Arzneimittel und Therapie

Rivastigmin bei Parkinson-Demenz

Die auffälligsten Symptome der Parkinson-Erkrankung sind motorischer Art: Rigor, Tremor und Hypo- oder Akinese. Daneben kommen aber auch kognitive Beeinträchtigungen vor, die häufig zur Demenz fortschreiten. Insgesamt entwickeln etwa 40 bis 70% der Parkinson-Patienten eine Demenz. Rivastigmin (Exelon®) erzielte bei Parkinson-Patienten mit Demenz leichte Verbesserungen der Demenz-Symptome. Allerdings traten unter der sechsmonatigen Behandlung vermehrt Übelkeit, Erbrechen und Tremor auf.

Demenzen mit Lewy-Körperchen

Eine Demenz, die erst frühestens zwei Jahre nach der Diagnose der Parkinson-Krankheit auftritt, bezeichnet man als Parkinson-Demenz. Klinisch ähnelt die Parkinson-Demenz der Alzheimer-Demenz. Parkinson-Patienten mit Demenz haben aber größere Aufmerksamkeits-Schwankungen, häufiger visuelle Halluzinationen und weniger schwere Gedächtnisprobleme als Alzheimer-Patienten. Risikofaktoren für eine Parkinson-Demenz sind hohes Lebensalter, behandlungsinduzierte visuelle Halluzinationen und schwere Bewegungssymptome.

Eine Demenz, die bis zu zwei Jahre nach der Parkinson-Diagnose auftritt, heißt diffuse Lewy-Körperchen-Erkrankung. Gemeinsam ist ihr mit der Parkinson-Demenz das Vorkommen von Lewy-Körperchen, Alpha-Synuclein-haltigen Einschlüssen im Zytoplasma von Nervenzellen, in neokortikalen und paralimbischen Regionen. Parkinson-Patienten ohne Demenz weisen Lewy-Körperchen nur in subkortikalen Strukturen wie der Substantia nigra auf.

Acetylcholin-Mangel

Die kognitiven und neuropsychiatrischen Symptome von Parkinson-Patienten mit Demenz stehen im Zusammenhang mit einem ausgeprägten cholinergen Defizit. Rivastigmin hemmt sowohl die Acetylcholinesterase als auch die Butyrylcholinesterase. Wirksamkeit und Sicherheit von Rivastigmin in einer Tagesdosis von 3 bis 12 mg wurden in einer randomisierten, plazebokontrollierten, multizentrischen Studie an Parkinson-Patienten mit Demenz untersucht. Die Patienten waren mindestens 50 Jahre alt, hatten die Diagnose Parkinson und mindestens zwei Jahre später die Diagnose Demenz gestellt bekommen. Die Demenz war leicht bis mäßig stark ausgeprägt.

 

Rivastigmin schrittweise aufdosiert


Zwei Drittel der Patienten erhielten Rivastigmin, ein Drittel Plazebo zur 24-wöchigen Einnahme. Während einer 16-wöchigen Aufdosierungsphase wurde die Rivastigmin-Dosis von anfangs 1,5 mg in Intervallen von mindestens vier Wochen um jeweils 3 mg bis zur höchsten individuell verträglichen Dosis gesteigert.

Primäre Wirksamkeitskriterien waren:

  • der Punktwert auf der kognitiven Unterskala der Alzheimer's Disease Assessment Scale (ADAS-cog) und
  • der Punktwert der Alzheimer's Disease Cooperative Study-Clinician's Global Impression of Change (ADCS-CGIC) jeweils nach 24 Wochen.

Sekundäre Wirksamkeitskriterien waren die Punktwerte in sechs weiteren Tests (siehe Kasten) nach 24 Wochen.

541 Patienten nahmen teil, 362 bekamen Rivastigmin und 179 Plazebo. Die Patienten waren durchschnittlich 73 Jahre alt. 35% waren Frauen. 91% litten an zusätzlichen Krankheiten, 40% an psychiatrischen und 36% an Gefäßerkrankungen.

