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Was bedeutet das Sparpaket für die Apotheken?

HALBERSTADT (tmb). Der jüngste Gesetzesentwurf für ein neues milliardenschweres Sparpaket in der Arzneimittelversorgung bildete den inhaltlichen Schwerpunkt auf dem 6. Wirtschaftstag des Landesapothekervereines Sachsen-Anhalt. Bei der Veranstaltung am 29. September in Halberstadt erläuterte ABDA-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Rainer Braun die Inhalte des Sparpaketes, die Haltung der ABDA und die Ergebnisse eines Gespräches zwischen ABDA-Vertretern und Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt am Vortag.

Die jüngsten Sparvorschläge sollten im längerfristigen Zusammenhang der Regierungspolitik gesehen werden. Die Regierung sei 1998 mit dem Ziel angetreten, die Beitragssätze der Sozialversicherung unter 40% zu drücken. Die Beiträge zur Rentenversicherung seien durch die zusätzliche Finanzierung über Teile der Ökosteuer begrenzt worden.

Angesichts der konjunkturellen Entwicklung bestehe bei der Arbeitslosenversicherung keine günstige Aussicht. So bleibe nur die Einflussmöglichkeit über die Krankenversicherung. Dabei sei die Ausgabenentwicklung der Krankenversicherung keineswegs dramatisch. Der kurzfristig gesehen große Anstieg der Arzneimittelausgaben um 11% in den ersten acht Monaten des Jahres 2001 liefere aber den Anlass, die Arzneimittel als Ursache für die defizitäre Gesamtentwicklung hinzustellen. Damit werde über die große Belastung der Krankenversicherung durch "Verschiebebahnhöfe" wie Rentenreform und Zuzahlungsabsenkung hinweggetäuscht.

Chronologie des Sparpaketes

Für die Suche nach Einsparungsmöglichkeiten wurde im Mai 2001 der Runde Tisch etabliert. Bei der Sitzung des Runden Tisches am 17. September seien Aufgaben an Arbeitsgruppen verteilt worden, so beispielsweise an die Arbeitsgruppe 1 zur "Modernisierung der Arznei- und Heilmittelversorgung". Themen sollten Positivlisten, die Überarbeitung der Arzneimittelpreisverordnung, die Aut-idem-Regel, der Arzneimittelversandhandel, das Dispensierverhalten der Ärzte, gesundheitsökonomische Studien und die integrierte Versorgung einschließlich denkbarer einzelvertraglicher Regelungen zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen sein. Außerdem werde für diesen Herbst ein weiteres Gutachten des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen zum Arzneimittelmarkt erwartet.

Angesichts dieser vielfältigen ausstehenden Ergebnisse sei es außerordentlich überraschend gewesen, dass schon am 24. September ein neues Aktionsprogramm präsentiert wurde. Daher bezeichne die ABDA die Vorgehensweise als aktionistisch. Entgegen anderslautenden Gerüchten sei das Aktionsprogramm nicht auf einer Sitzung mit Krankenkassenvertretern erarbeitet worden, sondern dort bereits als Tischvorlage des Bundesgesundheitsministeriums eingebracht worden. Die ABDA sei am Nachmittag des 24. September informiert worden und habe bereits am Abend eine Presseerklärung herausgegeben.

Schon am 27. September sei den Verbänden ein Gesetzesentwurf zugeleitet worden. Auf einen Anhörungstermin für die betroffenen Verbände bei Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt am 27. September habe die ABDA verzichtet, um einen schon länger geplanten Termin bei der Ministerin am Folgetag wahrnehmen zu können. So konnte die Position der Apothekerschaft in einem zweistündigen Gespräch ohne Anwesenheit anderer Verbandsvertreter detailliert vorgetragen werden.

Die Inhalte und ihre Folgen

Die Inhalte des Sparpaketes, die zu erwartenden ökonomischen Konsequenzen und die politische Position der ABDA erläuterte Professor Braun in Halberstadt. Die bereits beschlossenen Maßnahmen, Senkung der Festbeträge ab Januar 2002 und Festsetzung einer Importquote ab April 2002, sollen auf Krankenkassenebene 750 Mio. DM bzw. 70 Mio. DM einsparen. Für die Apotheken ergibt dies Rohertragseinbußen von 150 Mio. DM bzw. 14 Mio. DM.

