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Der Fall Stange: Umfassende Einblicke in die Geschichte einer Apotheke

BIELEFELD (tmb). Der Verhandlungstag am 10. Juli im Fall Stange stand ganz im Zeichen der Vernehmung einer Apothekerin aus dem Stange-Verbund. Sie beschrieb ausführlich die Entwicklung der Apotheke und ihrer vertraglichen Beziehungen zu Stange und seinen Sub-Unternehmen.

Die Apothekerin S. war 1991 als Angestellte tätig gewesen und durch eine Zeitungsanzeige auf ein Angebot Stanges aufmerksam geworden. Ende 1991 hatte sie einen dreijährigen Mietvertrag für eine Apotheke abgeschlossen, die in einem damals noch in Planung befindlichen Einkaufszentrum in Sachsen errichtet werden sollte. Zeitgleich hatte sie eine Vereinbarung unterschrieben, derzufolge die Miete gestundet werden sollte, falls die Apotheke nicht einen Gewinn abwerfe, der dem Tarifgehalt eines angestellten Approbierten entspreche. Dies habe, so die Zeugin, ihrem Sicherheitsbedüfnis entsprochen. Doch sei der Text der Vereinbarung nicht erst auf ihren Wunsch hin formuliert worden. Die von ihr ausgewählte Bank hatte die Finanzierung zunächst wegen der kurzen Mietlaufzeit abgelehnt. Daraufhin wurde der Vertrag auf zehn Jahre verlängert. Gleichzeitig habe sie jedoch zusichern sollen, in erneute Vertragsverhandlungen zur Mietdauer einzuwilligen, falls sich der Apothekenumsatz überdurchschnittlich entwickeln sollte. Diese Zusatzvereinbarung sei der Bank allerdings nicht mitgeteilt worden.

Ärger über Rabatte

Die Apotheke wurde dann 1992 eröffnet und sei "sehr gut" angelaufen. Im September 1993 sei es dann zu ersten Differenzen mit Stange gekommen. Auslöser war eine Kürzung der bisherigen Rabatte seitens des pharmazeutischen Großhandels gewesen. Nachfragen beim Großhandel hatten ergeben, dass die Apotheke nur noch 6% Rabatt erhalte und 4% an Stange geleitet würden. Stange hätte dazu geäußert, die Apotheke würde ohne seine Mitwirkung einen so großen Rabatt ohnehin nicht erhalten. Nachdem die Apothekerin mit dem Großhandel vereinbart hatte, ihr den vollen Rabatt zu gewähren, war ihr der Mietvertrag durch den Untervermieter Medi-Center gekündigt worden. Weitere Differenzen mit Stange hatte es über die nach ihrer Ansicht unzureichend aufgeschlüsselte Nebenkostenabrechnung und über eine Beratungsrechnung gegeben. Die Zeugin hatte seine Beratung in Anspruch genommen, die Rechnung jedoch als unangemessen hoch betrachtet, schließlich jedoch bezahlt. Außerdem weigerte sie sich, den Mietvertrag auf drei Jahre zu verkürzen. Als die Kündigung ausgesprochen wurde, stand ein Umbau bevor. Darüber hatte Medi-Center offenbar ohne die Zeugin mit dem Einkaufszentrum verhandelt. Denn das Einkaufszentrum habe ihr schon "die Wände weggerissen", obwohl noch kein Mietvertrag über die geplante Erweiterungsfläche bestanden habe. Nach drei Kündigungen wurde Räumungsklage gegen sie erhoben, die zu einem Vergleich vor dem OLG Dresden führte. Dort wurde der Mietzins bestimmt und eine Vertragslaufzeit bis 2002 festgelegt. Außerdem sollte die Apothekerin 650 000 DM an den Untervermieter und 70 000 DM für die Beratung durch die Firma Duomed zahlen, obwohl nach ihrer Auffassung dieser Rechnung keine Leistungen mehr gegenüber gestanden hatten. Wegen eines Formfehlers bei der Freistellung Stanges von einer Bankbürgschaft sei dieser Vergleich aber später abgeändert worden. Die Summe sei weiter erhöht, sofort fällig und dann auch gezahlt worden.

Der Steuerberater

Wie schon bei früheren Verhandlungstagen ging es auch diesmal wieder um die Rolle des Steuerberaters Vogt. Die Zeugin hatte sich auf Empfehlung Stanges an Vogt gewandt. Später habe sie erfahren, dass Vogt ihre Umsatzdaten an Stange weitergeleitet hätte. Doch sei ohnehin vereinbart gewesen, dass Stange ihre Umsatzdaten erfährt, was der Zeugin als plausible Voraussetzung für die Beratung durch Stange erschienen sei. Vogt habe ihr gesagt, sie müsse sich einen anderen Steuerberater suchen, falls sie die Weitergabe der Daten verhindern wolle. Dies habe sie dann getan, woraufhin Stange sie zur Information über die Umsätze aufforderte. Weitere Reaktionen oder gar Vorhaltungen Stanges habe es aufgrund des Wechsels des Steuerberaters nicht gegeben.

