Apothekenrecht: DAZ-LeseTipp

Welche Dimensionen hätte ein Systemwechsel bei der Preisbildung?

Berlin - 15.03.2024, 17:50 Uhr

Was bei einer „Verhandlungslösung“ à la Lauterbach für die Apotheken auf dem Spiel stünde, beleuchtet Professor Hilko Meyer in der neuen DAZ. (Foto: Schelbert)

Was bei einer „Verhandlungslösung“ à la Lauterbach für die Apotheken auf dem Spiel stünde, beleuchtet Professor Hilko Meyer in der neuen DAZ. (Foto: Schelbert)


Einer der Lauterbach'schen Eckpunkte zur Apothekenreform besagt, dass künftig GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband über Anpassungen des Festzuschlags verhandeln sollen. Die ABDA wertete dies spontan als positives Signal. Aber ist es das wirklich? Apothekenrechtsexperte Professor Dr. Hilko J. Meyer zeigt in der aktuellen DAZ auf, welche tiefschürfenden Folgen ein solcher Systemwechsel haben könnte – und warnt vor „tektonischen Verwerfungen“.

Vergangenes Jahr, kurz vor Weihnachten, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seine Eckpunkte für eine Apothekenhonorar- und Apothekenstrukturreform vorgelegt. Zu seinen Plänen gehört auch, das Bundeswirtschaftsministerium aus seiner bislang gesetzlich vorgesehenen Zuständigkeit zu entlassen, das Fixum der Apotheken (derzeit 8,35 Euro) „entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung anzupassen“. 

Stattdessen soll diese Anpassung künftig durch Verhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und Apothekerschaft im Benehmen mit der PKV erfolgen. Die Parteien sollen dabei „Anpassungen insbesondere unter Berücksichtigung der Entwicklung der Versorgungssituation zur Sicherstellung einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung und der Änderungen des Verbraucherpreisindexes und der Grundlohnsumme“ beachten.

Bei aller Kritik an den übrigen Punkten des Eckpunkte-Papiers sah die ABDA in dieser Absicht das „erste kleinste positive Signal“ mit Aussicht auf eine „Dynamisierung durch eine regelmäßig zu verhandelnde Anpassung des Fixhonorars“. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening erklärte in einer Videobotschaft zum Jahresstart 2024: „Wie bei den Kassenärzten hätten wir dann festgelegte Normen und festgelegte Prozesse für eine Anpassung des Fixzuschlags.“

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Doch es gab auch kritische Stimmen. So mahnte Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Kai Christiansen bei der Kammerversammlung im Februar, die angedachten Verhandlungen über den Festzuschlag nicht mit jenen der Ärzte über ein Gesamtbudget zu verwechseln. Es sei enorm wichtig, „dieses möglicherweise vergiftete Angebot von Lauterbach ausgiebig diskutieren zu können“.

Schwerwiegender Eingriff ins Preisbildungsregime

Dass eine solche Diskussion angesichts der Dimensionen des angekündigten Systemwechsels dringend notwendig ist, meint auch Professor Hilko J. Meyer. In der aktuellen DAZ legt er dar, warum die Festlegung des Fixzuschlags durch Verhandlungen der Apothekerschaft mit den gesetzlichen Krankenkassen „der schwerwiegendste Eingriff in das geltende Preisbildungsregime auf Ebene der Arzneimitteldistribution“ seit Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes im Jahr 1976 und der darauf beruhenden Preisspannenverordnung vom 1978 wäre. Der Jurist zeigt auf, welche Erwägungen der Entscheidung zugrunde lagen, die Handelsspannen für apothekenpflichtige Arzneimittel staatlich festzulegen. Er beleuchtet die Entwicklung zum Kombi-Modell und die Beweggründe des Gesetzgebers, den Verordnungsgeber mit der Anpassung des Fixums zu betrauen. Ebenso geht er auf die Änderungen beim Apothekenabschlag ein, den GKV und DAV für einige Jahre selbst verhandeln sollten – was zu einem „fruchtlosen Dauerkonflikt“ führte und damit endete, dass der Abschlag gesetzlich festgelegt wurde.