Preismoratorium

Als neue Maßnahme sollen auch die Preise der rezeptpflichtigen Nicht-Festbetragsarzneimittel um 5% gesenkt werden und einem Preismoratorium unterliegen. Hiervon sollen empfängnisverhütende Arzneimittel ausgenommen sein. Das Verordnungsvolumen für Nicht-Festbetragsarzneimittel zu Lasten der GKV und PKV beträgt etwa 22 Mrd. DM, 5% hiervon wären 1,1 Mrd. DM. Dies ergäbe Einsparungen von etwa 1 Mrd. DM zu Gunsten der GKV und 0,1 Mrd. DM zu Gunsten der PKV. Für die Apotheken gingen damit jährlich etwa 220 Mio. DM an Roherträgen verloren.

Das Ministerium habe aber zunächst nur mit Einsparungen der GKV von 350 Mio. DM gerechnet und dies später auf 650 Mio. DM korrigiert. Angesichts der Differenz zu den ABDA-Berechnungen sieht Braun hier Verhandlungsspielraum. Das Preismoratorium selbst sei aber offenbar nicht verhandelbar.

Umsatz und Gewinn unterscheiden

Während diese und andere Maßnahmen die Apotheken als Teile des Gesamtsystems neben anderen treffen würden, richtet sich die angekündigte Änderung des Kassenrabattes allein gegen die Apotheken. Außerdem wirkt beispielsweise das Preismoratorium auf die Umsätze der Apotheken, senkt aber auch die Einkaufspreise, während eine Rabatterhöhung in voller Höhe auf den Gewinn durchschlagen würde.

Braun kritisierte scharf, dass dieser grundlegende Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn von Politik, Krankenkassen und Öffentlichkeit offensichtlich nicht beachtet werde. Vielmehr würde nur einseitig die Ausgaben- und damit Umsatzperspektive der Krankenkassen betrachtet.

Höherer Kassenrabatt für Apotheker unerträglich

Das Sparpaket sieht eine Erhöhung des Kassenrabattes auf effektiv 7% vor. Dabei stehe eine pauschale Anhebung ebenso zur Diskussion wie eine grob gestaffelte oder eine gleitende Variante mit Rabatten zwischen 4 und 9% (siehe Bericht "So soll der Apothekenrabatt erhöht werden" in AZ Nr. 40 vom 1.10., S.1). Nach Ausführungen von Braun habe es die ABDA abgelehnt, zwischen diesen Varianten zu wählen. Denn der 7%ige Rabatt führe unmittelbar zum Aus für kleine Apotheken, der gestaffelte Rabatt bewirke dies mittelbar, da er Anreize für Krankenkassen schaffe, die Patienten in große Apotheken zu lenken. Im Gespräch mit der ABDA sei die Ministerin dieser Argumentation nicht gefolgt. Doch bilde die Intervention gegen die Änderung des Kassenrabattes weiter die Hauptstoßrichtung der ABDA-Politik.

Daneben seien weitere Ungereimtheiten bei der Rabatterhöhung zu kritisieren. So würde auch die Patientenzuzahlung rabattiert und bei einem Rabatt von 9% wären höchstpreisige Arzneimittel unter dem Einstandspreis abzugeben. Denn für diese Produkte beträgt der Aufschlag 8,263% zuzüglich 231,25 DM, was weniger als 9% sein kann. Hinzu kämen Probleme der praktischen Durchführung. So solle der GKV-Vorjahresumsatz als Grundlage für die Staffeleinteilung gemäß dem jüngsten Gesetzesentwurf schon am 15. Februar gemeldet werden.

Zudem bestünden auch hier unterschiedliche Einschätzungen über die Folgen. Die Politik verspreche sich Einsparungen von 600 Mio. DM, die ABDA würde GKV-Vorteile in Höhe von 900 Mio. DM sehen, von denen etwa 100 Mio. DM auf die Mehrwertsteuer entfielen. Bei der gleitenden Rabattstaffel würde sich der Abschlag für etwa ein Viertel der Apotheken verringern, für die übrigen erhöhen. Der durchschnittliche Rabatt läge bei 7%. Für das umsatzstärkste Drittel der Apotheken, die über 50% der GKV-Umsätze erzielen, läge der Rabatt über 7%.

Wieviele Generika sind "preisgünstig"?

Das Sparpaket enthält aber auch eine Forderung der Apothekerschaft, die Aut-idem-Regel. Allerdings sei in der ersten Pressemeldung eine "Auswahl" des "günstigsten" Arzneimittels genannt worden, im Gesetzesentwurf stehe "ein günstiges" Arzneimittel, womit die günstigsten zwei bis drei Produkte gemeint seien. Die Ministerin habe aber inzwischen zugestanden, dass dies für die Marktversorgung nicht ausreiche. So werde diskutiert, ob vier oder fünf Produkte einzubeziehen wären.

