DAZ aktuell

Strafverfahren gegen Günter Stange eröffnet

BIELEFELD. Vor dem Landgericht Bielefeld wurde am 21. Februar 2000, begleitet von hoher öffentlicher Aufmerksamkeit, die Hauptverhandlung des Strafverfahrens gegen den Mindener Apotheker Günter Stange eröffnet. Man rechnet in diesem Hauptverfahren mit acht Verhandlungstagen. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hatte im August 1995 auf Grund einer Anzeige der ABDA und der Bundesapothekerkammer gegen Stange ein Ermittlungsverfahren (6 Js 130/95) wegen des Verdachts der Bildung einer Apothekenkette (Verstoß gegen § 23 ApoG) eingeleitet und dabei umfangreiches Material beschlagnahmt.

Die Vorgeschichte

Auf Basis der staatsanwaltlichen Ermittlung hatte die Bezirksregierung Detmold Stange mit Bescheid vom 1.6.1996 – mit der Begründung, er besitze nicht mehr die nach dem Apothekengesetz geforderte Zuverlässigkeit – die Betriebserlaubnis für seine Königstor-Apotheke in Minden entzogen. Dagegen hatte Stange zunächst Widerspruch eingelegt und, nachdem der Widerspruch Ende April 1997 zurückgewiesen worden war, kurz danach geklagt – u. a. mit der Begründung, im bundesdeutschen Apothekenrecht gebe es kein ausdrückliches Verbot des Mehr- und Fremdbesitzes von Apotheken.

Gestützt auf ein von ihm initiiertes Gutachten von Professor Taupitz, Mannheim, hatte Stange geltend gemacht, unabhängig von einer gegenläufigen deutschen Rechtsprechung verstoße das Fremd- und Mehrbesitzverbot sowohl gegen Verfassungs- wie auch Europarecht (v.a. Art. 12 und 14 GG bzw. Art. 52 EWG-Vertrag). Abgesehen davon habe er keine Apothekenkette betrieben. Da auch das OVG NW mit Beschluss vom 14.2.1997 seine Beschwerde gegen den Vollzug des Entzugs der Betriebserlaubnis ablehnte, legte er am 24.2.1997 Verfassungsbeschwerde ein.

Das Bundesverfassungsgericht gab seinem gleichzeitig eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt und setzte die Verfügung zum Entzug der Betriebserlaubnis bis zum Bescheid über die Annahme der Verfassungsbeschwerde aus; der Aussetzungsbeschluss wurde letztmals am 4. 8. 1998 wiederholt. Mit Beschluss vom 20. Januar 1999 (Az 1 BvR 327/97) wurde die Verfassungsbeschwerde von den Karlsruher Richtern nicht angenommen.

Knapp zwei Monate später gewährte das Oberverwaltungsgericht Münster Stange vorläufigen Rechtsschutz, indem es den Vollzug der Schließung seiner Königstor-Apotheke bis zur endgültigen Klärung der Vorwürfe im Hauptverfahren aussetzte. Dieses Hauptverfahren begann am letzten Montag vor dem Landgericht Bielefeld.

Anträge der Verteidigung

Die Verteidiger von Stange versuchten in der Hauptverhandlung mit Anträgen zunächst, was sie zuvor auch schon schriftlich vorgetragen hatten: das Verfahren solle an das Bundesverfassungsgericht bzw. den Europäischen Gerichtshof verwiesen werden. Der Vertreter der Anklage, Oberstaatsanwalt Burkhard Dannewald, wies diese Anträge als unbegründet zurück. Auch die Richter ließen durchblicken, dass sich die Kammer sehr wohl für zuständig halte.

Nach einer Prozessunterbrechung gaben die Richter ihren Beschluss bekannt, die Entscheidung über die von der Verteidigung gestellten Anträge einstweilen zurückzustellen, weil zunächst eine Sachklärung erforderlich sei, um die aufgeworfenen Rechtsfragen zu klären. Man werde weiter über die Anträge der Verteidigung nachdenken. Möglicherweise käme es ja durch die Klärung von Fakten zu einer neuen Einschätzung der Anträge der Verteidigung.

Stanges Erklärungen vor Gericht

Der erste Verhandlungstag war geprägt von einer schriftlich vorbereiteten Erklärung, die Stange dem Gericht vortrug, sowie von einigen Fragen des leitenden Richters zum Lebenslauf von Stange und zu einigen Darstellungen von Sachverhalten in der Anklageschrift. Etwa vom 4. Verhandlungstag an wolle man Zeugen vernehmen – unter anderem einen der Rechtsberater Stanges sowie seinen Steuerberater – beide hatte Stange auch den Apothekern empfohlen, an deren Apothekengründungen Stange in einer noch vom Gericht zu klärenden Weise beteiligt war.

Stange berichtete über diverse Apotheken, die er vor allem seit Ende der achtziger Jahre auf seinen Namen oder auf den seiner Frau bzw. Lebenspartnerin gegründet und oft nach kurzer Zeit wieder verkauft hatte. Dabei habe er viel gelernt. Eine besondere Rolle spielte dabei offensichtlich eine Apotheke in einem SB-Warenhaus in Edingen-Neckarhausen. Stange machte deutlich, dass er dabei 1989 mit unrealistischen Umsatzversprechungen über den Tisch gezogen worden sei (der Vermittler habe den Tagesumsatz mit dem Wochenumsatz verwechselt, statt der prognostizierten 2,2 Mio. Umsatz habe er nur 0,6 Mio. erzielt – und das bei Investitionskosten von 350 000 DM). Für diese Apotheke hatte er nach kurzer Zeit gleichwohl einen Nachfolger gefunden.

