten.

Wünschenswerte Nebeneffekte

Im Rahmen der MORE-Studie wurden auch das Auftreten harter kardiovaskulärer Endpunkte wie Herzinfarkt und Schlaganfall erfasst. Dabei ergab sich bezüglich des kardiovaskulären Risikos in der Gesamtpopulation nach 4-jähriger Behandlung kein Unterschied zu Plazebo. Bei Frauen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko zu Beginn der Behandlung konnte jedoch eine signifikante Reduktion des Risikos um 40% festgestellt werden.

Einfache Einnahme

Neben der Wirksamkeit eines Medikaments hängt der Behandlungserfolg wesentlich von der Compliance, Lebensqualität und Therapiezufriedenheit der Patientinnen ab. Raloxifen bietet durch seine unkomplizierte Einnahme und gute Verträglichkeit die Voraussetzungen für ein hohes Compliancepotenzial. Die empfohlene Dosierung ist eine Tablette (60 mg Raloxifenhydrochlorid) täglich, wobei Raloxifen unabhängig von der Tageszeit oder Nahrungsaufnahme wirksam ist. Es wird zu 60% resorbiert und führt nicht zu Magenreizungen. Eine Kombination mit Calcium und Vitamin D ist jederzeit möglich.

Kastentext Gefordert: Umdenken in der Diagnostik

Der Stellenwert der Knochendichtemessung in der Diagnostik der Osteoporose und der Versuch, sie gar als Screeningmethode einzusetzen, ist bedenklich. In einigen klinischen Studien zeigte sich nämlich, dass bezüglich der Reduktion der Frakturinzidenz die Zunahme der Knochendichte unter Therapie nur wenig Aussagekraft besitzt. Dieser Wert kann also nur einen Mosaikstein im Gesamtkonzept der Beurteilung eines Frakturrisikos darstellen.

Doch nicht nur die Architektur des Knochens spielt beim Frakturrisiko eine Rolle: Wenn das Zusammenspiel zwischen Muskeln und deren nervlicher Steuerung gestört ist, kommt es vielfach öfter zu Stürzen, die Brüche zur Folge haben. Daher müsste die Untersuchung der neuromuskulären Situation ebenfalls integriert werden, um das tatsächliche Risiko einer Fraktur einzuschätzen.

Quelle

Prof. Dr. med. Dieter Felsenberg, Berlin, Priv.-Doz. Dr. med. Peyman Hadji, Marburg, Prof. Dr. med. Johann Diederich Ringe, Leverkusen; Fachpressekonferenz: 4 Jahre Evista® – die physiologische Osteoporosetherapie in der Praxis, Frankfurt/Main, 27. August 2002, veranstaltet von der Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.