Meyer erinnert zudem an das 2016 vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragte 2HM-Gutachten und seine „irrigen Thesen“, die Verhandlungsmacht des GKV-Spitzenverbands und die vielen Streitigkeiten, die auch noch in jüngster Vergangenheit vor der Schiedsstelle landeten. 

Hilko Meyer war zuletzt Professor für Recht an der Frankfurt University of Applied Sciences. Davor war der Jurist 13 Jahre in den Verbänden der Apotheker, der pharmazeutischen Industrie und des pharmazeutischen Groß­handels auf Bundes- und EU-Ebene tätig.

Am Ende lautet sein Fazit:Das in den Eckpunkten vorgesehene Verhandlungsverfahren (…) macht die Festlegung der Apothekerspannen zum Spielball eines antagonistischen Verhandlungsprozesses deutlich ungleichgewichtiger Marktkontrahenten.“ Auf diese Weise würden Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung aus ihrer Verantwortung für die wirtschaftlichen Existenzbedingungen einer sicheren und flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch inhabergeführte öffentliche Apotheken entlassen. Setzt sich Lauterbach mit einer solchen Verhandlungslösung durch, so würde dies nach Meyers Einschätzung „zu erheblichen tektonischen Verwerfungen im gesamten Bereich der flächendeckenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung mit ungewissem Ausgang führen“.

Hier finden Sie den DAZ-Beitrag „Dimensionen eines Systemwechsels - Welche Folgen hätten Verhandlungen zwischen DAV und GKV über das Packungsfixum?“ in voller Länge.

Lesetipp:

Eine noch ausführlichere Fassung des Beitrags von Professor Dr. Hilko J. Meyer ist unter dem Titel „Apothekenhonorar: Systemwechsel in der Arzneimittelpreisbildung“ auch in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Arzneimittel&Recht erschienen.

In der Ausgabe 1/24 finden sich überdies u. a. folgende Beiträge:

Sabine Wesser: Die Abgabe vertragsärztlich verordneten Sprechstunden-/Impfstoffbedarfs an „Vertragsarztpraxen“ und deren Vergütung

Ulrich Grau / Christina Deckers / Tatjana Teterjukow: Erstreckung der Impfberechtigung von Apothekern auf weitere Schutzimpfungen


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Sytemwechsel in der Preisbildung

von Pille62 am 18.03.2024 um 12:36 Uhr

es glaubt ja hoffentlich niemand das Herr Lauterbach irgendetwas auf dem Weg bringt, was uns einen Vorteil verschafft!
Die Kassen werden ihre Marktmacht nutzen und uns eher noch was abnehmen als , das es mehr Einkommen gibt.
Die Bauern seien uns ein mahnendes Beispiel und die sind im Gegensatz zu den Apothekern gut organisiert.
Wenn das kommt, dann ist die Politik fein raus, verweist auf die Kassen und Apotheker in der Selbstverwaltung und wären für Erhöhungen der Abgabepauschale nicht einmal mehr verantwortlich.
Wer dann Schuld an steigenden Krankassenbeiträgen sein wird ist ja wohl klar.
Die Apotheker , die den Hals nicht voll kriegen!
Super !

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wieder mal nicht zuende gedacht....

von Thomas B am 16.03.2024 um 11:21 Uhr

Im Prinzip ist die Idee nicht verkehrt. Die Erfahrung lehrt uns jedoch, dass dieses wünschenswerte Vorgehen aufgrund des Ungleichgewichts der Verhandlungspartner höchstwahrscheinlich nicht funktionieren wird. Und was passiert, wenn (erwartungsgemäss) keine Einigung erzielt werden kann? Und wann? Es wäre daher zweifelsfrei erheblich besser für alle, wenn ein Automatismus, zB gebunden an einen oder mehrere Preisindices installiert würde.
In den Gesetzestexten steht ja auch nicht ohne Grund, dass alle im Gesundheitswesen Beteiligten "zum Wohle des Patienten zusammenarbeiten" sollen. Eine Verhandlöiungslösung wie von Herrn Lauterbach vorgeschlagen erschein daher zum Einen feige, zum Andern fördert es ein Gegeneinander, statt Miteinander.....

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