DAZ aktuell

Spargesetz: Der neueste Stand der Diskussion

BERLIN (tmb). Die genauen Inhalte des Entwurfes zum Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz wurden mehrfach verändert. Noch immer wird über wichtige Details diskutiert, noch immer gehen Gerüchte über mögliche neue Änderungen um. Über den aktuellen Stand berichtete Dr. Frank Diener, ABDA, am 13. Oktober im Rahmen der Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern in Rostock.

Zunächst erinnerte Diener an die große Überraschung über den unerwarteten Gesetzentwurf. Doch habe die große Medienpräsenz aufgrund der schnellen Reaktion der ABDA geholfen, um die Aufmerksamkeit der Politik zu erhalten. Im Unterschied zu früheren Gesundheitsreformen erstaune ihn diesmal der veränderte Stil der Auseinandersetzung. So streue die pharmazeutische Industrie zum Teil bewusst Missverständnisse, es gehe bei der Aut-idem-Regel um die therapeutische Substitution, d.h. um aut simile. Doch stehe ein Austausch von unterschiedlichen Wirkstoffen keinesfalls zur Debatte.

Wirkungen auf Herstellerstufe ...

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahmen sollte stets zwischen Maßnahmen auf Hersteller- und Apothekenstufe unterschieden werden. Die Maßnahmen auf Herstellerstufe, d. h. insbesondere die Preisabsenkung, treffen keineswegs die Hersteller allein, was allerdings oft behauptet wird. Vielmehr wirken sich diese Maßnahmen auf alle Ebenen der Preisbildung - Hersteller, Großhandel, Apotheke und Staat (über die Mehrwertsteuer) - gemäß ihrem jeweiligen Anteil an der Wertschöpfung aus. Die Preisabsenkungen träfen damit alle Beteiligten etwa in dem Maße, wie sie zuvor an den Mehrausgaben profitiert hätten.

...und auf Apothekenstufe

Der erhöhte Kassenrabatt würde dagegen als Maßnahme auf Apothekenstufe allein die Apotheken treffen. Daher wende sich die ABDA entschieden gegen diese Maßnahme, die eine "apothekenspezifische Abstrafung" darstelle. Die finanziellen Probleme der GKV seien durch Zuwächse bei Innovationen im Hochpreisbereich entstanden. Aufgrund der Struktur der Arzneimittelpreisverordnung habe die Industrie hiervon überproportional profitiert. Es sei daher nicht einzusehen, warum nun die Apotheken überproportional belastet werden sollten, obwohl die Zuwächse anderswo lägen. ABDA-Vertreter hätten bei Angehörigen der SPD-Fraktion nach den Gründen für eine solche besondere Belastung der Apotheken gefragt, aber keine Antwort erhalten. In verschiedenen Änderungen des Gesetzentwurfes seit dem 24. September konnten allerdings wesentliche Abmilderungen aus Sicht der Apotheken erreicht werden. Die Belastung der Apotheken betrage jährlich etwa eine Milliarde DM, im Vergleich zu 1,5 Mrd. DM beim ursprünglichen Entwurf. Die GKV spare 3,5 Mrd. DM ein. Insbesondere der ursprünglich geplante gestaffelte Kassenrabatt sei seit dem Entwurf vom 1. Oktober nicht mehr vorgesehen. Nach Einschätzung Dieners hätte ein solcher Staffelrabatt "strukturell alles umgeworfen, was bisher die Arzneimittelversorgung ausmacht". Stattdessen sei nun eine Erhöhung des Rabattes von 5% auf 6% in allen Apotheken vorgesehen. Allerdings übersteige schon der bisherige Betrag die Einkaufsrabatte der Apotheken im GKV-Bereich, denn diese betrügen etwa 6 bis 7%, jedoch berechnet auf die Einkaufspreise.

Strukturvorteile durch Aut-idem

Die Details zur Aut-idem-Regel seien mehrfach geändert worden. Seit dem 8. Oktober werde eine Auswahl im unteren Preisdrittel vorgesehen, mindestens jedoch unter den preisgünstigsten fünf Präparaten. Dies sei eine praktikable Lösung. Grundsätzlich sei die Aut-idem-Regel zu befürworten. Der strukturelle Vorteil sei bedeutsamer als die finanziellen Einbußen. Es gehe für die Apothekerschaft darum, Kompetenz zu zeigen, nicht zuletzt um Einkommen zu rechtfertigen. Für die Krankenkassen seien mit der Aut-idem-Regel jährlich 900 Mio. DM einzusparen, sofern die Ärzte die Substitution immer zuließen. Dann gehe die Preisverantwortung auf die Apotheker über. Die Produktverantwortung bleibe beim Hersteller, die Therapieverantwortung beim Arzt.