Nachdem er im Rahmen einer Scheidungsauseinandersetzung nach Minden zurückgekehrt war und dort 1990 die Königstor-Apotheke übernommen hatte, hat Stange nach eigener Darstellung seine Erfahrungen und Kontakte genutzt und sich mit der Neugründung von Apotheken beschäftigt – vorrangig in SB-Zentren, also in "außergewöhnlichen" Lagen, wo Ärzte und eine Wohnbevölkerung fehlten und es nach den üblichen Vorstellungen Apothekern schwer falle, erreichbare Umsätze zu prognostizieren. Solche Apotheken benötigten öfter eine längere Anlaufphase. Die Einkaufszentren seien an Apotheken interessiert, da sie in Apotheken einen Imagegewinn sähen. Apotheker dafür zu finden, sei nicht einfach. Es seien Erfahrungen nötig, die er nun gehabt habe. In der Beratung von jungen gründungswilligen Apothekern habe er eine Marktlücke gesehen – besonders mit Blick auf solche Einkaufszentren. Es sei ihm klar gewesen, dass man dafür geschlossene Konzepte – von der Anmietung und Herrichtung der Räume über die Einrichtung, die EDV, die Vorbereitung der Eröffnungsrevision bis hin zum Marketing – liefern müsste. Die Gespräche mit den gründungswilligen Apothekern habe er – auf Basis einer betriebswirtschaftlichen Prognose – in "den allermeisten Fällen" selbst geführt. Stange: "Wenn die Apotheke eröffnet war, habe ich mich zurückgezogen – von Einzelfällen abgesehen oder wenn ein konkretes Problem an mich herangetragen wurde".

Stange berichtete über seine Firmen Medi-Center und Duomed. In beiden Unternehmen war er zeitweilig auch Geschäftsführer. Medi-Center habe sich hauptsächlich mit der Anmietung von Räumen für Apotheker und Ärzte beschäftigt, Duomed mit dem Verkauf und dem Verleasen von Apothekeneinrichtungen, mit der Vermittlung von Apotheken-EDV sowie mit dem Marketing für Apotheken. Die Komplettpreise von Duomed seien sehr günstig gewesen – zwischen 298 000 DM und, bei besserer Ausstattung, 348 000 DM. Dafür habe Duomed bis zur Revisionsfähigkeit alles organisiert. Medi-Center hat die Räume im rohen Zustand von den Center-Betreibern angemietet, hergerichtet und dann an die Apotheker weitervermietet. Die Mietverträge hätten, so Stange, in der Regel nur eine Laufzeit von drei Jahren gehabt, später auch fünf Jahre, noch später drei Jahre mit zwei weiteren Optionsmöglichkeiten.

Auf die Frage des Richters, ob es Vereinbarungen über Garantien oder über den Rückkauf gegeben habe, meinte Stange: "Es hat die Zusage gegeben, Verpflichtungen zu stunden", wenn die erwarteten Umsätze bzw. Erträge – Einkommen für die Apotheker zwischen 80000 bis 100 000 DM pro Jahr – sich nicht einstellten. Stange: "So konnte der Apotheker sich wohl fühlen". Manchmal habe er sich auch um die Finanzierung gekümmert. Da dies wegen der außergewöhnlichen Standorte nicht immer einfach war, sei ein ihm verbundener Einrichter aus Nürnberg auf die Idee gekommen, die Einrichtung zu verleasen. Dazu habe er sich von Professor Schiedermeier, ein renommierter Kommentator des Apothekenrechts, Rechtsrat geholt. Leasing sei möglich, wenn es sich nicht auf alles beziehe. So sei man dann vorgegangen. Eine Komplettvermietung sei wegen Verstoß gegen § 9 ApoG nicht in Frage gekommen.

Auf Frage des Richters meinte Stange, auch bei der Beschaffung der Betriebserlaubnis sei er behilflich gewesen; und auch die so genannte "Eidesstattliche Versicherung" könne zu diesen Unterlagen, die er den Apothekern auf Diskette zur Verfügung gestellt habe, gehört haben. Allerdings habe er die "Eidesstattliche Versicherung" nicht selbst formuliert, sondern von "irgend jemand übernommen".

Immer der gleiche Steuerberater?

Stange bestätigte auf Befragen, dass er seinen Apothekern ein Steuerberatungsbüro, an dem sein ehemaliger Schwager beteiligt sei, "empfohlen" habe. Ähnliche "Empfehlungen" habe es auch für die Rechtsberatung und die Marketingberatung gegeben. "Wenn ein Apotheker einen anderen hätte wählen wollen, hätte er es gekonnt" – so Stange.

Es gab "kein Gemeinschaftsmandat". Die meisten Apotheker seien allerdings bei dem von ihm empfohlenen Steuerberater geblieben, so räumte er ein. Es habe, so Stange weiter, von seiner Seite mit dem Steuerberater Gespräche gegeben, "inwieweit die von mir prognostizierten Umsätze auch eingetreten waren".

Vor dem Landgericht Bielefeld wurde am 21. Februar die Hauptverhandlung gegen den Mindener Apotheker Günther Stange eröffnet. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hatte vor fünf Jahren aufgrund einer Anzeige der ABDA und der Bundesapothekerkammer gegen Stange ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer Apothekenkette eingeleitet.

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