Arzneimittel und Therapie

Bereichert Lasofoxifen die Therapie?

Im Arsenal der Wirkstoffe zur Therapie der Osteoporose hat der selektive Estrogenrezeptor-Modulator (SERM) Raloxifen mittlerweile einen festen Stellenwert. Durch die Interaktion mit verschiedenen Estrogenrezeptoren im Körper entfalten SERM neben der Hemmung des Knochenabbaus eine Vielzahl an Wirkungen. Ein weiterer SERM ist Lasofoxifen, das versucht in den Kreis der etablierten Substanzen aufzusteigen. Eine Studie untersuchte den Einfluss auf das Frakturrisiko, das Risiko für Brustkrebs und für kardiovaskuläre Erkrankungen.
Osteoporosetherapie Derzeit wird die Osteoporose vor allem mit Antiresorptiva wie Bisphosphonaten, selektiven Estrogenrezeptor-Modulatoren und Estrogenen behandelt. Sie hemmen die Aktivität der knochenabbauenden Osteoklasten und bremsen die Resorption weiterer Knochensubstanz. So soll das durch einen physiologischen Abfall des Estradiolspiegels gestörte dynamische Gleichgewicht zwischen Knochenaufbau und Knochenabbau reguliert werden. Lasofoxifen ist ein selektiver Estrogenrezeptor-Modulator, dessen biologische Wirkungen weitgehend durch die Bindung an Estrogenrezeptoren vermittelt werden. Auf Knochen übt Lasofoxifen eine estrogenartige agonistische Wirkung aus. Es konnte eine signifikante Verminderung in der Inzidenz von vertebralen und nicht-vertebralen Frakturen, aber nicht von Hüftfrakturen nachgewiesen werden. AP: alkalische Phosphatase, SP: saure Phosphatase, Pi: anorganisches Phosphat, HL: Howship-Lakune, TGF-β: transformierender Wachstumsfaktor β [Quelle: Mutschler, E.: Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 8. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart (2001).

Bei der Behandlung postmenopausaler Frauen sind für den selektiven Estrogenrezeptor-Modulator Raloxifen eine Reduktion von osteoporosebedingten Knochenbrüchen und das Risiko von Brustkrebs nachgewiesen. Die Häufigkeit kardiovaskulärer Erkrankungen wird nicht erhöht. Tamoxifen, ebenfalls ein SERM, reduziert das Risiko für Estrogenrezeptor-(ER) positiven Brustkrebs, ist aber mit einem erhöhten Risiko für Tumoren der Gebärmutterschleimhaut assoziiert. Beide Substanzen erhöhen ebenfalls das Risiko für Thromboembolien. Eine ideale Substanz würde postmenopausalen Frauen die Segnungen einer Estrogentherapie, wie Senkung des Frakturrisikos, und Beseitigung der typischen Wechseljahrsbeschwerden wie Hitzewallungen und Vaginalatrophie bescheren, hätte aber keine negativen Auswirkungen auf das Thromboserisiko und Herz-Kreislauf-Parameter.

Design der PEARL-Studie

Der selektive Estrogenrezeptor-Modulator Lasofoxifen ist seit Februar 2009 von der EMEA unter dem Handelsnamen Fablyn® zugelassen, in Deutschland noch nicht im Handel. Aber stellt die Substanz auch eine Bereicherung der therapeutischen Möglichkeiten dar? Um die Wirksamkeit von Lasofoxifen nachzuweisen wurden in der PEARL-Studie 8556 Patientinnen in 113 Studienzentren in 32 Ländern mit erniedrigter Knochendichte (-2,5 oder weniger) in drei Gruppen randomisiert. Ein Drittel der Patientinnen hatte bereits mindestens eine vertebrale Fraktur in der Vorgeschichte. Zwei Dosierungen von Lasofoxifen, 0,25 mg und 0,5 mg pro Tag wurden gegen Placebo getestet. Die Dosierung von 0,5 mg pro Tag wurde mittlerweile von der EMEA für die Osteoporosebehandlung bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko zugelassen. Alle Patientinnen erhielten ferner 1000 mg Calcium und Vitamin D in individueller Dosierung. Der primäre Endpunkt Wirbelkörperfrakturen wurde nach drei und fünf Jahren ausgewertet, die zusätzlichen Endpunkte Nicht-Wirbelkörperfrakturen und Estrogenrezeptor-positiver Brustkrebs nach fünf Jahren.

