Physik-Nobelpreis 2023

Was haben „Elektronen-Paparazzi“ mit Gesundheitsvorsorge zu tun?

Stuttgart - 12.12.2023, 10:45 Uhr

Physik-Nobelpreisträger Ferenc Krausz ist seit beinahe 20 Jahren Direktor des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching bei München. (Foto: MPG / Daniel Gerst)

Physik-Nobelpreisträger Ferenc Krausz ist seit beinahe 20 Jahren Direktor des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching bei München. (Foto: MPG / Daniel Gerst)


Mit einem Tropfen Blut einen umfassenden Gesundheitscheck durchführen – das klingt nach Science Fiction. Ferenc Krausz, der den diesjährigen Physik-Nobelpreis erhält, will aus dieser Vision Wirklichkeit machen. Was es dazu braucht? Infrarotlichtblitze im Attosekunden-Bereich.

Jeder Hobbyfotograf und jede Hobbyfotografin weiß: Je schneller sich ein Objekt bewegt, desto kürzer muss die Belichtungszeit sein. Doch wie kurz muss die Belichtungszeit sein, um Elektronenbewegungen festzuhalten? 

Um die negativ geladenen Elementarteilchen beobachten zu können, muss eine ultraschnelle Kamera im Attosekunden-Bereich aufnehmen. Für die Entwicklung einer solchen Kamera, bzw. von Laserblitzen, die nur Attosekunden dauern, erhalten Ferenc Krausz, Anne L’Huillier und Pierre Agostini den diesjährigen Nobelpreis für Physik. Man könnte sie deshalb auch als „Elektronen-Paparazzi“ bezeichnen.

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Was sind Attosekunden? Eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer Milliardstel-Sekunde, also 0,000 000 000 000 000 001 Sekunden. Anders ausgedrückt: Teilt man eine Sekunde durch 1000, erhält man eine Millisekunde (10-3). Wiederholt man dies noch weitere fünfmal, erhält man eine Attosekunde (10-18).

Die Attosekundenphysik könnte in den nächsten Jahren und Jahrzehnten dazu beitragen, dass Elektronik deutlich schneller wird. Die Rechenleistung von Computern wird maßgeblich davon beeinflusst, wie schnell der Strom fließt bzw. wie schnell sich der Elektronenfluss aus- und wieder einschalten lässt. Die Attosekundenphysik könnte hier zu einer deutlichen Beschleunigung beitragen, wie das Max-Planck-Institut in einer Pressemitteilung schreibt.

Attosekunden-Lichtblitze in der Medizin

In der Medizin könnten superschnelle Infrarotlichtblitze in der Gesundheitsvorsorge eingesetzt werden: Blutproben könnten mit Infrarotlicht, das im Attosekundenbereich an- und ausgestellt wird, durchleuchtet werden. Die Infrarotlichtlichtblitze bringen Elektronen in den Molekülen des Blutes zum Schwingen, dabei werden ebenfalls Infrarotwellen ausgesendet, die bereits heute sehr gut erfasst und gemessen werden können. Dieser Infrarotfingerabdruck von Blutproben könnte, zusammen mit dem Einsatz entsprechender Software, Veränderungen in der molekularen Zusammensetzung des Blutes detektieren. So sollen zum Beispiel Krebserkrankungen aufgrund von Krebsmarkern im Blut früh entdeckt werden. Am Max-Planck-Institut in Garching in der Arbeitsgruppe von Professor Ferenc Krausz arbeiten Physiker, Mediziner und Biologen daran, diese Technik voranzubringen – bis jetzt ist das alles jedoch noch Zukunftsmusik, wie Krausz bei einer Pressekonferenz erklärte.

Die Preisträger des diesjährigen Nobelpreises für Physik

Ferenc Krausz wurde 1962 in Ungarn geboren und studierte an der Universität in Budapest zunächst Elektrotechnik, später Theoretische Physik an der Eötvös-Loránd Universität. Er promovierte und habilitierte an der Technischen Universität Wien im Bereich Quantenoptik. 2003 folgte Krausz dem Ruf als Direktor des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching, an dem er außerdem die Abteilung Attosekundenphysik leitet. Seit 2004 hat er einen Lehrstuhl für Experimentalphysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 

Anne L’Huillier ist eine französisch-schwedische Physikerin und Professorin für Atomphysik an der Universität Lund in Schweden. 

Pierre Agostini ist ein französisch-US-amerikanischer Physiker, der an der Ohio State University in den USA als emeritierter Professor tätig ist.

Literatur

The Nobel Prize in Physics 2023. www.nobelprize.org/prizes/physics/2023/summary/

Ferenc Krausz erhält den Physik-Nobelpreis. Max-Planck-Gesellschaft 2023, www.mpg.de/20915190/ferenc-krausz-erhaelt-den-physik-nobelpreis

Neuartige Blutuntersuchung mittels Infrarotlicht. Max-Planck-Institut für Quantenoptik, 10.März 2021, Neuartige Blutuntersuchung mittels Infrarotlicht | Max Planck Institut für Quantenoptik (mpg.de)


Juliane Russ, M.Sc., Volontärin


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