131 Patienten (24%) – 27% der mit Rivastigmin und 18% der mit Plazebo Behandelten – brachen die Behandlung vorzeitig ab. Bei 17% der mit Rivastigmin und 8% der mit Plazebo Behandelten waren Nebenwirkungen der Grund für den Therapieabbruch. Am Ende der Aufdosierung nahmen die Patienten durchschnittlich 8,6 mg Rivastigmin ein.

Leichte symptomatische Verbesserungen mit Rivastigmin ...

Patienten der Rivastigmin-Gruppe verbesserten ihren ADAS-cog-Wert (von 23,8 Punkten) um durchschnittlich 2,1 Punkte, Patienten der Plazebo-Gruppe verschlechterten ihn (von 24,3 Punkten) um durchschnittlich 0,7 Punkte. Der Unterschied war signifikant.

Der ADCS-CGIC-Wert lag nach 24 Wochen in der Rivastigmin-Gruppe im Mittel bei 3,8 und in der Plazebo-Gruppe bei 4,3. Signifikant mehr Patienten der Rivastigmin-Gruppe (19,8% gegenüber 14,5%) hatten eine klinisch bedeutsame, also mäßige bis ausgeprägte Verbesserung des Gesamteindrucks, signifikant mehr Patienten der Plazebo-Gruppe (23,1% gegenüber 13,0%) eine klinisch bedeutsame Verschlechterung. In allen sekundären Wirksamkeitskriterien erzielte die Rivastigmin-Gruppe signifikant bessere Ergebnisse.

... aber mehr Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen der Rivastigmin-Einnahme waren Übelkeit (29,0% gegenüber 11,2%), Erbrechen (16,6% gegenüber 1,7%) und Tremor (10,2% gegenüber 3,9%). Die meisten Nebenwirkungen waren leicht bis mäßig ausgeprägt. Schwere Nebenwirkungen betrafen 13,0% der mit Rivastigmin und 14,5% der mit Plazebo Behandelten. Vier Patienten der Rivastigmin-Gruppe und sieben der Plazebo-Gruppe verstarben während der Studie.

Fazit

Demnach führt Rivastigmin bei Parkinson-Demenz zu mäßigen, aber signifikanten Verbesserungen aller Demenz-Symptome. Die Effekte von Rivastigmin waren in dieser Studie ähnlich groß, wie sie von Alzheimer-Patienten bekannt sind. Rivastigmin hat allerdings auch – überwiegend cholinerge – Nebenwirkungen, wie Übelkeit und Erbrechen. Ein Teil der Patienten erleidet eine Verschlechterung des Parkinson-Symptoms Tremor.

Susanne Wasielewski, Münster


Quelle

Emre, M., et al.: Rivastigmine for dementia associated with Parkinson’s disease. N. Engl. J. Med. 351, 2509 –  2518 (2004).Press, D. Z.: Parkinson’s disease dementia
 –  a first step? N. Engl. J. Med. 351, 2547
 –  2549 (2004).

Sekundäre Wirksamkeitskriterien

  • Alzheimer's Disease Cooperative Study-Activities of Daily Living: Alltagsaktivitäten
  • 10-item Neuropsychiatric Inventory: Verhaltenssymptome
  • Mini-Mental State Examination: kognitiver Befund
  • Cognitive Drug Research power of attention tests: Aufmerksamkeit
  • Delis-Kaplan Executive Function System Verbal Fluency Test: Wortgewandtheit
  • Ten Point Clock-Drawing Test: kognitiver Befund

 

Primäre Wirksamkeitskriterien

Mit ADAS-cog werden Orientierung, Gedächtnis, Sprache, räumliches Sehen und praktische Funktionen auf einer 70-Punkte-Skala eingestuft.

ADCS-CGIC ist eine 7-Punkte-Skala, auf der die Veränderung des klinischen Zustands gegenüber dem Ausgangswert als Gesamteindruck beurteilt wird. 1 = ausgeprägte Verbesserung, 2 = mäßige Verbesserung, 3 = minimale, also klinisch nicht bemerkbare Verbesserung, 4 = keine Veränderung, 5 = minimale, also klinisch nicht bemerkbare Verschlechterung, 6 = mäßige Verschlechterung, 7 = ausgeprägte Verschlechterung.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.