Arzneimittel und Therapie

Wie viele Diabetiker gibt es?

Eine Analyse epidemiologischer Studien zeigt, daß die Diabetesprävalenz von den zugrundegelegten diagnostischen Kriterien abhängt. Die Anwendung amerikanischer Richtlinien (WHO- und ADA-Kriterien) führt in der Regel zu einer höheren Diabetesprävalenz.


In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Diabetiker kontinuierlich gestiegen. Eine rechtzeitige Diagnose und Therapie sind vor allem im Hinblick auf diabetische Spätschäden (insbesondere mikrovaskuläre Komplikationen) wichtig. Das Vorliegen eines Diabetes kann nach unterschiedlichen Richtlinien definiert werden:

  • Den Richtlinien der ADA (American Diabetes Association) zufolge liegt bei Nüchternblutzuckerwerten von 7,0 mmol/l (entsprechend 126 mg/dl) ein Diabetes vor.
  • Die WHO sieht Werte von 11,1 mmol/l (entsprechend 200 mg/dl) zwei Stunden nach einem Glucosetoleranztest (Belastungstrunk mit 75 g wasserfreier Glucose) als pathologisch an.

Die DECODE-Studie


In der DECODE-Studie (diabetes epidemiology: collaborative analysis of diagnostic criteria in Europe) wurde untersucht, ob die Anwendung unterschiedlicher Meßkriterien Einfluß auf die Diabetesprävalenz hat. Zu diesem Zweck wurden die Daten von 16 Studienpopulationen aus acht europäischen Ländern herangezogen. Von 17881 Männern und 8303 Frauen lagen neben dem Körpermassenindex, Alter und gegebenenfalls dem Diabetestyp die Nüchternglucosewerte und die Werte zwei Stunden nach einem Glucosetoleranztest vor. Mit Hilfe dieser Daten wurde nun die Diabetesprävalenz nach WHO- und ADA-Kriterien ermittelt.

Unterschiedliche Ergebnisse

  • {te}Die Anwendung der amerikanischen diagnostischen Kriterien auf die europäischen Studienpopulationen ergab eine andere Diabetesprävalenz als nach den Vorgaben der WHO. Bei einigen Studienpopulationen wurde ein Abnahme der Diabetesprävalenz, bei anderen eine deutliche Zunahme ermittelt. Auf die gesamte Studienzahl bezogen betrug die Prävalenz nach WHO-Kriterien 7,2%, nach ADA-Kriterien 7,7%.
  • Auf 1517 Studienteilnehmer, bei denen bislang noch kein Diabetes diagnostiziert worden war, trafen entweder die WHO- oder die ADA-Kriterien zu. Doch nur bei 45% der 1044 Diabetiker gemäß der ADA-Richtlinien wurden auch die WHO-Kriterien erfüllt (d.h. der Blutzuckerspiegel lag zwei Stunden nach dem Glucosetoleranztest über 11,1 mmol/l). Andererseits hatten 52% der 904 Diabetiker der WHO-Kriterien keine auffallenden Nüchternwerte; d.h. auf sie trafen die ADA-Kriterien nicht zu. Das bedeutet, daß auf nur 28% dieser erstmals identifizierten 1517 Diabetiker beide Kriterien zutrafen.
  • Die Unterschiede bei der Diabetesprävalenz nach ADA- und WHO-Kriterien nivellierten sich mit zunehmendem Alter und steigendem Körpermassenindex.

Literatur
DECODE Study Group: Will new diagnostic criteria for diabetes mellitus change phenotype of patients with diabetes? Reanalysis of European epidemiological data. Br. Med. J. 317, 371-375 (1998).
Wareham, N., et al: The changing classification and diagnosis of diabetes. Br. Med. J. 317, 359-360 (1998). Dr. Petra Jungmayr, Esslingen

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