Arzneimittel und Therapie

Influenza: Besser gerüstet durch Impfung und kausale Therapie

Noch nie zuvor hatten die Influenzaviren kurz vor Saisonbeginn so schlechte Karten wie in diesem Jahr. Denn erstmals steht nicht nur eine Prophylaxe durch die Impfung zur Verfügung, sondern auch eine kausale Therapie mit dem Virostatikum Zanamivir (Relenza®), das im Juni 1999 die EU-Zulassung erhalten hat und in den nächsten Wochen in den Handel kommen wird.

Die Influenza-Welle im Winterhalbjahr 1995/96

Am Beispiel der ausgeprägten Influenza-Welle im Winterhalbjahr 1995/96 ließen sich die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Infektion eindrucksvoll aufzeigen: Etwa 45% der Krankmeldungen in diesem Zeitraum standen im Zusammenhang mit akuten Atemwegserkrankungen und Influenza-Infekten. Aber auch in einer Grippe-Saison mit geringerer Häufigkeit von Influenza-Fällen ist die gemeldete Arbeitsunfähigkeit bei etwa einem Viertel aller Fälle durch Infektionen des Respirationstraktes bedingt.

Im vergangenen Winter wurden wegen Influenza-Infekten 4,5 Millionen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt bzw. die Notwendigkeit häuslicher Pflege bescheinigt. Mehr als die Hälfte, so wird geschätzt, waren Arbeitnehmer im Alter zwischen 16 und 60 Jahren.

Wer soll sich impfen lassen?

Bei der Impfstoff-Herstellung werden die jeweils neuesten Empfehlungen der WHO berücksichtigt, damit die Antigen-Zusammensetzung möglichst optimal auf die zu erwartenden Influenzaviren zugeschnitten ist. Die Impfung sollte im Herbst erfolgen, in den Monaten September oder Oktober, damit bei Saisonbeginn ein wirksamer Impfschutz besteht.

Offiziell wird die Impfung für Risikopersonen empfohlen:

  • vor allem bei bestehender kardialer Grunderkrankung, bei chronischen bronchopulmonalen Leiden, bei chronischen Nierenerkrankungen und bei chronischen Stoffwechselkrankheiten sowie beim Vorliegen angeborener oder erworbener Immundefekte,
  • für alle Personen über 60 Jahre,
  • für Personen, die durch ihren Beruf in erhöhtem Maß einer Infektion ausgesetzt sind oder selbst durch ihre Berufstätigkeit die Infektion auf andere übertragen können.
  • Bei Schwangeren sollten die Risiken der Influenza-Infektion gegen die potenziellen Impfrisiken sorgfältig abgewogen werden.

In der Praxis sah es bis vor kurzen noch so aus, dass sich (in Deutschland) nicht einmal 10% der für die Impfung in Frage kommenden Risikopersonen impfen ließen: Im Jahr 1995 waren bei uns 65 von 1000 Risikopersonen geimpft, während es in Spanien 150 und in den USA sogar knapp 200 von 1000 waren. Dass die Aufklärung langsam Früchte trägt, zeigt die aktuelle Bilanz: im letzten Winter wurden von den Herstellern immerhin rund neun Millionen Impfstoff-Dosen abgegeben.

Was bringt die Impfung?

Es stellte sich immer wieder die Frage, ob man die Impfempfehlungen ausweiten sollte. Inzwischen wurden verschiedene Studien durchgeführt, die den Nutzen groß angelegter Impfkampagnen bestätigen. Eine 1995 im New England Journal of Medicine publizierte plazebokontrollierte Doppelblindstudie mit gesunden Arbeitnehmern im Alter zwischen 18 und 64 Jahren zeigte, dass bei geimpften Personen 43% weniger Arbeitsunfähigkeitstage und 44% weniger Arztbesuche infolge Atemwegsinfektionen registriert wurden als bei Kontrollen ohne Grippe-Impfung.

Eine im März diesen Jahres in der Zeitschrift JAMA veröffentlichte Untersuchung sollte klären, welche Vorteile die konsequente Impfung von Personen bringt, die in den verschiedenen Gesundheitsberufen tätig sind. Das Alter der Studienteilnehmer lag unter 50 Jahren, und der Beobachtungszeitraum erstreckte sich über drei Jahre. Man kam zu folgenden Resultaten: die Zahl der Erkrankungstage infolge eines fieberhaften Atemwegsinfekts war in der Impfgruppe 53% geringer als in der Kontrollgruppe. Eine Analyse der Antikörpertiter bestätigte, dass knapp 90% vor einer Influenza A und B geschützt waren. Aufgrund dieser überzeugenden Ergebnisse empfehlen die Autoren der Studie die jährliche Impfung von Personen, die im Gesundheitswesen beschäftigt sind.