Frakturrate gesenkt

Wichtigstes Ergebnis war die Reduktion radiologisch nachgewiesener vertebraler Frakturen nach fünf Jahren. Im Therapiearm mit 0,5 mg Lasofoxifen kam es zu 13,1 Ereignissen gegenüber 22,4 Ereignissen in der Placebogruppe bezogen auf 1000 Patientenjahre (hazard ratio 0,58; 95% Konfidenzintervall [KI] 0,47 bis 0,70). Die Zahl nicht-vertebraler Frakturen wurde im Vergleich zu Placebo von 24,5 auf 18,7 Fälle pro 1000 Patientenjahre gesenkt (hazard ratio 0,76, 95% KI 0,64 bis 0,91). Die Knochendichte in der Lendenwirbelsäule, ein Surrogatparameter, wurde um ca. 3% erhöht. Die antagonistische Wirkung von Lasofoxifen im Brustgewebe spiegelt sich in einer Senkung der Brustkrebsrate wider. Das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Schlaganfälle wurde ebenfalls reduziert. Bei beiden Parametern war die absolute Häufigkeit der Ereignisse jedoch sehr gering, was die Aussagekraft dieser Ergebnisse einschränkt.

Standardsubstanzen zur Therapie der Osteoporose. Aus den bisher verfügbaren Daten lässt sich keine Überlegenheit einer bestimmten Substanz herleiten, daher sollten für die individuelle Auswahl der Medikamente die möglichen Neben- und Zusatzwirkungen, die Kosten und die Einnahmemodalität in die Überlegungen einbezogen werden.
SubstanzgruppeWirkstoffHandelsnameApplikationApplikations- häufigkeit
BisphosphonateAlendronat *)Fosamax®oral1/Woche
 IbandronatBonviva®

oral

i.v.

1/Monat

1/3 Monate

 Risedronat *)Actonel®oral1/Woche
 ZoledronatAclasta®i.v.1/Jahr
SERMRaloxifenEvista®oral1/Tag
 LasofoxifenFablyn®oral1/Tag
ParathormonTeriparatidForsteo®s.c.1/Tag
und AnalogaParathyreoidhormonPreotact®s.c.1/Tag
sonstigeStrontiumranelatProtelos®oral1/Tag
 TibolonLiviella®oral1/Tag
 Estrogenediverse Präparate  

*) diverse Kombinationen mit Calcium und Vitamin D im Handel

 

 [Quelle: AWMF- Leitlinie des Dachverbandes Osteologie (10/2009)] 

Thrombosegefahr erhöht

Einer geringen Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen steht – für SERM erwartungsgemäß – eine mehr als verdoppelte Thromboseneigung gegenüber. Im Therapiearm mit 0,5 mg Lasofoxifen wurden 3,8 Thrombosen bezogen auf 1000 Patientenjahre, in der Placebogruppe 1,4 ermittelt. Folgerichtig kam es hier auch zu mehr Fällen von Lungenembolie. Neben vermehrten gynäkologischen Nebenwirkungen wie Beinkrämpfen und Hitzewallungen bedürfen auch die vermehrten Fälle von Lungenkrebs der weiteren Beobachtung.

Nicht besser als Standard

Da Lasofoxifen in der Hersteller-finanzierten Pearl-Studie gegen Placebo getestet wurde, ist ein direkter Vergleich mit Standardsubstanzen nur aus historischen Daten möglich. Das Editorial der New England Journal kommt unter der Überschrift "Another Selective Estrogen-Receptor Modulator for Osteoporosis" nach einer Analyse dieser Daten zu dem Ergebnis, dass Lasofoxifen keinen signifikanten Vorteil gegenüber Raloxifen besitzt. Weder die Frakturgefahr noch das Risiko für Brustkrebs werde signifikant verringert. Angesichts der Vielzahl von nicht vorhersehbaren Wirkungen, die durch selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren ausgelöst werden können, und der Tatsache, dass man abgesehen vom Osteoporoserisiko eigentlich gesunde Patientinnen einer Pharmakotherapie aussetzt, sollte für neue Substanzen wie Lasofoxifen die Forderung nach einer besonders kritischen Nutzen-Risiko-Bewertung gestellt werden.

Quelle S.R. Cummings et al., Lasofoxifen in Postmenopausal Women with Osteoporosis, N Engl J Med 362: 686-696 (2010). C. Becker, Another Selective Estrogen-Receptor Modulator for Osteoporosis, N Engl J Med 362: 752-754 (2010).

 


Apotheker Peter Tschiersch

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