Ärzte auf dem Weg zu Aut-idem

Die Aut-idem-Regel sollte die Krankenkassen um eine halbe Milliarde Mark entlasten, von denen etwa 20% zu Lasten der Apotheken gingen. Doch sei die Einsparung hier nur schwer zu beziffern. Denn es bleibe offen, inwieweit die Ärzte bei der vorgesehenen "Kästchenumkehr" die Substitutionsmöglichkeit offen ließen. Ärzte, Pharmaindustrie und Großhandel seien gegen die Maßnahme, doch sieht Braun erste Anzeichen für ein Umdenken auf der politischen Ebene der Ärzteschaft. Dort bestehe offenbar die Sorge, dass die getroffenen Zielvereinbarungen über die Werte der generischen Verordnungen ohne Hilfe der Apotheker nicht eingehalten werden könnten. Zudem müssten Ärzte, die die Substitution regelmäßig ausschlössen, dann bei Überschreiten ihrer Richtgrößen mit unangenehmen Prüfungen rechnen. Braun appellierte an den Berufsstand, mit dieser neuen Regel sehr sorgfältig umzugehen.

Noch schwieriger dürften die Folgen der geplanten Ausgrenzung von Me-too-Arzneimitteln zu kalkulieren sein. Hier werden Einsparungen für die Krankenkassen in Höhe von 600 Mio. DM, d. h. Umsatzeinbußen von 120 Mio. DM in den Apotheken, erwartet. Als weitere Maßnahme ist vorgesehen, bei Krankenhausentlassungen nur noch wirkstoffbezogene Verordnungen zuzulassen. Ein ebenfalls erwähnter Modellversuch zum Arzneimittelversandhandel sei bisher nicht beschlossen worden.

Die Folgen für die Apotheken

Die bisher quantifizierbaren Einsparungen der Krankenkassen summieren sich demnach auf 3920 bis 4420 Mio. DM. Davon würden 1404 bis 1504 Mio. DM auf die Apotheken entfallen. Die Apotheken, deren Wertschöpfung nur etwa 20% der Arzneimittelpreise umfasst, trügen dann etwa 34 bis 36% der Einsparungen und würden damit überproportional belastet. Hinzu kämen die derzeit noch nicht quantifizierbaren Folgen.

Nach Einschätzung von Braun würden die vorgesehenen Maßnahmen insgesamt in den Apotheken zu Ertragseinbußen von 30 bis 50% führen. Dies sei eine Unmöglichkeit. Daher könne aus Sicht der ABDA hier noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Bei den bisherigen Verhandlungen mit dem Ministerium habe sich gezeigt, dass das Einsparvolumen aus der Perspektive der Krankenkassen nicht verhandelbar sei. Es könne allenfalls über Alternativen mit gleichem Einsparpotenzial gesprochen werden. Außerdem könnten die Abweichungen in den berechneten Einsparungen Verhandlungen ermöglichen.

Wie geht es weiter?

Allerdings bleibt für solche Verhandlungen wenig Zeit. Denn bereits für den 2. Oktober wurde vorgesehen, den Gesetzesentwurf als Initiativantrag der SPD-Fraktion in das Kabinett einzubringen. Der Gesundheitsausschuss könne am 17. Oktober tagen. Größere parlamentarische Hürden dürften nicht zu erwarten sein, zumal der Entwurf keine Teile enthält, die einer Zustimmung des Bundesrates bedürften. Als Termin für das In-Kraft-Treten werde der 1. Januar 2002 angestrebt. Doch erweise sich dies nicht nur wegen der Eile als Problem, denn an diesem Tag müssen bereits die Euro-Umstellungen vorgenommen werden.

Der jüngste Gesetzesentwurf für eine neues milliardenschweres Sparpaket in der Arzneimittelversorgung bildete den inhaltlichen Schwerpunkt auf dem 6. Wirtschaftstag des Landesapothekervereines Sachsen-Anhalt. Bei der Veranstaltung am 29. September in Halberstadt erläuterte ABDA-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Rainer Braun die Inhalte des Sparpaketes, die Haltung der ABDA und die Ergebnisse eines Gespräches zwischen ABDA-Vertretern und Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt am Vortag.

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