Die Rolle der Neuraminidase

Mit der EU-Zulassung des ersten Neuraminidasehemmers Zanamivir (Relenza") eröffnen sich neue Perspektiven in der Influenza-Therapie. Bei der viralen Neuraminidase handelt es sich um ein Enzym, das die Freisetzung neuer Viren aus infizierten Zellen ermöglicht und das den Viren eine gewisse Mobilität verleiht, was deren Ausbreitung im Respirationstrakt erleichtert. Außerdem macht die Neuraminidase den zähen Schleim in den Atemwegen für die Grippeviren leichter passierbar.

Zanamivir ist ein hochspezifischer Hemmer der Neuraminidase der Influenzaviren A und B. Er wurde mit Hilfe des gezielten Molecular Modelling am Computer entwickelt. Dabei konnte man auf die durch Röntgenstrukturanalyse gewonnenen Erkenntnisse über die dreidimensionale Struktur der Oberflächenproteine dieser Viren zurückgreifen. Zanamivir passt exakt in die Bindungsstelle des Proteins, das in einer Region lokalisiert ist, die von Mutationen verschont bleibt.

Was darf man von den Neuraminidasehemmern erwarten?

In den bisher durchgeführten Studien zeigte das mit Hilfe eines Diskhalers in die Atemwege eingebrachte Zanamivir eine günstige Wirkung auf die Symptome und die Dauer der Influenza. Voraussetzung für diesen Effekt ist die möglichst frühzeitige Anwendung, am besten bei den ersten Anzeichen der Erkrankung. Daher auch der Empfehlung des Herstellers: Die Behandlung sollte am ersten oder spätestens am zweiten Tag mit Grippe-Symptomen begonnen werden.

Da es bekanntlich nicht immer einfach ist, einen schweren, banalen grippalen Infekt von einer "echten" Influenza abzugrenzen, muss in der Epidemiezeit die Indikation für die Anwendung eher großzügig gestellt werden. Wenn die Symptome sich ganz plötzlich bemerkbar machen, mit Schüttelfrost und rasch ansteigendem Fieber einhergehen und wenn gleichzeitig Kopf- und Gliederschmerzen angegeben werden, spricht das für eine Influenza.

Zanamivir lässt die Symptome bei frühzeitigem Therapiebeginn rasch abklingen, mit deutlicher Besserung bereits nach einem Tag; als besonders effizient erwies sich Zanamivir bei Patienten mit Fieber. In den Studien waren solche Patienten drei Tage früher symptomfrei als die Kontrollpatienten unter Plazebo und konnten ihren normalen Aktivitäten eher wieder nachgehen. Zanamivir kann nicht nur zur Behandlung der Influenza eingesetzt werden, sondern in Epidemiezeiten auch zur Prophylaxe, damit es erst gar nicht zu Grippesymptomen kommt.

Noch nie zuvor hatten die Influenzaviren kurz vor Saisonbeginn so schlechte Karten wie in diesem Jahr. Denn erstmals steht nicht nur eine Prophylaxe durch die Impfung zur Verfügung, sondern auch eine kausale Therapie mit dem Virustatikum Zanamivir (Relenza), das im Juni 1999 die EU-Zulassung erhalten hat und in den nächsten Wochen in den Handel kommen wird.

Influenza-Impfstoffe für die Saison 1999/2000

Die Antigenzusammensetzung und die Stämme von Influenzaimpfstoffen für die nördliche Hemisphäre wird einmal jährlich aufgrund von Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegt. Für die Influenzasaison 1999/2000 wird ein Influenza-Impfstoff empfohlen, der die folgenden drei Komponenten enthält:

  • als Influenza-A (H3N2)-Komponente ein dem Referenzstamm A/Sydney/5/97 ähnlichen Stamm,
  • als Influenza-A (H1N1)-Komponente ein dem Referenzstamm A/Beijing/ 262/95 ähnlichen Stamm,
  • als Influenza-B-Komponente ein dem Referenzstamm A/Beijing/184/ 93 ähnlichen Stamm.

Gegenüber der abgelaufenen Saison haben sich damit keine Änderungen ergeben.

Influenza-Impfstoffe für die Saison 1999/2000:

  • Begrivac 1999/2000, Chiron Behring, 65835 Liederbach
  • Grippe Impfstoff Chiron 99/200, Chiron S.P.A., 65835 Liederbach
  • Grippe Impfstoff 99/200 PB, PB Pharma AG, 40670 Meerbusch
  • Inflexal S 99/2000, Niddapharm GmbH, 61118 Bad Vilbel
  • Influsplit SSW 99/2000, SmithKline Beecham Pharma GmbH, 80804 München
  • Influvac 99/2000, Solvay Arzneimittel GmbH, 30173 Hannover
  • Mutagripp 99/2000, Pasteur Mérieux MSD GmbH, 69181 Leimen.

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