Kommentar

Finanzentwicklung in der GKV - Reaktionen

In ersten Reaktionen auf die Bekanntgabe der Finanzentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) signalisieren die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Ų ABDA, der Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels Ų Phagro teilweise Zustimmung, nehmen aber auch kritisch Stellung.

ABDA: Arzneimittelpass hilft sparen

Hans-Günter Friese, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände – ABDA signalisierte Gesprächsbereitschaft: „Wenn Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt die derzeitige Ausgabensituation im Arzneimittelbereich angehen will, um den Einsatz lebensnotwendiger Arzneimittelinnovationen zu fördern, sind wir zu Gesprächen bereit“. Friese schloss sich inhaltlich der Einschätzung der Ministerin an, wonach die Gründe für die Ausgabenentwicklung besonders im vermehrten Einsatz innovativer Arzneimittel für chronisch Kranke lägen. Er begrüßte auch die Ankündigung von Ulla Schmidt, die Zuzahlungsregelungen zu ändern, da sie in ihrer jetzigen Form die Krankenkassen gegenüber 1999 mit rund 2 Mrd. DM belasten. Er bedauerte dagegen, dass der Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel nicht halbiert wird. Hier sieht Friese erhebliches Einsparpotenzial. Sparen könne man auch durch die Einführung einer Patientenchipkarte, die neben dem Arzneimittelpass allerdings die Möglichkeiten eines elektronischen Rezeptes bieten sollte. Außerdem sei darüber nachzudenken, den Apotheken die wirtschaftliche Auswahl bei wirkstoffidentischen Arzneimitteln zu überlassen, was ebenfalls Einsparmöglichkeiten biete. „Die Apothekerinnen und Apotheker sind bereit, verantwortlich an der Lösung der Ausgabenproblematik im Arzneimittelbereich mitzuwirken“, lautete Frieses abschließendes Signal nach Berlin und schlug vor, dies in einem zeitnah geführten Gespräch mit dem Ministerium zu erörtern.

BPI: Probleme hausgemacht

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) stimmte der Ministerin in ihrer Meinung zu, dass das Defizit in der Gesetzlichen Krankensicherung im 1. Halbjahr 2001 die Konsequenz „langjähriger Fehlsteuerung und erheblicher Strukturmängel“ sei. Dr. Hans Sendler, BPI-Hauptgeschäftsführer: „Ohne Verschiebebahnhöfe hätte die GKV fünf bis sechs Milliarden Mark weniger Ausgaben. Von einem Defizit könnte dann überhaupt keine Rede mehr sein“. Er sieht als weitere Belastung für die GKV die Ausgabensteigerung beim Krankengeld in Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Der Beurteilung der Ministerin, dass der Druck auf die Beitragssätze nicht allein in diesem Jahr und schon gar nicht allein durch die Arzneimittelausgaben in diesem Jahr“ entstanden seien, stimmte der BPI zu. „Der überwiegende Teil der über die GKV erstatteten Arzneimittel ist preisstabil“, erklärte Sendler. Erklärbar sei die Ausgabenentwicklung u. a. durch umsatzstarke Arzneimittelgruppen zur Bekämpfung von Volkskrankheiten und die schlechte Witterung in den Frühlingsmonaten. Im zweiten Quartal habe es einen Mehrbedarf an Grippe und Erkältungspräparaten gegeben. Außerdem führt Sendler Produktneueinführungen und Substitutionseffekte hin zu innovativeren Therapien als Faktor an. Wer hier Ausgabensteigerungen nicht wolle, solle den GKV-Versicherten klar sagen, dass der medizinische Fortschritt nicht mehr allgemein im Rahmen der sozialen Sicherung finanzierbar sei. BMG und Krankenkassen sollten die Einspareffekte durch Arzneimittel in anderen Bereichen, insbesondere dem stationären Sektor ausschöpfen. „Eine isolierte Betrachtung der Arzneimittelausgaben ist nicht sachgerecht“, erklärte der BPI-Hauptgeschäftsführer.

BAH: Arzneimittel werden wieder zum „Sündenbock“

Der Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) stellt in seiner Pressemitteilung fest, dass die Arzneimittel von Ministerin Schmidt erneut zum „Sündenbock“ für das GKV-Defizit gemacht werden. Der Anstieg der Arzneimittelausgaben sei in erster Linie auf die notwendige Verordnung innovativer Arzneimittel zur Behandlung von schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Erkrankungen und auf eine budgetbedingte Unterversorgung im Jahr 2000 zurückzuführen. Der Vorwurf, den Mehrkosten von Innovationen stünde kein entsprechender Nutzen gegenüber, weist der BAH zurück. Dies sei weder vom BMG noch von den Krankenkassen belegt. Die Arzneimittelpreisverordnung und die angesprochenen Bereiche der Distribution würden im Rahmen des Runden Tisches erörtert. Der BAH habe sich für die Beibehaltung des gegenwärtigen Distributionssystems für Arzneimittel ausgesprochen. Dagegen lehne der Verband eine Drehung der Preisspanne in dem Sinne, dass die Spannen für hochpreisige Arzneimittel gesenkt, für niedrigpreisige Arzneimittel z. B. zur Selbstmedikation aber erhöht werden, ab.

Phagro: Mehrwertsteuer endlich senken

Der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) fordert angesichts der Finanzentwicklung in der GKV die Bundesregierung auf, die Mehrwertsteer auf Arzneimittel zumindest auf den ermäßigten Satz von 7 Prozent zu senken. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erhalte der Bundesfinanzminister rund 5,2 Mrd. DM der GKV-Ausgaben als Steuereinnahme. Die Ausgaben der GKV für die Wertschöpfung des pharmazeutischen Großhandels betragen nach Phagro-Angaben im Vergleich dazu etwas über 3 Mrd. DM. Neben der Entlastung der GKV hätte die Mehrwertsteuersenkung auch eine ordnungspolitische Funktion: Arzneimittel seien zur Prävention und Therapie notwendig und gehörten somit zum Grundbedarf wie z. B. Lebensmittel.

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