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Der Fall Stange: Weitere Zeugenaussagen

BIELEFELD (vs). Misstrauisch gegenüber Stange war die Zeugin W. aus Düsseldorf, die am Montag dieser Woche vor dem Landgericht Bielefeld vernommen worden ist, offenbar von Anfang an. Sie hatte sich aufgrund einer Chiffreanzeige für die Übernahme einer bestehenden Apotheke beworben.

Dubios seien bereits die ersten Kontaktaufnahmen im April 1995 gewesen, die zu fortgeschrittener Stunde telefonisch erfolgten und in denen sich ihr Gesprächspartner weigerte, seine Identität bzw. seine Rufnummer preiszugeben. Erst später sei ihr klar geworden, dass es sich dabei um Herrn Stange handeln musste. In diesen Gesprächen sei ihr die wirtschaftliche Machtposition Stanges erläutert worden. Er als Großunternehmer habe die Macht und den finanziellen Atem, bestehende Apotheken so zu schwächen, dass sie nach einiger Zeit schließen müssten. Auch habe er ihr die Frage gestellt, ob sie sich vorstellen könne, für ein Fixgehalt nach Art des Franchise-Systems eine Apotheke zu betreiben. Die Zeugin versteckte ihren Argwohn und vereinbarte mit Stange ein erstes Treffen, das auf dessen Wunsch am Bahnhof stattfand. Bei diesem Treffen versicherte er ihr, dass sie – wenn sie eine Apotheke von ihm übernehme – keinen Pfennig zur Finanzierung aufbringen müsse und er sämtliche mit der Apothekengründung einhergehenden Risiken übernehmen werde.

Feste Gehälter und Gewinnabschöpfungen

Der Beitrag der Zeugin bestehe lediglich darin, dass sie keinen Spitzengewinn erzielen könne, sondern mit festen Jahresentnahmen in Höhe von DM 100 000 leben müsse – natürlich auf Vertrauensbasis. Abschöpfungen zugunsten Stange sollten – was bislang von keinem Zeugen in dieser Ausdrücklichkeit gesagt worden ist – über sein Marketing- konzept stattfinden. Auch sollte Stange über das Computersystem Zugriff über die jeweiligen aktuellen Daten der Apotheke haben. Um sich ein näheres Bild von dem "Unternehmen Stange" zu machen, nahm sie wenige Tage später an einer Veranstaltung mit den mit Stange zusammengeschlossenen Apothekern in Leipzig teil. Dort fiel ihr, die zu dieser Zeit als angestellte Apothekerin tätig war, auf, dass die nach dem "vivas-Konzept" Stanges betriebenen Apotheken nahezu ausnahmslos von Apothekern geleitet worden seien, die entweder ohne jegliche Erfahrung ihre "Selbstständigkeit" begonnen hatten oder bereits in ihrem Erwerbsleben einmal gescheitert seien. In dieser Veranstaltung habe ihr Stange schließlich auch nicht die Übernahme einer bestehenden Apotheke, sondern die Neugründung einer solchen angeboten, wobei sie wählen konnte, ob sie den Standort Hamm oder Düsseldorf bevorzuge. Nachdem sie nach ihrer Rückkehr aus Leipzig in dieser Zeitung einen Warnhinweis bezüglich der von Stange angebotenen Apotheke gelesen hatte, nahm sie Kontakt zur Apothekerkammer Nordrhein auf, wo man sich noch sehr ahnungslos zeigte.

Zeugin als Maulwurf

Auf Bitten der Apothekerkammer hielt die Zeugin weiterhin den Kontakt, um weitere Informationen über das Vorhaben Stanges zu erhalten. In dem daraufhin zum Schein geführten weiteren Gespräch mit Stange erhielt sie sodann ihren Mietvertrag etc. ausgehändigt. Außerdem übergab ihr Stange einen Kaufvertrag über die Apothekeneinrichtung und einen Leasingvertrag über die Einrichtungsgegenstände, der allerdings erst nach Erteilung der Apothekenbetriebserlaubnis wirksam werden sollte. Stange habe sie, da sie die Verträge nicht sofort unterschreiben wollte, dazu gedrängt, wenigstens eine Optionsverzichtserklärung bezüglich des Mietvertrages zu unterschreiben, die er zu seiner Sicherheit benötige, falls es einmal Probleme miteinander gebe.

Die Vertragsformulare, die ggf. nur noch mit ihrer Unterschrift hätten ergänzt werden müssen, konnte sie sodann mit nach Hause nehmen. Daraufhin hatte sich die Zeugin nicht mehr bei Stange gemeldet und ihre Unterlagen der ABDA zur Verfügung gestellt. Diese war seinerzeit auf Suche nach Personen, die den bestehenden Verdacht gegen Stange, Kettenapotheken zu etablieren, erhärten konnten.

ABDA zahlt 12 000 DM an Zeugin

Unumwunden räumte die Zeugin ein, dass sie für die Preisgabe ihrer Informationen von der ABDA "finanzielle und politische Forderungen" gestellt habe. So wurde ihr denn auch ein Geldbetrag von 12 000 DM und Unterstützung für ihren ausländischen Lebensgefährten bei der Einbürgerung zugesagt. Des Weiteren sollten die Umstände um ihre Verwicklung mit Stange vertraulich behandelt werden. Eben diese Vorteile sind es nun, welche die Verteidigung Stanges dazu veranlassen, die Glaubwürdigkeit der Zeugin in Zweifel zu ziehen.

Eine wichtige Rolle soll dabei einem Schreiben der ABDA zukommen, aus welchem sich ergebe, dass die Zeugin nicht etwa diese Vorteile gefordert, sondern die ABDA sie von sich aus angeboten habe. Handelte es sich also bei ihren Angaben um solche, die von ihrem "Auftraggeber" ABDA bestellt waren? Die Zeugin bestritt dies und blieb bei ihrer Version, selbst Bedingungen für die Preisgabe der Informationen formuliert zu haben. Ein Schreiben, das die Version der Verteidigung unterstützen könnte, liegt dem Gericht auch bis heute nicht vor. Immerhin deckt sich die von der Zeugin geschilderte Version vom Stange-Verbund auch in vielen Punkten mit den Schilderungen weiterer Zeugen.

Nicht von Erfolg gekrönt war die für diesen Verhandlungstag ebenfalls geplante Vernehmung des Steuerberaters Stanges, Herrn Vogt. Nachdem dieser erfahren hatte, dass die Vernehmung seiner Ehefrau und weiterer Mitarbeiter seiner Kanzlei denkbar sei, berief er sich kurzerhand auf sein Zeugnisverweigerungsrecht, welches ihm gemäß § 52 StPO als ehemaligem Schwager Stanges zusteht.

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