Neue Idee zum Preisabschlag

Der Preisabschlag für rezeptpflichtige Nicht-Festbetragsarzneimittel solle nun 4% anstatt der zuvor geplanten 5% betragen. Doch kursiere hierzu seit dem Vortag ein ganz neuer Vorschlag, über den in der FAZ berichtet worden sei. Demnach solle der Preisabschlag in einen Rabatt der Industrie an die Krankenkassen umgewandelt werden. So sollten die Preise gehalten werden können, die zum Teil als Referenzpreise für die Preisbildung im Ausland dienen. Bei einer solchen Lösung würden die privaten Krankenversicherer nicht entlastet. Die Praktikabilität einer solchen Lösung sei aber ebenso fraglich wie die Details der Durchführung. Die geplanten Wirkstoffverordnungen bei der Entlassung aus dem Krankenhaus betrachtete Diener als strategisch sinnvoll. Auch gegen die Überprüfung der Me-too-Präparate habe die ABDA keine Einwände. Hier seien allerdings erhebliche rechtliche Schwierigkeiten zu erwarten, die vermutlich noch über die Probleme bei der Festsetzung der Festbeträge hinausgehen dürften.

Gesetzgebungsverfahren bis zum Weihnachtsfest

Für weitere Änderungen des Gesetzentwurfes bleibe wenig Zeit. Diese seien nur bis etwa um den 10. November noch realistisch. Für den 17. November sei die dritte Lesung im Bundestag vorgesehen, dann könne am 21. Dezember der Bundesrat folgen. Wenn der Bundestag dann noch eine mögliche Ablehnung des nicht zustimmungspflichtigen Gesetzes im Bundesrat überstimmen müsse, könne das Gesetz am 24. Dezember im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Dies wirft die Frage nach dem zeitlichen Rahmen für die praktische Umsetzung auf.

Was würde die "Drehung" bringen?

Im Rahmen der Diskussion verwies Diener auf die mögliche "Drehung" der Arzneimittelpreisverordnung als Angebot der ABDA für die Kostensenkung in der GKV. Eine Absenkung der Aufschläge im oberen Preisbereich könnte für die Apotheken durch höhere Aufschläge im unteren Bereich kompensiert werden, die zu einem großen Teil auf die Selbstmedikation entfielen. So sei eine Entlassung der GKV um jährlich etwa 800 Mio. DM möglich, wobei sich gängige OTC-Arzneimittel in der Größenordnung von etwas über 1 DM pro Packung verteuern würden. Dann wären auch niedrigpreisige Arzneimittel eher kostendeckend abzugeben und es entfielen die ökonomischen Anreize für den Versandhandel und die Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung. Obwohl die meisten Verbände im Gesundheitswesen dies befürworteten, lehne das Bundeswirtschaftsministerium den Vorschlag aus formalen Gründen ab. Nach Einschätzung Dieners würden die Regierungsparteien diesen Vorschlag vor der Bundestagswahl nicht aufgreifen. Ernst-Wilhelm Soltau, Präsident der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, betonte, dass auch die Beschlusslage der ABDA zu dieser Frage keineswegs eindeutig sei. Es gebe beispielsweise unterschiedliche Sichtweisen zwischen dem Deutschen Apothekerverband und der ABDA insgesamt.

Soll die ABDA datenmäßig verblöden?

Neben dem Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz wies Diener auf eine andere geplante Gesetzesänderung hin, die der ABDA größte Sorgen bereite. So sei vorgesehen, im Rahmen des Budgetablösungsgesetzes den § 300 SGB V zu ändern. Dort ist geregelt, dass die Apothekenrechenzentren ihre anonymisierten Daten für die verschiedensten Zwecke verwenden können. U. a. beziehen die ABDA und ihre Mitgliedsorganisationen hieraus ihre Informationen über den Arzneimittelmarkt. Nun solle statt dieser Regelung eine Formulierung erfolgen, nach der die Kassenärztlichen Vereinigungen diese Daten erhalten dürften. Nach Auffassung von Diener sollte diese neue Formulierung zusätzlich, aber nicht als Ersatz für die bisherige Regelung aufgenommen werden. Anderenfalls könnte die ABDA die politischen Prozesse nicht mehr begleiten, es würde eine asymmetrische Informationslage geschaffen. So sei zu fragen, ob die ABDA hier "datenmäßig verblödet" werden solle.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.