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Auf dem diesjährigen Apothekertag Mitte September in München waren unsere Berufsvertreter von der ABDA noch guter Hoffnung. Da war man stolz darauf, was man der Politik alles vorschlagen kann, wie sich die Apothekerinnen und Apotheker verstärkt in das Gesundheitswesen einbringen wollen, um einerseits Kosten zu sparen, andererseits den Patienten einen Mehrwert zu bieten. Man votierte für eine generelle Aut-idem-Regelung, man stellte sich hinter die Vorschläge, die sich für die Einführung des elektronischen Rezepts und einen Arzneimittelpass aussprachen. Über eine Drehung der Arzneimittelpreisverordnung gar könne man, wenn denn diese Spareffekte nicht reichen sollten, reden, ließ die ABDA durchblicken.

Aus der Politik kamen Signale, aus denen man entnehmen konnte, die Apotheker befinden sich auf dem richtigen Weg. So wurde beispielsweise auch Bundesgesundheitsministerin Schmidt noch in der FAZ vom 18. September zitiert, sie habe die Forderung der Krankenkassen nach einem milliardenschweren Hilfspaket abgelehnt.

Doch schon wenige Tage später wurde die Apothekerwelt wie von einem Blitz getroffen. Die Kassen hatten angesichts der Ausgabenzuwächse von 11% bei Arzneimitteln ihren Druck auf Schmidt erhöht – und die Ministerin gab nach, ohne Rücksprache mit den Leistungserbringern. In einem Gespräch mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen, den Gewerkschaften und dem Arbeitgeberverband – ohne Beteiligung von Ärzten, Apothekern oder Pharmaindustrie – wurde ein Maßnahmenpaket vereinbart, das bereits am 1. Januar 2002 wirksam werden soll und mit dem anfangs über 4 Mrd. DM eingespart werden sollten – in erster Linie zu Lasten der Apotheken.

In Gesprächen zwischen Ministerium und ABDA Anfang dieser Woche dürfte man mittlerweile, so war auf der ABDA-Pressekonferenz in Palma auf Mallorca zu hören, eine kleine Linderung des Sparprogramms erreicht haben. Danach liegen folgende Maßnahmen auf dem Tisch:

  • Eine Aut-idem-Regelung, allerdings nicht in dem von den Apothekern angedachten Sinn (z. B. Auswahl unter Qualitätsgesichtspunkten im unteren Preisdrittel), sondern die Abgabe eines Arzneimittels im unteren Preisdrittel, wobei mindestens drei Arzneimittel zur Auswahl stehen sollten. Weitere Einzelheiten sind dabei noch nicht bekannt, von Qualitätsgesichtspunkten ist dabei bisher nicht die Rede.
  • Die Erhöhung des Apothekenrabatts an die Krankenkassen. In der Diskussion waren zunächst mehrere Modelle bis zu einer Erhöhung auf 9%, inzwischen ist die Erhöhung von "nur" 1 Prozentpunkt im Gespräch.
  • Ein Preismoratorium, d. h. eine Absenkung des Herstellerabgabepreises um, so die neueste Zahl, 4% im Nicht-Festbetragsmarkt.
  • Die Entlassungsberichte von Krankenhäusern müssen grundsätzlich das Arzneimittel unter seiner Wirkstoffbezeichnung angeben, soweit der Bericht eine Empfehlung für die Verordnung von Arzneimitteln in der ambulanten Versorgung enthält.
  • Der Bundesausschuss soll dazu legitimiert werden, im Rahmen der Arzneimittelrichtlinien oder der Preisvergleichsliste über eine therapie- und preisgerechte Auswahl von innovativen Arzneimitteln verbindlich zu entscheiden.

Zu diesen Maßnahmen im Arzneimittelbereich sind weitere Einsparungen durch die Festbetragsregelung und durch die Importregelung hinzuzurechnen. Insgesamt addiert sich das Sparpaket auf Einsparungen von etwa 3,5 Mrd. DM. Auf die Apotheken entfällt davon eine Rohertragsschmälerung von etwa 1 Mrd. DM, was für eine Apotheke im Durchschnitt rund 47 000 DM pro Jahr bedeutet.

Nicht nur die ABDA, auch die Pharmaverbände und der Großhandelsverband sind Sturm gelaufen gegen das Sparpaket. In der Sache verfehlt, nicht problemlösend, miserabler Stil – so die Kritik der Pharmaverbände, und die ABDA sprach von existenzvernichtender Aktionitis und einem Generalangriff auf die Apothekenstruktur. Auf der Eröffnungsveranstaltung des Fortbildungskongresses der Bundesapothekerkammer (BAK) in Palma auf Mallorca sprach BAK-Präsident Johannes Metzger von existenzgefährdenden Vorschlägen aus dem Ministerium.

Die Lage ist ernst. Den meisten Apotheken dürfte das konzipierte Sparpaket enorme Schwierigkeiten bereiten. Die Durchschnittsapotheke fällt auf einen Ertrag von 1992 zurück. Metzger sprach auf der Pressekonferenz von möglichen Entlassungen in Apotheken und damit einer verschlechterten Versorgungsqualität.

Hinzu kommt, dass Gesundheitsstaatssekretär Klaus-Theo Schröder ankündigte, das Versandhandelsverbot in Deutschland zu kippen. Versandapotheken sollten zwar keine Rosinenpicker sein, sondern Vollsortimenter, sich aber z. B. in der Versorgung chronisch Kranker engagieren.

Aus allen diesen Maßnahmen lässt sich nur das Fazit ziehen: diese Regierung zerschlägt die heutige Apothekenstruktur mit allen nachteiligen Konsequenzen für die sichere und flächendeckende Arzneiversorgung.

Wie zu hören war, will die Ministerin grundsätzlich am Maßnahmenpaket festhalten. Sie sei aber bereit, Kritikpunkte im Entscheidungsprozess zu berücksichtigen und eventuell Änderungen vorzunehmen – noch eine letzte Chance für die ABDA. Wie der BAK-Präsident in Palma ankündigte, wird die ABDA als Gegenvorschlag die Drehung der Arzneimittelpreisverordnung (Einsparvolumen etwa 800 Mio. DM) vorschlagen, außerdem die Einführung von e-Rezept und Arzneimittelpass, die allerdings keine Sofort-Einsparungen bringen. Da muss noch Überzeugungsarbeit geleistet werden.

Peter Ditzel

Das Existenzvernichtungsprogramm

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