Fester Gewinn oder nicht?

Für einige Verwirrung während der Verhandlung sorgten die Absprachen für den Fall einer "überdurchschnittlichen" Umsatzentwicklung der Apotheke. Der Vorsitzende Richter Schild legte der Zeugin Unterlagen der Firma Medi-Center vor, in denen tatsächliche Entnahmen und Entnahmeansprüche der Zeugin dargestellt wurden. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft befragte die Zeugin zu einer angeblichen Regelung, nach der ihr 85 000 DM Gewinn für Umsätze bis 1,3 Mio. DM und zusätzliche Anteile bei weiteren Gewinnen zugestanden haben sollen. Die Zeugin erklärte, erst Ende 1993 auf eine solche Regelung gestoßen zu sein. Nach ihrer Auffassung sei dies nicht vereinbart worden, obwohl Stange dies damals behauptet haben soll. Sie habe sich stets kostenbewusst verhalten und versucht, den Gewinn zu mehren. Wenn sie von einem festen Gewinn ausgegangen wäre, hätte ein solches Verhalten keinen Sinn gehabt, beschrieb sie ihre damalige Einschätzung der Vereinbarungen.

Befragung durch die Verteidigung

Bei der anschließenden Befragung der Zeugin durch den Verteidiger schilderte sie ihren Verdruss über die zurückliegenden Streitigkeiten, doch hätte sie andererseits wohl ohne Stange einen so erfolgreichen Standort nicht gefunden. Die Apotheke setze inzwischen etwa sechs bis sieben Mio. DM jährlich um. Die Verteidigung machte deutlich, dass die Miete in den ersten Monaten gestundet worden sei und Stange gegenüber der Bank und dem Computer-Leasing-Unternehmen umfangreiche Bürgschaften für die Zeugin abgegeben habe, was nicht in Rechnung gestellt worden sei. Nach der umfangreichen Erweiterung der Apotheke sei die Miete nicht erhöht worden. Außerdem habe die Apothekerin in der Anfangsphase häufig wegen praktischer Fragen in der Firma Stanges angerufen und sich dort vielfältige Ratschläge geholt. Es habe also tatsächlich eine umfassende Beratung stattgefunden. Auf Nachfrage der Verteidigung bestätigte die Zeugin, dass Stange sich nie in ihre pharmazeutische Unabhängigkeit eingemischt habe und auch nicht bestimmt habe, bei wem sie einkaufen sollte. Der Großhandel sei ihr empfohlen worden, doch habe sie diesen auch wechseln können.

Weitere Beweisanträge

Nach Vernehmung der Zeugin stellte die Verteidigung umfassende neue Beweisanträge. Sie beantragte, Umsätze und weitere Daten aus den verschiedenen Apotheken zu verlesen, die in Vertragsbeziehungen zu Stanges Unternehmen standen bzw. stehen. Damit solle die ansteigende Prosperität dieser Apotheken belegt werden, die sich von der durchschnittlichen Entwicklung von Apothekenneugründungen abhebe. Die Unterschiede zur üblichen Umsatzentwicklung solle durch Sachverständige belegt werden, wie z. B. Dr. Frank Diener, ABDA, und Vertreter der Treuhand Hannover. Außerdem sollten die Mietverträge der betroffenen Apotheken verlesen werden, um zu zeigen, dass diese individuell abgefasst sind, unterschiedliche Laufzeiten aufweisen und die wirtschaftliche und pharmazeutische Unabhängigkeit nicht tangieren. Hierzu sollten auch Vertreter der Aufsichtsbehörden befragt werden. Über diese Beweisanträge wird später entschieden. Zu einem früheren Beweisantrag der Verteidigung erklärte der Vorsitzende Richter Schild, die ABDA-Geschäftsführer Dr. Pieck und Tisch würden nicht geladen. Dies solle am nächsten Verhandlungstag begründet werden.

Der Verhandlungstag am 10. Juli im Fall Stange stand ganz im Zeichen der Vernehmung einer Apothekerin, die ihre Apotheke über Stange erhalten hatte. Sie beschrieb ausführlich die Entwicklung der Apotheke und ihrer vertraglichen Beziehungen zu Stange und den Unternehmen seines Einflussbereiches.

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