Arzneimittel und Therapie

Schützen orale Kontrazeptiva vor erblichem Eierstockkrebs?

Als wirksame Maßnahme zum Schutz vor erblichem Ovarialkarzinom galt bislang nur die Entfernung beider Eierstöcke. Auch die langfristige Einnahme oraler Kontrazeptiva scheint das Erkrankungsrisiko deutlich zu reduzieren. Dies ergab eine Fall-Kontroll-Studie mit über 200 Patientinnen und rund 160 gesunden Schwestern.


Das Ovarialkarzinom ist eine heimtückische Erkrankung: Es verursacht selbst in fortgeschrittenen Stadien keine spezifischen Symptome, kann durch Screeningtests nicht sicher erkannt werden und hat auch keine klar definierten Risikofaktoren.

Erbliches Risiko


Der bedeutsamste der bislang vermuteten Risikofaktoren für die Entstehung eines Ovarialkarzinoms ist das Vorkommen von Ovarial- oder Mammakarzinomen in der Familie. Etwa 10% aller invasiven epithelialen Ovarialkarzinome sind erblich. Die meisten davon betreffen Frauen mit Keimzellmutationen im BRCA1- oder im BRCA2-Gen. Frauen mit Mutationen des BRCA1-Gens sollen ein Erkrankungsrisiko von 45% haben, Frauen mit Mutationen des BRCA2-Gens ein Erkrankungsrisiko von 25%. Bei diesen Frauen wird nach Strategien gesucht, um das Risiko zu senken.

Wie kann man vorsorgen?


Einerseits kann mit regelmäßigen Ultraschalluntersuchungen nach Tumoren gefahndet werden. Der Erfolg ist allerdings noch unklar. Andererseits versucht man, bereits die Entstehung von Ovarialkarzinomen zu verhindern. Bei Frauen, die keine Kinder mehr bekommen wollen, können hierzu beide Eierstöcke entfernt werden. Die Methode ist hochwirksam zum Schutz vor Ovarialkarzinomen. Gelegentlich (in einer Studie bei 1,8% der Frauen aus Hochrisikofamilien) tritt allerdings danach ein primäres Peritonealkarzinom auf.

Schützen orale Kontrazeptiva?


Das Risiko sporadisch auftretender Ovarialkarzinome kann auch durch die langfristige Einnahme oraler Kontrazeptiva gesenkt werden. Die Wirkung beruht wahrscheinlich auf der Ovulationshemmung. Ob sich das Risiko eines erblichen Ovarialkarzinoms ebenfalls durch orale Kontrazeptiva senken läßt, wurde jetzt in einer Fall-Kontroll-Studie untersucht.

Fall-Kontroll-Studie


Fallpatientinnen waren 207 Frauen, bei denen ein invasives epitheliales Ovarialkarzinom diagnostiziert worden war und die eine Keimzellmutation des BRCA1- (n=179) oder BRCA2-Gens (n=28) trugen. Als Kontrollen dienten 161 Schwestern, die nicht an Eierstockkrebs erkrankt waren. Erfaßt wurden alle noch lebenden Schwestern, unabhängig davon, ob sie Mutationen aufwiesen oder nicht. 50 Schwestern trugen BRCA1-Mutationen, drei trugen BRCA2-Mutationen, 42 hatten keine Mutationen, 66 wurden nicht auf Mutationen untersucht.
Alle Frauen wurden gefragt, ob und wie lange sie orale Kontrazeptiva eingenommen hätten. Außerdem wurde erfaßt, ob einer oder beide Eierstöcke chirurgisch entfernt worden waren.
50% der Fallpatientinnen, aber 70% der Kontrollen hatten irgendwann orale Kontrazeptiva angewendet. Die Fallpatientinnen taten dies im Mittel vier Jahre lang und damit signifikant kürzer als die Kontrollen (sechs Jahr lang).
Besonders interessant ist die Untergruppe der Kontrollen, die wie ihre erkrankten Schwestern Mutationen aufwiesen (n=53). Von ihnen hatten sogar 77% orale Kontrazeptiva eingenommen, und zwar im Mittel fünf Jahre lang. Von den Kontrollen ohne Mutationen waren es 64%, von den nicht auf Mutationen untersuchten Kontrollen 67%.
Bei 67 Kontrollen waren bereits beide Eierstöcke entfernt worden. Sie hatten aber etwa zum selben Prozentsatz zuvor orale Kontrazeptiva eingenommen wie die übrigen Kontrollen.

Ergebnisse


Bei der Multivarianzanalyse wurden als mögliche Störfaktoren Tubenligatur, Zahl der Schwangerschaften und Alter bei der ersten und der letzten Geburt berücksichtigt. Die Analyse ergab:

  • Frauen, die jemals orale Kontrazeptiva eingenommen hatten, hatten gegenüber Frauen, die nie orale Kontrazeptiva angewendet hatten, ein relatives Risiko von 0,5, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken.
  • Bei einer Einnahme über mindestens sechs Jahre sank das Erkrankungsrisiko sogar um 60%.
  • Die Risikoreduktion unterschied sich nicht zwischen Mutationsträgerinnen im BRCA1- und im BRCA2-Gen.

Kritische Betrachtung


Demnach scheinen orale Kontrazeptiva das Risiko eines Ovarialkarzinoms bei Frauen mit pathogenen Mutationen im BRCA1- oder BRCA2-Gen zu senken. Allerdings ist die Studie eine retrospektive multizentrische Fall-Kontroll-Studie und damit in ihrer Aussagekraft nicht mit einer randomisierten Studie zu vergleichen. Insbesondere sind folgende Schwächen anzumerken:

  • Nur die noch lebenden Ovarialkarzinompatientinnen wurden erfaßt. Daher ist nicht auszuschließen, daß orale Kontrazeptiva die Sterblichkeit am Ovarialkarzinom erhöhen können.
  • Die ideale Kontrollgruppe wären nur die Frauen gewesen, die dieselbe Mutation wie die erkrankte Schwester trugen und im Erkrankungsalter ihrer Schwester noch beide Eierstöcke hatten. Diese Gruppe war allerdings zu klein für signifikante Ergebnisse.


Unklar ist noch, ob orale Kontrazeptiva das ohnehin hohe Brustkrebsrisiko bei den Mutationsträgerinnen noch erhöhen. Unklar ist auch, wann mit einer solchen Chemoprävention begonnen werden sollte und welche Pille ideal ist. Die schützende Wirkung bleibt mit etwa 50% weit unter den Ergebnissen einer beidseitigen Eierstockentfernung. Literatur
Narod, S. A., et al.: Oral contraceptives and the risk of hereditary ovarian cancer. N. Engl. J. Med. 339, 424-428 (1998).
Rubin, S. C.: Chemoprevention of hereditary ovarian cancer. N. Engl. J. Med. 339, 469-471 (1998). Susanne Wasielewski, Münster

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